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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Geschlecht Teztor, Goethes mütterlicher Stammbcnnn.

Am 3. September 1771 wurde Wolfgang, kurz nach seiner Rückkehr von
Straßburg, wo er nur Licentiat geworden, unter die Advokaten aufgenommen.
Seinen Oheim wählte man in dankbarer Erinnerung an seinen Vater in den Rat,
in welchen er am 16. September eintrat. Auf Goethes Verwandte in Wetzlar, die
er 1772 dort kennen lernte, gehen wir nicht ein. Am 2. Januar 1773 wurde dein
Oheim eine Tochter, Anna Maria, geboren, bei welcher die lustige Tante Mekher
Pate war. Die Ehe dieser selbst wurde noch nach dein zwanzigsten Jahre
(1772 und 1773) mit zwei Kindern gesegnet, von denen die Tochter Anna
Margaretha die Namen der Großmutter erhielt, der Knabe Johann Georg
David getauft wurde; die Namen Johann David erhielt er von einem Ver¬
wandten, der auch später Pate eines Kindes des Oheims wurde, Georg hieß
er vom Vater. Als am 1. November 1773 I. G. Schlosser, der mittlerweile
markgräflich badischer wirklicher Hof- und Regierungsrat in Karlsruhe ge¬
worden war, Goethes Schwester heiratete, widmeten Starcks vier Kinder dem
"vortrefflichen Brautpaar" ein prosaisches "Glückwunschschreiben" von herzlicher
Nüchternheit. Der einzige Verwandte, der mit Versen angerückt kam, war nicht
der tief ergriffene Bruder, sondern der Advokat starck, Schlossers Schwager;
seine ledernen Reime handelten vou dem Ursprung und dem Gebrauch der Hoch-
zeitsgedichtc. Leider mußte sich Schlosser bald gefallen lassen, statt i" Karlsruhe
zu bleiben, nach Emmendingen zu wandern. Dort wurde ihm am 28. Oktober
1774 eine Tochter geboren, bei welcher Schlossers Mutter (Susanna Maria)
Pate war; sie wurde Maria Anna Luise genannt, wobei der Rufname Luise
als besonders wohllautend beliebt wurde. Kurz nach Goethes Abreise von
Frankfurt, am 13. November 1776, erhielt der Oheim noch einen vierten Knaben,
Friedrich Karl Ludwig.

In Weimar blieb Goethe ohne nähere Verbindung mit seinen Frankfurter
Verwandten; seine vertraute Vermittlerin war zunächst Johanna Fahlmer, die
ihm in den letzten Frankfurter Tagen gewissermaßen die Schwester ersetzt hatte.
Ihr Vater, der kurpfälzische Kommerzienrat Georg Christof Fahlmer, der von
Frankfurt nach Düsseldorf gezogen war, hatte sich am 31. August 1773 in zweiter
Ehe mit der Frankfurterin Maria starck verbunden, einer Tochter des mit
Goethes Oheim starck verwandten Konsistorialrates, deutsch- und französisch¬
evangelischen Predigers Magister Johann Balthasar starck. Johanna Katha¬
rina Sibylla Fahlmer, fünf Jahre vor Goethe, am 16. Juni 1744, ge¬
boren, war im Juni 1772 nach dem Tode des Vaters mit ihrer Mutter nach
Frankfurt gezogen, wo sich denn bald ein nahes Verhältnis Goethes zu ihr
bildete, obgleich dieser von den ihr verwandten und von ihr hochgeschätzten
Brüdern Jacobi nichts wissen wollte. In Emmendingen brachte Kornelle ihrem
Gatten am 10. Mai 1777 eine zweite Tochter, deren Pate die Frau Rat wurde;
zu ihren Namen Katharina Elisabeth erhielt sie noch den Rufnamen Julie. Der
bald darauf infolge des Wochenbettes am 7. Juni erfolgte Tod der Schwester


Das Geschlecht Teztor, Goethes mütterlicher Stammbcnnn.

