Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum. über seine Nichte nähere Kunde. Ernestine schrieb dieser im Jahre 1804 (der Zu Tübingen meldete sich der Privatdozent Textor, der viele Jahre lang Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum. über seine Nichte nähere Kunde. Ernestine schrieb dieser im Jahre 1804 (der Zu Tübingen meldete sich der Privatdozent Textor, der viele Jahre lang <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203208"/> <fw type="header" place="top"> Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> über seine Nichte nähere Kunde. Ernestine schrieb dieser im Jahre 1804 (der<lb/> Brief ist ungedruckt): „Vom Onkel lassen Sie mich zuerst erzählen, liebe Luise,<lb/> der gar große Freude an der unbekannten Nichte hat, die ich ihm als mein<lb/> Herzblüttchen geschildert, und dem ich von Ihrem häuslichen Leben und den<lb/> raschen Knaben erzählt habe. Aus Ihrem letzten Briefe habe ich ihm auch<lb/> mitgeteilt, als er einmal recht Sinn für so was hatte. Da sagte er wirklich<lb/> recht gerührt, er erkenne in der Tochter die Seele der Mutter, sogar in Ihren<lb/> Schriftzügen'die Hand der Mutter. Ich solle Ihnen sagen, er sei kein Raben¬<lb/> onkel, aber schreiben, das wäre eine Sache, die selten bei ihm ausgeführt<lb/> würde. Herzlich solle ich Sie grüßen. Sie und Ihren Mann, und Ihnen<lb/> sagen, er sähe Sie gar gern einmal in Ihrem häuslichen Kreise; aber die Reise<lb/> über die Heide schrecke ihn. Er ist wirklich allerliebst, wenn er hier in Jena<lb/> ganz aus seinem steifen Berufe heraus ist und, in seinen langen Mantel ge¬<lb/> hüllet, mit der Zauberlaterne in der Hand, in unsre Stube tritt." In etwas<lb/> abweichender Weise erzählt Ernestine dies später in ihren im Druck erschienenen<lb/> Erinnerungen. Fritz Schlosser kehrte 1803 aus Göttingen, wohin er sich von<lb/> Jena begeben hatte, als I)r. iuris nach seiner Vaterstadt zurück, wo er unter<lb/> die Advokaten aufgenommen ward. 1804 wurde der so thätige wie tüchtige<lb/> Dr. Mekher nicht ohne Empfehlung der Frau Rat, deren Arzt er war. zu der<lb/> seit dem vorigen Jahre erledigten Stelle eines Stadtaccoucheurs berufen,<lb/> welche einst Goethes Großvater auf Veranlassung eines bei seinem ersten<lb/> Enkel vorgefallenen Versehens der Hebamme geschaffen hatte. I» demselben<lb/> Jahre heiratete der zweite Sohn von Schuler.</p><lb/> <p xml:id="ID_1378" next="#ID_1379"> Zu Tübingen meldete sich der Privatdozent Textor, der viele Jahre lang<lb/> über das Zivilrecht gelesen hatte, am 15. Juli 1805 bei dem Herzog zu einer<lb/> außerordentlichen Professur. Die Fakultät erklärte sich gegen seine Beförderung,<lb/> da er, wenn er auch, wie es heiße, nicht ohne Beifall Vorlesungen gehalten, doch<lb/> nichts geschrieben, mich im praktischen Fache sich gar nicht geübt habe. Er hatte<lb/> sich vorher mit der Tochter eines Tübinger Handelsmannes und Gerichtsver¬<lb/> wandten, der siebenundzwanzigjührigen Sophie Friederike Geß. verheiratet, die<lb/> ihm am 18. Februar 1806 einen Sohn brachte, dessen Vornamen Wilhelm Karl<lb/> er von sich und seiner Mutter hernahm. In demselben Jahre wurde Nieolovius<lb/> sein Sohn Alfred geboren. Für Preußen und Weimar ward das Jahr ein<lb/> unglückliches. Aber gleich nach der Plünderung Weimars ließ sich Goethe<lb/> mit seiner Christiane kirchlich trauen, was der Frau Rat unendliche Freude<lb/> machte, die sich nun der Frau Gcheimerat öffentlich als ihrer lieben Tochter<lb/> rühmen und ihres August, dem so lange seine uneheliche Geburt schwer auf<lb/> dem Herzen gelegen hatte, inniger als je freuen durfte. Leider war auch in<lb/> ihrer Vaterstadt eine neue, ihr höchst unliebsame Ordnung der Dinge gewaltsam<lb/> eingetreten. Frankfurt ward am 1. August dem Fürsten Primas des Rhein¬<lb/> bundes zugewiesen, was die völlige Umgestaltung der gesamten Verwaltung zur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.
