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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Hamcrlings Homnnc-ulus.
Baucrnsäiigcr, Wunderdoktor,
Kriegsschauplatz-Berichterstatter,
Vvrtragsbummler, Taschenspieler,
"Medium," Gedankenleser,
Reisemarschall einer Sttugrin,
Sozi^list, Carlist in Spanien,
Renegat und Rvßschwcifpascha,
Jesuit, Schcmbudenhaltcr,
Hungerkünstler, Fcuerfresser,
Sekretär entthronter Fürsten,
Schornsteinfeger in der Hölle,
Kolporteur, barmherz'gar Bruder,
Reußscher Konsul in Tumbuktu,
Zirkusreiter, Clown, geheimer
Sendling, Makler, Geldverleiher,
Kommissar verschiedner Mächte
In den Donaufürstcntümcm,
Handlungsreisender, Schauspieler,
Unterschriften-, Wurzel-, Kräuter-,
Lumpen-, Abonnentensammler.

Nach allen Verwandlungen kommt Munkel -- vermutlich -- auch noch ins
Gefängnis, und plötzlich taucht er wieder, wie das Licht aus dem Dunkel des
Tunnels, auf, um ein "Blatt für alles und für alle" zu gründen, ein Jnseraten-
blcitt, das kostenfrei aller Welt ins Haus geschickt wird und ihn gleichwohl zum
reichen Manne macht. "Jeder inserirte in sein Blatt, das jeder las," die besten
Federn streiten sich um die Ehre der Mitarbeiterschaft, und das Blatt gewinnt
grenzenlosen Einfluß:


Käuflich immer fand er alle,
Weil er käuflich war für alle.

Reich geworden, verkauft er das Blatt an eine Aktiengesellschaft und gründet
selbst eine solche; er wird


Gründer eines Unternehmens,
Welches großen Aussuhrhandel
Trieb mit frischen Regenwürmern
Nach dem steinigen Arabien.

Das Gold fließt ihm in Strömen zu: Private, Stadt und Staat vertrauen
ihm ihre Gelder an. Man huldigt ihm wie einem Monarchen, zu seinem Ge¬
burtstage laufen Glückwünsche von Souveränen ein. Sein Heim ist mit fabel¬
haftem Luxus (echt Hamcrlingsche Phcmtcistik) eingerichtet. Doch in all dem
Glücke vermag er leine Zufriedenheit zu finden. Er langweilt sich fürchterlich.
Selbst sein herbeigeeilter Schöpfer kann ihn nicht kuriren. Munkel zieht viel¬
mehr infolge der neuen Kur seines Erzeugers noch größere Mengen Goldes an
sich; die Menschen feiern ihn wie das goldne Kalb der Bibel. Da wird er
wahnwitzig, der gewaltige Börsenkrach ernüchtert ihn, er entflieht auf einen
Rheindampfer. Hier erlebt er das kostbarste Abenteuer. In einem Anfall von
Lebensüberdruß stürzt er sich in den Strom, da wirft sich ihm eine bis
dahin unbekannte Schöne nach und fischt ihn gewandt aus den verderblichen
Fluten. Diese mit dem feuchten Elemente so wohlvertraute Schöne ist die Nixe
Lurlci, das weibliche Gegenstück zum Homunculus.


Längst nicht mehr ans jenem Steine
singt sie nachts im Mondenscheine!

Hamcrlings Homnnc-ulus.
Baucrnsäiigcr, Wunderdoktor,
Kriegsschauplatz-Berichterstatter,
Vvrtragsbummler, Taschenspieler,
„Medium," Gedankenleser,
Reisemarschall einer Sttugrin,
Sozi^list, Carlist in Spanien,
Renegat und Rvßschwcifpascha,
Jesuit, Schcmbudenhaltcr,
Hungerkünstler, Fcuerfresser,
Sekretär entthronter Fürsten,
Schornsteinfeger in der Hölle,
Kolporteur, barmherz'gar Bruder,
Reußscher Konsul in Tumbuktu,
Zirkusreiter, Clown, geheimer
Sendling, Makler, Geldverleiher,
Kommissar verschiedner Mächte
In den Donaufürstcntümcm,
Handlungsreisender, Schauspieler,
Unterschriften-, Wurzel-, Kräuter-,
Lumpen-, Abonnentensammler.

Nach allen Verwandlungen kommt Munkel — vermutlich — auch noch ins
Gefängnis, und plötzlich taucht er wieder, wie das Licht aus dem Dunkel des
Tunnels, auf, um ein „Blatt für alles und für alle" zu gründen, ein Jnseraten-
blcitt, das kostenfrei aller Welt ins Haus geschickt wird und ihn gleichwohl zum
reichen Manne macht. „Jeder inserirte in sein Blatt, das jeder las," die besten
Federn streiten sich um die Ehre der Mitarbeiterschaft, und das Blatt gewinnt
grenzenlosen Einfluß:


Käuflich immer fand er alle,
Weil er käuflich war für alle.

Reich geworden, verkauft er das Blatt an eine Aktiengesellschaft und gründet
selbst eine solche; er wird


Gründer eines Unternehmens,
Welches großen Aussuhrhandel
Trieb mit frischen Regenwürmern
Nach dem steinigen Arabien.

Das Gold fließt ihm in Strömen zu: Private, Stadt und Staat vertrauen
ihm ihre Gelder an. Man huldigt ihm wie einem Monarchen, zu seinem Ge¬
burtstage laufen Glückwünsche von Souveränen ein. Sein Heim ist mit fabel¬
haftem Luxus (echt Hamcrlingsche Phcmtcistik) eingerichtet. Doch in all dem
Glücke vermag er leine Zufriedenheit zu finden. Er langweilt sich fürchterlich.
Selbst sein herbeigeeilter Schöpfer kann ihn nicht kuriren. Munkel zieht viel¬
mehr infolge der neuen Kur seines Erzeugers noch größere Mengen Goldes an
sich; die Menschen feiern ihn wie das goldne Kalb der Bibel. Da wird er
wahnwitzig, der gewaltige Börsenkrach ernüchtert ihn, er entflieht auf einen
Rheindampfer. Hier erlebt er das kostbarste Abenteuer. In einem Anfall von
Lebensüberdruß stürzt er sich in den Strom, da wirft sich ihm eine bis
dahin unbekannte Schöne nach und fischt ihn gewandt aus den verderblichen
Fluten. Diese mit dem feuchten Elemente so wohlvertraute Schöne ist die Nixe
Lurlci, das weibliche Gegenstück zum Homunculus.


Längst nicht mehr ans jenem Steine
singt sie nachts im Mondenscheine!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/39>, abgerufen am 01.09.2024.