Am 3. September 1771 wurde Wolfgang, kurz nach seiner Rückkehr von
Straßburg, wo er nur Licentiat geworden, unter die Advokaten aufgenommen.
Seinen Oheim wählte man in dankbarer Erinnerung an seinen Vater in den Rat,
in welchen er am 16. September eintrat. Auf Goethes Verwandte in Wetzlar, die
er 1772 dort kennen lernte, gehen wir nicht ein. Am 2. Januar 1773 wurde dein
Oheim eine Tochter, Anna Maria, geboren, bei welcher die lustige Tante Mekher
Pate war. Die Ehe dieser selbst wurde noch nach dein zwanzigsten Jahre
(1772 und 1773) mit zwei Kindern gesegnet, von denen die Tochter Anna
Margaretha die Namen der Großmutter erhielt, der Knabe Johann Georg
David getauft wurde; die Namen Johann David erhielt er von einem Ver¬
wandten, der auch später Pate eines Kindes des Oheims wurde, Georg hieß
er vom Vater. Als am 1. November 1773 I. G. Schlosser, der mittlerweile
markgräflich badischer wirklicher Hof- und Regierungsrat in Karlsruhe ge¬
worden war, Goethes Schwester heiratete, widmeten Starcks vier Kinder dem
»vortrefflichen Brautpaar" ein prosaisches „Glückwunschschreiben" von herzlicher
Nüchternheit. Der einzige Verwandte, der mit Versen angerückt kam, war nicht
der tief ergriffene Bruder, sondern der Advokat starck, Schlossers Schwager;
seine ledernen Reime handelten vou dem Ursprung und dem Gebrauch der Hoch-
zeitsgedichtc. Leider mußte sich Schlosser bald gefallen lassen, statt i» Karlsruhe
zu bleiben, nach Emmendingen zu wandern. Dort wurde ihm am 28. Oktober
1774 eine Tochter geboren, bei welcher Schlossers Mutter (Susanna Maria)
Pate war; sie wurde Maria Anna Luise genannt, wobei der Rufname Luise
als besonders wohllautend beliebt wurde. Kurz nach Goethes Abreise von
Frankfurt, am 13. November 1776, erhielt der Oheim noch einen vierten Knaben,
Friedrich Karl Ludwig.

In Weimar blieb Goethe ohne nähere Verbindung mit seinen Frankfurter
Verwandten; seine vertraute Vermittlerin war zunächst Johanna Fahlmer, die
ihm in den letzten Frankfurter Tagen gewissermaßen die Schwester ersetzt hatte.
Ihr Vater, der kurpfälzische Kommerzienrat Georg Christof Fahlmer, der von
Frankfurt nach Düsseldorf gezogen war, hatte sich am 31. August 1773 in zweiter
Ehe mit der Frankfurterin Maria starck verbunden, einer Tochter des mit
Goethes Oheim starck verwandten Konsistorialrates, deutsch- und französisch¬
evangelischen Predigers Magister Johann Balthasar starck. Johanna Katha¬
rina Sibylla Fahlmer, fünf Jahre vor Goethe, am 16. Juni 1744, ge¬
boren, war im Juni 1772 nach dem Tode des Vaters mit ihrer Mutter nach
Frankfurt gezogen, wo sich denn bald ein nahes Verhältnis Goethes zu ihr
bildete, obgleich dieser von den ihr verwandten und von ihr hochgeschätzten
Brüdern Jacobi nichts wissen wollte. In Emmendingen brachte Kornelle ihrem
Gatten am 10. Mai 1777 eine zweite Tochter, deren Pate die Frau Rat wurde;
zu ihren Namen Katharina Elisabeth erhielt sie noch den Rufnamen Julie. Der
bald darauf infolge des Wochenbettes am 7. Juni erfolgte Tod der Schwester


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/421>, abgerufen am 28.07.2024.