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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

glauben, es ist der mächtige, alttestamentliche Gott, der Adam und Eva so herz¬
lich geliebt hat, dem gegenüber das ganze Menschengeschlecht, Könige, Pro¬
pheten, Pharaonen, nichts sind als artige oder unartige Kinder, dieser gewaltige,
väterliche Gott, der mit dem Zorne eines Riesen zürnt, und der gütig ist mit
der ganzen Gutmütigkeit eines solchen, der kaum das Leben erschaffen hat
und auch schon den Tod darauf entfesselt, der seine Erde mit den Wassern
seines Himmels ersäuft, der Gesetze herniederdonnert, die viel zu schwer sind für
das Geschlecht, das er erschaffen hat, und der dann zu Kaiser Augustus Zeit Mit¬
leid mit den Menschen empfindet und seinen Sohn in den Tod giebt, damit das
Gesetz gebrochen werden kann, indem es gehalten wird. Dieser Gott, der stets
ein Wunder bereit hat, ist der Gott, zu dem die Kinder reden, wenn sie beten.
Dann kommt wohl einmal ein Tag, wo sie verstehen, daß sie in dem Erdbeben,
das Golgatha erschütterte und die Gräber sprengte, zum letzten male seine
Stimme gehört haben, und daß jetzt, nachdem der Vorhang seines Allerheiligsten
zerrissen ist, das Jesuskind regiert, und von dem Tage an beten sie anders.

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Rechtsunsicherheit in Brasilien.

Schon wiederholt ist von den ver¬
schiedensten Seiten auf die Unsicherheit der Rechtsverhältnisse in Brasilien auf¬
merksam gemacht worden: wie wenig geschützt das Eigentum und selbst die Person
der Bewohner des Landes, namentlich der Fremden, sei und wie man deshalb einer
Auswanderung Deutscher dorthin, wenn überhaupt, so doch nur in sehr in be¬
schränktem Maße das Wort reden dürfe. Alle Kenner Brasiliens wissen, daß die
Rechtsverhältnisse thatsächlich sehr viel zu wünschen übrig lassen, daß sie die größte
Schattenseite des Landes sind. Wenn die Freunde der deutschen Kolonisation im
allgemeinen derartige Dinge nicht gern an die große Glocke gehängt haben, so ist
das nicht etwa geschehen, um nur die guten Seiten Brasiliens hervorzuheben,
sondern lediglich um gegen das Land in Deutschland nicht noch mehr Mißtrauen
zu erwecken. Es ist aber jetzt an der Zeit, rücksichtslos die Mißverhältnisse auf
diesem Gebiete an der Hand der einzelnen Fälle in Deutschland zur allgemeinen
Kenntnis zu bringen.

Unter dem seit 1385 herrschenden Regime ist die Rechtsunsicherheit geradezu
grenzenlos geworden, und es hat den Anschein, als wenn sich die Uebergriffe der
Behörden mit ganz besondrer Vorliebe gegen die Deutschen richteten. In der
Provinz Rio Grande do Sui, auf die wir uns im nachstehenden beschränken, sind
Verfolgungen und Mißhandlungen Deutscher an der Tagesordnung, wie die nach¬
folgende kleine Blumenlese allein aus deu letzten Jahren zeigen wird. Diese skandalösen
Zustände sind in der That lediglich der jetzt herrschenden (konservativen) Partei zu¬
zuschreiben, die einen ganz besondern Widerwillen gegen das deutsche Element hat.
In der ganzen Zeit von 1879 bis 1885 ist nach dem Zeugnis des Herrn Karl von


Kleinere Mitteilungen.

glauben, es ist der mächtige, alttestamentliche Gott, der Adam und Eva so herz¬
lich geliebt hat, dem gegenüber das ganze Menschengeschlecht, Könige, Pro¬
pheten, Pharaonen, nichts sind als artige oder unartige Kinder, dieser gewaltige,
väterliche Gott, der mit dem Zorne eines Riesen zürnt, und der gütig ist mit
der ganzen Gutmütigkeit eines solchen, der kaum das Leben erschaffen hat
und auch schon den Tod darauf entfesselt, der seine Erde mit den Wassern
seines Himmels ersäuft, der Gesetze herniederdonnert, die viel zu schwer sind für
das Geschlecht, das er erschaffen hat, und der dann zu Kaiser Augustus Zeit Mit¬
leid mit den Menschen empfindet und seinen Sohn in den Tod giebt, damit das
Gesetz gebrochen werden kann, indem es gehalten wird. Dieser Gott, der stets
ein Wunder bereit hat, ist der Gott, zu dem die Kinder reden, wenn sie beten.
Dann kommt wohl einmal ein Tag, wo sie verstehen, daß sie in dem Erdbeben,
das Golgatha erschütterte und die Gräber sprengte, zum letzten male seine
Stimme gehört haben, und daß jetzt, nachdem der Vorhang seines Allerheiligsten
zerrissen ist, das Jesuskind regiert, und von dem Tage an beten sie anders.

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Rechtsunsicherheit in Brasilien.

Schon wiederholt ist von den ver¬
schiedensten Seiten auf die Unsicherheit der Rechtsverhältnisse in Brasilien auf¬
merksam gemacht worden: wie wenig geschützt das Eigentum und selbst die Person
der Bewohner des Landes, namentlich der Fremden, sei und wie man deshalb einer
Auswanderung Deutscher dorthin, wenn überhaupt, so doch nur in sehr in be¬
schränktem Maße das Wort reden dürfe. Alle Kenner Brasiliens wissen, daß die
Rechtsverhältnisse thatsächlich sehr viel zu wünschen übrig lassen, daß sie die größte
Schattenseite des Landes sind. Wenn die Freunde der deutschen Kolonisation im
allgemeinen derartige Dinge nicht gern an die große Glocke gehängt haben, so ist
das nicht etwa geschehen, um nur die guten Seiten Brasiliens hervorzuheben,
sondern lediglich um gegen das Land in Deutschland nicht noch mehr Mißtrauen
zu erwecken. Es ist aber jetzt an der Zeit, rücksichtslos die Mißverhältnisse auf
diesem Gebiete an der Hand der einzelnen Fälle in Deutschland zur allgemeinen
Kenntnis zu bringen.

Unter dem seit 1385 herrschenden Regime ist die Rechtsunsicherheit geradezu
grenzenlos geworden, und es hat den Anschein, als wenn sich die Uebergriffe der
Behörden mit ganz besondrer Vorliebe gegen die Deutschen richteten. In der
Provinz Rio Grande do Sui, auf die wir uns im nachstehenden beschränken, sind
Verfolgungen und Mißhandlungen Deutscher an der Tagesordnung, wie die nach¬
folgende kleine Blumenlese allein aus deu letzten Jahren zeigen wird. Diese skandalösen
Zustände sind in der That lediglich der jetzt herrschenden (konservativen) Partei zu¬
zuschreiben, die einen ganz besondern Widerwillen gegen das deutsche Element hat.
In der ganzen Zeit von 1879 bis 1885 ist nach dem Zeugnis des Herrn Karl von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/250>, abgerufen am 01.09.2024.