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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.

1754 gebrachte Anzeige: "Es stehet das von des Herrn Reichs-, Stadt- und
Gerichts-Schultheiß Tcxtvrs Excellenz bis dahero bewohnte Haus fdie Be¬
zeichnung als Eigentümer ist vermieden! auf der Friedbergergaß gegen dem
"fröhlichen Mann" über kommenden 15. April einer sonneten Haushaltung zu
verkehren. Die vonclitionss sind bei hvchgedachtem Herrn Reichs-, Stadt- und
Gerichts-Schultheißen zu vernehmen." Bemerkenswert ist, daß dabei des großen
Gartens nicht gedacht ist, den er sich wohl vorbehielt. Was den Entschluß
der so bald in Aussicht genommenen Wohnungsveränderung veranlaßt hat, ahnen
wir nicht; er blieb aber ohne Folgen.

Ein sehr willkommener Bewerber um die Hand der dritten, nach Goethes Ur¬
teil ruhigen, nach dem Berichte von Senckenberg dagegen feurigen, herrschsüchtigen
Tochter fand sich bald in dem Sohne des ehrwürdigen und gelehrten, auch als
Redner beliebten Predigers und Konsistorialratcs Johann Friedrich starck, des
Verfassers des berühmten Hand- und Erbauungsbuches. Senckenberg, der doch
selbst eiuen sehr schönen Zug von der Freigebigkeit des Konsistorialratcs be¬
richtet, wirft es diesem und Textor vor, daß sie die Ernennung des jungen
Kandidaten zum Stadtpfarrer betrieben, ohne daß dieser dem Herkommen gemäß
vorher Dorfpfarrer gewesen war. Die Sache ist die, daß der am 30. Juni
1730 geborene Kandidat und Magister der Philosophie Johann Jakob starck
neben der Dorfpfarre zu Gutenleuteu (Gutleutenhof) auch als dritter Prediger
nach Sachsenhauser berufen wurde, wodurch er Mitglied des städtischen Priester¬
konsistoriums wurde. Die Anstellung wurde vom Konsistorium verfügt, welches
eine solche Auszeichnung mit Freude seinem ehrwürdigen, dem Tode nahen
Rate erteilte, der einen würdigen Nachfolger in seinem Sohne hinterlassen werde.
So schloß denn auch die Grabschrift des bald darauf gestorbenen starck mit
der Bemerkung, er lebe auf Erden nun fort "in Schrift und Ruhm, und seinem
teuern Sohn." Daß Textor hierbei seine Hand im Spiele gehabt habe, ist
nicht nachweisbar; Senckenbergs gehässige Feindseligkeit gegen ihn nahm dies
ohne weiteres an. Die Verlobung Starcks mit Anna Maria Textor erfolgte
wohl schon im Frühjahr 1756, aber die Trauung wurde durch den Tod des
alten starck (er wurde am 1ö. Juli beerdigt) mehrere Monate verschoben; sie
erfolgte erst am 2. November; vorher hatte das Brautpaar bei einer zweiten
Tochter Melbers, die von ihm die Namen Johanna Maria Jacvbea erhielt,
Patenstelle vertreten. Bereits im Juli 1757 wurde die Frau Stadtschultheiß
bei einer Tochter Starcks Pate; diese erhielt von ihr und dem verstorbenen
Vater Starcks die Namen Anna Friderica Margaretha. Schon im folgenden
Monate starb das Kind, dagegen blieb eine zweite, 1758 geborene Tochter
Margaretha Katharina Rosina am Leben. Gleichzeitig wurde Mekher ein dritter
Sohn, Friedrich Christian, geboren, der schon nach drei Jahren verschied. starck
erhielt den Ruf als Sonntagsprediger an Se. Katharinen.

(Fortsetzung folgt.)




Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.

1754 gebrachte Anzeige: „Es stehet das von des Herrn Reichs-, Stadt- und
Gerichts-Schultheiß Tcxtvrs Excellenz bis dahero bewohnte Haus fdie Be¬
zeichnung als Eigentümer ist vermieden! auf der Friedbergergaß gegen dem
»fröhlichen Mann« über kommenden 15. April einer sonneten Haushaltung zu
verkehren. Die vonclitionss sind bei hvchgedachtem Herrn Reichs-, Stadt- und
Gerichts-Schultheißen zu vernehmen." Bemerkenswert ist, daß dabei des großen
Gartens nicht gedacht ist, den er sich wohl vorbehielt. Was den Entschluß
der so bald in Aussicht genommenen Wohnungsveränderung veranlaßt hat, ahnen
wir nicht; er blieb aber ohne Folgen.

Ein sehr willkommener Bewerber um die Hand der dritten, nach Goethes Ur¬
teil ruhigen, nach dem Berichte von Senckenberg dagegen feurigen, herrschsüchtigen
Tochter fand sich bald in dem Sohne des ehrwürdigen und gelehrten, auch als
Redner beliebten Predigers und Konsistorialratcs Johann Friedrich starck, des
Verfassers des berühmten Hand- und Erbauungsbuches. Senckenberg, der doch
selbst eiuen sehr schönen Zug von der Freigebigkeit des Konsistorialratcs be¬
richtet, wirft es diesem und Textor vor, daß sie die Ernennung des jungen
Kandidaten zum Stadtpfarrer betrieben, ohne daß dieser dem Herkommen gemäß
vorher Dorfpfarrer gewesen war. Die Sache ist die, daß der am 30. Juni
1730 geborene Kandidat und Magister der Philosophie Johann Jakob starck
neben der Dorfpfarre zu Gutenleuteu (Gutleutenhof) auch als dritter Prediger
nach Sachsenhauser berufen wurde, wodurch er Mitglied des städtischen Priester¬
konsistoriums wurde. Die Anstellung wurde vom Konsistorium verfügt, welches
eine solche Auszeichnung mit Freude seinem ehrwürdigen, dem Tode nahen
Rate erteilte, der einen würdigen Nachfolger in seinem Sohne hinterlassen werde.
So schloß denn auch die Grabschrift des bald darauf gestorbenen starck mit
der Bemerkung, er lebe auf Erden nun fort „in Schrift und Ruhm, und seinem
teuern Sohn." Daß Textor hierbei seine Hand im Spiele gehabt habe, ist
nicht nachweisbar; Senckenbergs gehässige Feindseligkeit gegen ihn nahm dies
ohne weiteres an. Die Verlobung Starcks mit Anna Maria Textor erfolgte
wohl schon im Frühjahr 1756, aber die Trauung wurde durch den Tod des
alten starck (er wurde am 1ö. Juli beerdigt) mehrere Monate verschoben; sie
erfolgte erst am 2. November; vorher hatte das Brautpaar bei einer zweiten
Tochter Melbers, die von ihm die Namen Johanna Maria Jacvbea erhielt,
Patenstelle vertreten. Bereits im Juli 1757 wurde die Frau Stadtschultheiß
bei einer Tochter Starcks Pate; diese erhielt von ihr und dem verstorbenen
Vater Starcks die Namen Anna Friderica Margaretha. Schon im folgenden
Monate starb das Kind, dagegen blieb eine zweite, 1758 geborene Tochter
Margaretha Katharina Rosina am Leben. Gleichzeitig wurde Mekher ein dritter
Sohn, Friedrich Christian, geboren, der schon nach drei Jahren verschied. starck
erhielt den Ruf als Sonntagsprediger an Se. Katharinen.

(Fortsetzung folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/276>, abgerufen am 28.07.2024.