Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stcimmbanm,

Stammbäume der andern Kinder des Schultheißen Textor verkommen, sodaß
ich über deren Nachkommen nichts zu berichten vermöchte, wenn mir nicht das
Glück zu teil geworden wäre, daß der jetzige Frankfurter Stadtarchivar Herr
Dr. R. Jung sehr mühevolle und zeitraubende Nachforschungen über diese für
mich anzustellen mit außerordentlicher Bereitwilligkeit unternahm. Auch in
mancher andern Beziehung hatte ich mich seiner erfolgreichen Auskunft, jn
einer freundlichen Durchsicht meiner Arbeit zu erfreuen. Außer ihm spreche ich
auch allen andern, die mich freundlichst unterstützt haben, besonders den Herren
C. W. Textor und Dr. W. Stricker, meinen Dank aus.

Der Stammbaum führt uns nach dem weingesegneten, reizend gelegenen
Städtchen Weikersheim am Einfluß des Vorbachs in die Tauber in der Graf¬
schaft Hohenlohe-Nenenstein-Oehringen. Dort lebte in der zweiten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts ein Georg Weber, der bereits, wenn die Überlieferung
richtig ist, nach der von Goethes Liebetraut verspotteten Unart der Zeit, sich
ins Lateinische übersetzt hatte. Hiernach dürfte er ein Gelehrter der Zeit ge¬
wesen sein und in den Diensten des Grafen Georg von Hohenlohe-Weikersheim
gestanden haben, dessen Vater gleichfalls den Namen Georg führte. Nach dem
1581 erfolgten Tode jenes kinderlos verstorbenen Grafen fiel Weikersheim an
dessen ältern Bruder Ludwig Kasimir, der die Neuensteinische Linie stiftete.
Diese war lutherisch, dagegen die Waldenburgische seines Bruders Eberhard
katholisch. Ein Sohn des Georg Textor, Namens Wolfgang, starb am 14. Januar
1650 zu Neuenstein als Kanzleidirektor, des Grafen Hohenlohe-Langenburg
Gleichen-Ncuensteinischer Linie, welches Amt er dreißig Jahre bekleidet hatte.
Seine erste Ehe mit Elisabeth Margaretha Breuning, der Tochter des Burg¬
grafen von Neuenstein, blieb kinderlos; aus der zweiten, die er in spätern
Jahren mit Magdalena Praxedis Enslin schloß, der Tochter des Hohenlvhe-
Neuensteinischen Rats und Kanzlcisekretärs, gingen drei Kinder hervor, Sophie
Praxedis, die einen Hohenlohe-Neuensteinischen Rat Johann David Schegk
heiratete, Johann Wolfgang und der im Stammbaum übergangene Johann
Siegfried. Der am 20. Januar 1638 geborne Johann Wolfgang verlor den
Vater schon vor Vollendung seines zwölften Lebensjahres. Als er 1653 in
seinem sechzehnten Jahre die Hochschule bezog, wählte er nicht die vor einund¬
zwanzig Jahren von Nürnberg gegründete im nahen Altorf, sondern zog nach
dem altberühmten Jena. Zwei Jahre später wandte er sich nach Straßbnrg,
dessen Hochschule freilich nur ein Jahr älter war als die von Altorf, aber be¬
deutender" Rufes genoß. 1658 trat er als Praktikant beim Reichskammergericht
zu Speier ein. Dort erhielt er in seinem fünfundzwanzigsten Jahre einen Ruf
als gräflich Hohenlvhischer Rat und Kanzleidirektor. Aber seine Absicht war
ans eine akademische Stellung gerichtet. Jn Straßburg erwarb er sich am
9. April 1663 nach Verteidigung einer Abhandlung: of ismsäüs iutvsrsu"
"Kutknti^in omnpstsntidu" die juristische Doktorwürde. Einige Wochen später,


Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stcimmbanm,

Stammbäume der andern Kinder des Schultheißen Textor verkommen, sodaß
ich über deren Nachkommen nichts zu berichten vermöchte, wenn mir nicht das
Glück zu teil geworden wäre, daß der jetzige Frankfurter Stadtarchivar Herr
Dr. R. Jung sehr mühevolle und zeitraubende Nachforschungen über diese für
mich anzustellen mit außerordentlicher Bereitwilligkeit unternahm. Auch in
mancher andern Beziehung hatte ich mich seiner erfolgreichen Auskunft, jn
einer freundlichen Durchsicht meiner Arbeit zu erfreuen. Außer ihm spreche ich
auch allen andern, die mich freundlichst unterstützt haben, besonders den Herren
C. W. Textor und Dr. W. Stricker, meinen Dank aus.

Der Stammbaum führt uns nach dem weingesegneten, reizend gelegenen
Städtchen Weikersheim am Einfluß des Vorbachs in die Tauber in der Graf¬
schaft Hohenlohe-Nenenstein-Oehringen. Dort lebte in der zweiten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts ein Georg Weber, der bereits, wenn die Überlieferung
richtig ist, nach der von Goethes Liebetraut verspotteten Unart der Zeit, sich
ins Lateinische übersetzt hatte. Hiernach dürfte er ein Gelehrter der Zeit ge¬
wesen sein und in den Diensten des Grafen Georg von Hohenlohe-Weikersheim
gestanden haben, dessen Vater gleichfalls den Namen Georg führte. Nach dem
1581 erfolgten Tode jenes kinderlos verstorbenen Grafen fiel Weikersheim an
dessen ältern Bruder Ludwig Kasimir, der die Neuensteinische Linie stiftete.
Diese war lutherisch, dagegen die Waldenburgische seines Bruders Eberhard
katholisch. Ein Sohn des Georg Textor, Namens Wolfgang, starb am 14. Januar
1650 zu Neuenstein als Kanzleidirektor, des Grafen Hohenlohe-Langenburg
Gleichen-Ncuensteinischer Linie, welches Amt er dreißig Jahre bekleidet hatte.
Seine erste Ehe mit Elisabeth Margaretha Breuning, der Tochter des Burg¬
grafen von Neuenstein, blieb kinderlos; aus der zweiten, die er in spätern
Jahren mit Magdalena Praxedis Enslin schloß, der Tochter des Hohenlvhe-
Neuensteinischen Rats und Kanzlcisekretärs, gingen drei Kinder hervor, Sophie
Praxedis, die einen Hohenlohe-Neuensteinischen Rat Johann David Schegk
heiratete, Johann Wolfgang und der im Stammbaum übergangene Johann
Siegfried. Der am 20. Januar 1638 geborne Johann Wolfgang verlor den
Vater schon vor Vollendung seines zwölften Lebensjahres. Als er 1653 in
seinem sechzehnten Jahre die Hochschule bezog, wählte er nicht die vor einund¬
zwanzig Jahren von Nürnberg gegründete im nahen Altorf, sondern zog nach
dem altberühmten Jena. Zwei Jahre später wandte er sich nach Straßbnrg,
dessen Hochschule freilich nur ein Jahr älter war als die von Altorf, aber be¬
deutender« Rufes genoß. 1658 trat er als Praktikant beim Reichskammergericht
zu Speier ein. Dort erhielt er in seinem fünfundzwanzigsten Jahre einen Ruf
als gräflich Hohenlvhischer Rat und Kanzleidirektor. Aber seine Absicht war
ans eine akademische Stellung gerichtet. Jn Straßburg erwarb er sich am
9. April 1663 nach Verteidigung einer Abhandlung: of ismsäüs iutvsrsu«
«Kutknti^in omnpstsntidu« die juristische Doktorwürde. Einige Wochen später,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203003"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stcimmbanm,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> Stammbäume der andern Kinder des Schultheißen Textor verkommen, sodaß<lb/>
ich über deren Nachkommen nichts zu berichten vermöchte, wenn mir nicht das<lb/>
Glück zu teil geworden wäre, daß der jetzige Frankfurter Stadtarchivar Herr<lb/>
Dr. R. Jung sehr mühevolle und zeitraubende Nachforschungen über diese für<lb/>
mich anzustellen mit außerordentlicher Bereitwilligkeit unternahm. Auch in<lb/>
mancher andern Beziehung hatte ich mich seiner erfolgreichen Auskunft, jn<lb/>
einer freundlichen Durchsicht meiner Arbeit zu erfreuen. Außer ihm spreche ich<lb/>
auch allen andern, die mich freundlichst unterstützt haben, besonders den Herren<lb/>
C. W. Textor und Dr. W. Stricker, meinen Dank aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Der Stammbaum führt uns nach dem weingesegneten, reizend gelegenen<lb/>
Städtchen Weikersheim am Einfluß des Vorbachs in die Tauber in der Graf¬<lb/>
schaft Hohenlohe-Nenenstein-Oehringen. Dort lebte in der zweiten Hälfte des<lb/>
sechzehnten Jahrhunderts ein Georg Weber, der bereits, wenn die Überlieferung<lb/>
richtig ist, nach der von Goethes Liebetraut verspotteten Unart der Zeit, sich<lb/>
ins Lateinische übersetzt hatte. Hiernach dürfte er ein Gelehrter der Zeit ge¬<lb/>
wesen sein und in den Diensten des Grafen Georg von Hohenlohe-Weikersheim<lb/>
gestanden haben, dessen Vater gleichfalls den Namen Georg führte. Nach dem<lb/>
1581 erfolgten Tode jenes kinderlos verstorbenen Grafen fiel Weikersheim an<lb/>
dessen ältern Bruder Ludwig Kasimir, der die Neuensteinische Linie stiftete.<lb/>
Diese war lutherisch, dagegen die Waldenburgische seines Bruders Eberhard<lb/>
katholisch. Ein Sohn des Georg Textor, Namens Wolfgang, starb am 14. Januar<lb/>
1650 zu Neuenstein als Kanzleidirektor, des Grafen Hohenlohe-Langenburg<lb/>
Gleichen-Ncuensteinischer Linie, welches Amt er dreißig Jahre bekleidet hatte.<lb/>
Seine erste Ehe mit Elisabeth Margaretha Breuning, der Tochter des Burg¬<lb/>
grafen von Neuenstein, blieb kinderlos; aus der zweiten, die er in spätern<lb/>
Jahren mit Magdalena Praxedis Enslin schloß, der Tochter des Hohenlvhe-<lb/>
Neuensteinischen Rats und Kanzlcisekretärs, gingen drei Kinder hervor, Sophie<lb/>
Praxedis, die einen Hohenlohe-Neuensteinischen Rat Johann David Schegk<lb/>
heiratete, Johann Wolfgang und der im Stammbaum übergangene Johann<lb/>
Siegfried. Der am 20. Januar 1638 geborne Johann Wolfgang verlor den<lb/>
Vater schon vor Vollendung seines zwölften Lebensjahres. Als er 1653 in<lb/>
seinem sechzehnten Jahre die Hochschule bezog, wählte er nicht die vor einund¬<lb/>
zwanzig Jahren von Nürnberg gegründete im nahen Altorf, sondern zog nach<lb/>
dem altberühmten Jena. Zwei Jahre später wandte er sich nach Straßbnrg,<lb/>
dessen Hochschule freilich nur ein Jahr älter war als die von Altorf, aber be¬<lb/>
deutender« Rufes genoß. 1658 trat er als Praktikant beim Reichskammergericht<lb/>
zu Speier ein. Dort erhielt er in seinem fünfundzwanzigsten Jahre einen Ruf<lb/>
als gräflich Hohenlvhischer Rat und Kanzleidirektor. Aber seine Absicht war<lb/>
ans eine akademische Stellung gerichtet. Jn Straßburg erwarb er sich am<lb/>
9. April 1663 nach Verteidigung einer Abhandlung: of ismsäüs iutvsrsu«<lb/>
«Kutknti^in omnpstsntidu« die juristische Doktorwürde. Einige Wochen später,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stcimmbanm, Stammbäume der andern Kinder des Schultheißen Textor verkommen, sodaß ich über deren Nachkommen nichts zu berichten vermöchte, wenn mir nicht das Glück zu teil geworden wäre, daß der jetzige Frankfurter Stadtarchivar Herr Dr. R. Jung sehr mühevolle und zeitraubende Nachforschungen über diese für mich anzustellen mit außerordentlicher Bereitwilligkeit unternahm. Auch in mancher andern Beziehung hatte ich mich seiner erfolgreichen Auskunft, jn einer freundlichen Durchsicht meiner Arbeit zu erfreuen. Außer ihm spreche ich auch allen andern, die mich freundlichst unterstützt haben, besonders den Herren C. W. Textor und Dr. W. Stricker, meinen Dank aus. Der Stammbaum führt uns nach dem weingesegneten, reizend gelegenen Städtchen Weikersheim am Einfluß des Vorbachs in die Tauber in der Graf¬ schaft Hohenlohe-Nenenstein-Oehringen. Dort lebte in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts ein Georg Weber, der bereits, wenn die Überlieferung richtig ist, nach der von Goethes Liebetraut verspotteten Unart der Zeit, sich ins Lateinische übersetzt hatte. Hiernach dürfte er ein Gelehrter der Zeit ge¬ wesen sein und in den Diensten des Grafen Georg von Hohenlohe-Weikersheim gestanden haben, dessen Vater gleichfalls den Namen Georg führte. Nach dem 1581 erfolgten Tode jenes kinderlos verstorbenen Grafen fiel Weikersheim an dessen ältern Bruder Ludwig Kasimir, der die Neuensteinische Linie stiftete. Diese war lutherisch, dagegen die Waldenburgische seines Bruders Eberhard katholisch. Ein Sohn des Georg Textor, Namens Wolfgang, starb am 14. Januar 1650 zu Neuenstein als Kanzleidirektor, des Grafen Hohenlohe-Langenburg Gleichen-Ncuensteinischer Linie, welches Amt er dreißig Jahre bekleidet hatte. Seine erste Ehe mit Elisabeth Margaretha Breuning, der Tochter des Burg¬ grafen von Neuenstein, blieb kinderlos; aus der zweiten, die er in spätern Jahren mit Magdalena Praxedis Enslin schloß, der Tochter des Hohenlvhe- Neuensteinischen Rats und Kanzlcisekretärs, gingen drei Kinder hervor, Sophie Praxedis, die einen Hohenlohe-Neuensteinischen Rat Johann David Schegk heiratete, Johann Wolfgang und der im Stammbaum übergangene Johann Siegfried. Der am 20. Januar 1638 geborne Johann Wolfgang verlor den Vater schon vor Vollendung seines zwölften Lebensjahres. Als er 1653 in seinem sechzehnten Jahre die Hochschule bezog, wählte er nicht die vor einund¬ zwanzig Jahren von Nürnberg gegründete im nahen Altorf, sondern zog nach dem altberühmten Jena. Zwei Jahre später wandte er sich nach Straßbnrg, dessen Hochschule freilich nur ein Jahr älter war als die von Altorf, aber be¬ deutender« Rufes genoß. 1658 trat er als Praktikant beim Reichskammergericht zu Speier ein. Dort erhielt er in seinem fünfundzwanzigsten Jahre einen Ruf als gräflich Hohenlvhischer Rat und Kanzleidirektor. Aber seine Absicht war ans eine akademische Stellung gerichtet. Jn Straßburg erwarb er sich am 9. April 1663 nach Verteidigung einer Abhandlung: of ismsäüs iutvsrsu« «Kutknti^in omnpstsntidu« die juristische Doktorwürde. Einige Wochen später,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/226>, abgerufen am 01.09.2024.