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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Österreich und der deutsch-französische Krieg.

folgen werde. Die Depesche vom 11. Juli sei ihm von Metternich niemals
gezeigt worden, und am 20. Juli, nachdem inzwischen Graf Vitzthum in Paris
gewesen sei und im Austrage Österreichs mit Napoleon und ihm selbst gesprochen
habe, habe Beust an Metternich geschrieben, jetzt sei jede Möglichkeit eines Mi߬
verständnisses beseitigt, und er möge dem Kaiser und seinen Ministern sagen,
Osterreich werde, getreu seinen Verpflichtungen, die Sache Frankreichs als die
seinige betrachten und zum Erfolge der französischen Waffen innerhalb der
Grenzen des Möglichen beitragen. Zu gleicher Zeit habe Metternich ihm er¬
klärt, Österreich werde erst anfangs September bereit sein, den Feldzug zu er¬
öffnen. Mit Vitzthum sei ein Vertrag verabredet worden, worin bestimmt erklärt
worden sei, die bewaffnete Neutralität der vertragschließenden Mächte solle sich
in thatsächliche Mitwirkung Österreichs gegen Preußen verWandel", wenn Preußen,
nachdem man gemeinsam in einem Ultimatum die Forderung gestellt habe, es
solle sich verpflichten, nichts gegen den im Prager Frieden geschaffenen Stand
der Dinge zu unternehmen, mit einer Weigerung antworten werde, was sicher
geschehen würde.

In seiner nachträglichen Duplik hält Beust dem Herzog von Gramont
entgegen, daß er zwar von der Depesche vom 11. Juli nichts gewußt haben
wolle, aber demungeachtet selbst anerkenne, daß Beust vom Kriege abgeraten
habe. "Wenn darauf -- fährt er fort -- die Worte folgen: "bis zur Ankunft
des Grafen Vitzthum," so ist darauf aufmerksam zu machen, daß Vitzthum,
damals Gesandter in Brüssel, sich vor der Kriegserklärung in Paris ohne Ur¬
laub, ohne Aufträge seiner Negierung aufgehalten hatte und erst nach der
Kriegserklärung nach Paris geschickt wurde, wonach es sehr natürlich ist, daß
alsdann von einem Abraten nicht mehr die Rede sein konnte. Die von mir
gebrauchten Worte: "Es ist klargestellt, daß, als Frankreich den Krieg erklärte,
nicht ein Wort gesprochen oder geschrieben worden war, welches berechtigt hätte,
ans unsern militärischen Beistand zu rechnen," werden durch nichts in der Gra-
montschen Replik entkräftet; im Gegenteile, sie finden dadurch Bestätigung, daß
Gramont sagt, während seiner Mission in Wien habe sich niemals eine Ge¬
legenheit gefunden, wo Österreich aufgefordert worden wäre, sich über seine
Willfährigkeit zu einem Kriege auszusprechen, und er habe nicht einmal dessen
eventuelle Mitwirkung zu einem solchen zu beanspruchen gehabt. Hiernach müßte
ich also dem französischen Botschafter aus freien Stücken mit dein Versprechen
der Teilnahme für den Fall entgegengekommen sein, daß es einmal Frankreich
belieben sollte, einen solchen Krieg zu unternehmen. Das würde selbst mein
ärgster Feind nicht glaubhaft finden." Einen andern auffülligen Widerspruch
erblickt Beust in der Gramontschen Antwort. "An zwei Stellen sagt Gramont,
er habe Beust und Österreich keinerlei Vorwurf zu machen, gleichwohl beruft
er sich am Schlüsse seiner Replik auf positive Abmachungen und ans verschiedne
Depeschen, die er an den Prinzen Latour d'Auvergne, seinen Nachfolger in


Österreich und der deutsch-französische Krieg.

folgen werde. Die Depesche vom 11. Juli sei ihm von Metternich niemals
gezeigt worden, und am 20. Juli, nachdem inzwischen Graf Vitzthum in Paris
gewesen sei und im Austrage Österreichs mit Napoleon und ihm selbst gesprochen
habe, habe Beust an Metternich geschrieben, jetzt sei jede Möglichkeit eines Mi߬
verständnisses beseitigt, und er möge dem Kaiser und seinen Ministern sagen,
Osterreich werde, getreu seinen Verpflichtungen, die Sache Frankreichs als die
seinige betrachten und zum Erfolge der französischen Waffen innerhalb der
Grenzen des Möglichen beitragen. Zu gleicher Zeit habe Metternich ihm er¬
klärt, Österreich werde erst anfangs September bereit sein, den Feldzug zu er¬
öffnen. Mit Vitzthum sei ein Vertrag verabredet worden, worin bestimmt erklärt
worden sei, die bewaffnete Neutralität der vertragschließenden Mächte solle sich
in thatsächliche Mitwirkung Österreichs gegen Preußen verWandel», wenn Preußen,
nachdem man gemeinsam in einem Ultimatum die Forderung gestellt habe, es
solle sich verpflichten, nichts gegen den im Prager Frieden geschaffenen Stand
der Dinge zu unternehmen, mit einer Weigerung antworten werde, was sicher
geschehen würde.