über seine Nichte nähere Kunde. Ernestine schrieb dieser im Jahre 1804 (der
Brief ist ungedruckt): „Vom Onkel lassen Sie mich zuerst erzählen, liebe Luise,
der gar große Freude an der unbekannten Nichte hat, die ich ihm als mein
Herzblüttchen geschildert, und dem ich von Ihrem häuslichen Leben und den
raschen Knaben erzählt habe. Aus Ihrem letzten Briefe habe ich ihm auch
mitgeteilt, als er einmal recht Sinn für so was hatte. Da sagte er wirklich
recht gerührt, er erkenne in der Tochter die Seele der Mutter, sogar in Ihren
Schriftzügen'die Hand der Mutter. Ich solle Ihnen sagen, er sei kein Raben¬
onkel, aber schreiben, das wäre eine Sache, die selten bei ihm ausgeführt
würde. Herzlich solle ich Sie grüßen. Sie und Ihren Mann, und Ihnen
sagen, er sähe Sie gar gern einmal in Ihrem häuslichen Kreise; aber die Reise
über die Heide schrecke ihn. Er ist wirklich allerliebst, wenn er hier in Jena
ganz aus seinem steifen Berufe heraus ist und, in seinen langen Mantel ge¬
hüllet, mit der Zauberlaterne in der Hand, in unsre Stube tritt." In etwas
abweichender Weise erzählt Ernestine dies später in ihren im Druck erschienenen
Erinnerungen. Fritz Schlosser kehrte 1803 aus Göttingen, wohin er sich von
Jena begeben hatte, als I)r. iuris nach seiner Vaterstadt zurück, wo er unter
die Advokaten aufgenommen ward. 1804 wurde der so thätige wie tüchtige
Dr. Mekher nicht ohne Empfehlung der Frau Rat, deren Arzt er war. zu der
seit dem vorigen Jahre erledigten Stelle eines Stadtaccoucheurs berufen,
welche einst Goethes Großvater auf Veranlassung eines bei seinem ersten
Enkel vorgefallenen Versehens der Hebamme geschaffen hatte. I» demselben
Jahre heiratete der zweite Sohn von Schuler.
Zu Tübingen meldete sich der Privatdozent Textor, der viele Jahre lang
über das Zivilrecht gelesen hatte, am 15. Juli 1805 bei dem Herzog zu einer
außerordentlichen Professur. Die Fakultät erklärte sich gegen seine Beförderung,
da er, wenn er auch, wie es heiße, nicht ohne Beifall Vorlesungen gehalten, doch
nichts geschrieben, mich im praktischen Fache sich gar nicht geübt habe. Er hatte
sich vorher mit der Tochter eines Tübinger Handelsmannes und Gerichtsver¬
wandten, der siebenundzwanzigjührigen Sophie Friederike Geß. verheiratet, die
ihm am 18. Februar 1806 einen Sohn brachte, dessen Vornamen Wilhelm Karl
er von sich und seiner Mutter hernahm. In demselben Jahre wurde Nieolovius
sein Sohn Alfred geboren. Für Preußen und Weimar ward das Jahr ein
unglückliches. Aber gleich nach der Plünderung Weimars ließ sich Goethe
mit seiner Christiane kirchlich trauen, was der Frau Rat unendliche Freude
machte, die sich nun der Frau Gcheimerat öffentlich als ihrer lieben Tochter
rühmen und ihres August, dem so lange seine uneheliche Geburt schwer auf
dem Herzen gelegen hatte, inniger als je freuen durfte. Leider war auch in
ihrer Vaterstadt eine neue, ihr höchst unliebsame Ordnung der Dinge gewaltsam
eingetreten. Frankfurt ward am 1. August dem Fürsten Primas des Rhein¬
bundes zugewiesen, was die völlige Umgestaltung der gesamten Verwaltung zur
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |