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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Österreich und der deutsch-französische Arieg.

Nächte mir das gekostet, mag ich gar nicht sagen." ^Jst auch nicht nötig, da
man sich den harten Kampf, den Sympathie mit den Franzosen und Haß gegen
die Preußen einerseits und die Ungewißheit, wer von beiden der stärkere sei,
anderseits in seiner Seele gekämpft haben müssen, lebhaft vorstellen kann.j
"Wäre ich ein Abenteurer gewesen, die Partie war leicht. Ich brauchte nur
in Paris sechshundert Millionen, die ich anstandslos erhalten hätte, zu ver¬
langen, mit diesen den Krieg einzuleiten, Verfassung und Preßgesetz zu suspen-
diren -- die Mittel dazu wären mir nicht vorenthalten worden, und auch
Ungarn . . . wäre mir nicht im Wege gestanden. Im Falle des Sieges war
ich ein großer Mann, im Falle der Niederlage suchte ich das Weite. Ich darf
es sagen, jeder Schritt, den ich gethan, war reiflich überlegt und nach den
Umständen bemessen. Das Resultat ist für Österreich-Ungarn gewesen: ent¬
gegenkommende Freundschaft Deutschlands und gerechte und sympathische Wür¬
digung von feiten Frankreichs. Besser konnte es doch gar nicht getroffen werden."
Das heißt doch aus der Not eine Tugend machen, und was die entgegen¬
kommende Freundschaft Deuschlands betrifft, so fand sie doch erst aufrichtige
Erwiederung, als Beust in Andrassy einen Nachfolger erhalten hatte.

Die deutsche Politik hatte während des Krieges und nach dem Kriege viele
gute Gründe, sich mit der österreichischen ans möglichst freundschaftlichen Fuß
zu stellen, und das wurde auch versucht. Sie hatte aber gar keinen Grund,
dem Grafen Beust dankbar zu sein, daß er unterlassen hatte, was er nicht thun
konnte und nur zu gern gethan hätte. Eher mag ihm Österreich auf das Konto
seiner Verdienste schreiben, daß er so klug war, seine Ohnmacht einzusehen und
dieser Einsicht durch Enthaltsamkeit Folge zu geben. Welch ein bitterer Gegner
des werdenden Deutschlands er war, sagt uns fast jede Seite seiner Schrift,
die von seiner Stellung zu Deutschland handelt, und wie er in jener Eigen¬
schaft durch verschiedne Ratschläge für die Sache Frankreichs zu wirken suchte,
wird gleichfalls mit mehreren Beispielen belegt. Im zweiten Bande S. 9 ff.
erzählt er, wie er nach der Schlacht bei Königgrcitz nach Paris gesandt wurde,
um Hilfe zu erbitten. "Es war am 9. Juli in sehr später Abendstunde, als
Graf Moritz Esterhazy in mein Zimmer trat, um mir zu sagen, der Kaiser
wünsche mich zu sprechen, und zwar handle es sich darum, mich nach Paris
zu senden, um vom Kaiser Napoleon ein kräftiges Eingreifen zu erlangen...
Man mochte in Wien wissen, daß ich mit Napoleon in persönlichem Verkehr
gestanden und mich seinerseits einer sympathischen Aufnahme zu erfreuen gehabt
hatte. Daß die Mission eine wenig aussichtsvolle sei, verhehlte ich mir nicht,
ebensowenig, daß ich mir durch deren Übernahme die letzte Brücke zur Rückkehr
auf meinen Dresdener Posten abbrach. Diese Betrachtungen konnten mich nicht
abhalten, den Versuch zu wagen... Esterhazy führte mich zum Kaiser, und ich
nahm keinen Anstand, meine Bereitwilligkeit zur Übernahme der Mission unter
Voraussetzung der Erlaubnis des Königs Johann von Sachsen) zu erklären,


Österreich und der deutsch-französische Arieg.

Nächte mir das gekostet, mag ich gar nicht sagen." ^Jst auch nicht nötig, da
man sich den harten Kampf, den Sympathie mit den Franzosen und Haß gegen
die Preußen einerseits und die Ungewißheit, wer von beiden der stärkere sei,
anderseits in seiner Seele gekämpft haben müssen, lebhaft vorstellen kann.j
„Wäre ich ein Abenteurer gewesen, die Partie war leicht. Ich brauchte nur
in Paris sechshundert Millionen, die ich anstandslos erhalten hätte, zu ver¬
langen, mit diesen den Krieg einzuleiten, Verfassung und Preßgesetz zu suspen-
diren — die Mittel dazu wären mir nicht vorenthalten worden, und auch
Ungarn . . . wäre mir nicht im Wege gestanden. Im Falle des Sieges war
ich ein großer Mann, im Falle der Niederlage suchte ich das Weite. Ich darf
es sagen, jeder Schritt, den ich gethan, war reiflich überlegt und nach den
Umständen bemessen. Das Resultat ist für Österreich-Ungarn gewesen: ent¬
gegenkommende Freundschaft Deutschlands und gerechte und sympathische Wür¬
digung von feiten Frankreichs. Besser konnte es doch gar nicht getroffen werden."
Das heißt doch aus der Not eine Tugend machen, und was die entgegen¬
kommende Freundschaft Deuschlands betrifft, so fand sie doch erst aufrichtige
Erwiederung, als Beust in Andrassy einen Nachfolger erhalten hatte.

Die deutsche Politik hatte während des Krieges und nach dem Kriege viele
gute Gründe, sich mit der österreichischen ans möglichst freundschaftlichen Fuß
zu stellen, und das wurde auch versucht. Sie hatte aber gar keinen Grund,
dem Grafen Beust dankbar zu sein, daß er unterlassen hatte, was er nicht thun
konnte und nur zu gern gethan hätte. Eher mag ihm Österreich auf das Konto
seiner Verdienste schreiben, daß er so klug war, seine Ohnmacht einzusehen und
dieser Einsicht durch Enthaltsamkeit Folge zu geben. Welch ein bitterer Gegner
des werdenden Deutschlands er war, sagt uns fast jede Seite seiner Schrift,
die von seiner Stellung zu Deutschland handelt, und wie er in jener Eigen¬
schaft durch verschiedne Ratschläge für die Sache Frankreichs zu wirken suchte,
wird gleichfalls mit mehreren Beispielen belegt. Im zweiten Bande S. 9 ff.
erzählt er, wie er nach der Schlacht bei Königgrcitz nach Paris gesandt wurde,
um Hilfe zu erbitten. „Es war am 9. Juli in sehr später Abendstunde, als
Graf Moritz Esterhazy in mein Zimmer trat, um mir zu sagen, der Kaiser
wünsche mich zu sprechen, und zwar handle es sich darum, mich nach Paris
zu senden, um vom Kaiser Napoleon ein kräftiges Eingreifen zu erlangen...
Man mochte in Wien wissen, daß ich mit Napoleon in persönlichem Verkehr
gestanden und mich seinerseits einer sympathischen Aufnahme zu erfreuen gehabt
hatte. Daß die Mission eine wenig aussichtsvolle sei, verhehlte ich mir nicht,
ebensowenig, daß ich mir durch deren Übernahme die letzte Brücke zur Rückkehr
auf meinen Dresdener Posten abbrach. Diese Betrachtungen konnten mich nicht
abhalten, den Versuch zu wagen... Esterhazy führte mich zum Kaiser, und ich
nahm keinen Anstand, meine Bereitwilligkeit zur Übernahme der Mission unter
Voraussetzung der Erlaubnis des Königs Johann von Sachsen) zu erklären,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/405>, abgerufen am 28.07.2024.