In seiner nachträglichen Duplik hält Beust dem Herzog von Gramont
entgegen, daß er zwar von der Depesche vom 11. Juli nichts gewußt haben
wolle, aber demungeachtet selbst anerkenne, daß Beust vom Kriege abgeraten
habe. „Wenn darauf — fährt er fort — die Worte folgen: »bis zur Ankunft
des Grafen Vitzthum,« so ist darauf aufmerksam zu machen, daß Vitzthum,
damals Gesandter in Brüssel, sich vor der Kriegserklärung in Paris ohne Ur¬
laub, ohne Aufträge seiner Negierung aufgehalten hatte und erst nach der
Kriegserklärung nach Paris geschickt wurde, wonach es sehr natürlich ist, daß
alsdann von einem Abraten nicht mehr die Rede sein konnte. Die von mir
gebrauchten Worte: »Es ist klargestellt, daß, als Frankreich den Krieg erklärte,
nicht ein Wort gesprochen oder geschrieben worden war, welches berechtigt hätte,
ans unsern militärischen Beistand zu rechnen,« werden durch nichts in der Gra-
montschen Replik entkräftet; im Gegenteile, sie finden dadurch Bestätigung, daß
Gramont sagt, während seiner Mission in Wien habe sich niemals eine Ge¬
legenheit gefunden, wo Österreich aufgefordert worden wäre, sich über seine
Willfährigkeit zu einem Kriege auszusprechen, und er habe nicht einmal dessen
eventuelle Mitwirkung zu einem solchen zu beanspruchen gehabt. Hiernach müßte
ich also dem französischen Botschafter aus freien Stücken mit dein Versprechen
der Teilnahme für den Fall entgegengekommen sein, daß es einmal Frankreich
belieben sollte, einen solchen Krieg zu unternehmen. Das würde selbst mein
ärgster Feind nicht glaubhaft finden." Einen andern auffülligen Widerspruch
erblickt Beust in der Gramontschen Antwort. „An zwei Stellen sagt Gramont,
er habe Beust und Österreich keinerlei Vorwurf zu machen, gleichwohl beruft
er sich am Schlüsse seiner Replik auf positive Abmachungen und ans verschiedne
Depeschen, die er an den Prinzen Latour d'Auvergne, seinen Nachfolger in


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[0402] Österreich und der deutsch-französische Krieg. folgen werde. Die Depesche vom 11. Juli sei ihm von Metternich niemals gezeigt worden, und am 20. Juli, nachdem inzwischen Graf Vitzthum in Paris gewesen sei und im Austrage Österreichs mit Napoleon und ihm selbst gesprochen habe, habe Beust an Metternich geschrieben, jetzt sei jede Möglichkeit eines Mi߬ verständnisses beseitigt, und er möge dem Kaiser und seinen Ministern sagen, Osterreich werde, getreu seinen Verpflichtungen, die Sache Frankreichs als die seinige betrachten und zum Erfolge der französischen Waffen innerhalb der Grenzen des Möglichen beitragen. Zu gleicher Zeit habe Metternich ihm er¬ klärt, Österreich werde erst anfangs September bereit sein, den Feldzug zu er¬ öffnen. Mit Vitzthum sei ein Vertrag verabredet worden, worin bestimmt erklärt worden sei, die bewaffnete Neutralität der vertragschließenden Mächte solle sich in thatsächliche Mitwirkung Österreichs gegen Preußen verWandel», wenn Preußen, nachdem man gemeinsam in einem Ultimatum die Forderung gestellt habe, es solle sich verpflichten, nichts gegen den im Prager Frieden geschaffenen Stand der Dinge zu unternehmen, mit einer Weigerung antworten werde, was sicher geschehen würde. In seiner nachträglichen Duplik hält Beust dem Herzog von Gramont entgegen, daß er zwar von der Depesche vom 11. Juli nichts gewußt haben wolle, aber demungeachtet selbst anerkenne, daß Beust vom Kriege abgeraten habe. „Wenn darauf — fährt er fort — die Worte folgen: »bis zur Ankunft des Grafen Vitzthum,« so ist darauf aufmerksam zu machen, daß Vitzthum, damals Gesandter in Brüssel, sich vor der Kriegserklärung in Paris ohne Ur¬ laub, ohne Aufträge seiner Negierung aufgehalten hatte und erst nach der Kriegserklärung nach Paris geschickt wurde, wonach es sehr natürlich ist, daß alsdann von einem Abraten nicht mehr die Rede sein konnte. Die von mir gebrauchten Worte: »Es ist klargestellt, daß, als Frankreich den Krieg erklärte, nicht ein Wort gesprochen oder geschrieben worden war, welches berechtigt hätte, ans unsern militärischen Beistand zu rechnen,« werden durch nichts in der Gra- montschen Replik entkräftet; im Gegenteile, sie finden dadurch Bestätigung, daß Gramont sagt, während seiner Mission in Wien habe sich niemals eine Ge¬ legenheit gefunden, wo Österreich aufgefordert worden wäre, sich über seine Willfährigkeit zu einem Kriege auszusprechen, und er habe nicht einmal dessen eventuelle Mitwirkung zu einem solchen zu beanspruchen gehabt. Hiernach müßte ich also dem französischen Botschafter aus freien Stücken mit dein Versprechen der Teilnahme für den Fall entgegengekommen sein, daß es einmal Frankreich belieben sollte, einen solchen Krieg zu unternehmen. Das würde selbst mein ärgster Feind nicht glaubhaft finden." Einen andern auffülligen Widerspruch erblickt Beust in der Gramontschen Antwort. „An zwei Stellen sagt Gramont, er habe Beust und Österreich keinerlei Vorwurf zu machen, gleichwohl beruft er sich am Schlüsse seiner Replik auf positive Abmachungen und ans verschiedne Depeschen, die er an den Prinzen Latour d'Auvergne, seinen Nachfolger in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/402>, abgerufen am 27.07.2024.