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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

Das deutsche Heer in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung -- Moltke
nennt es "die vornehmste Einrichtung des Reiches" -- hat seine eignen Ge¬
setze, welche seinen Bestand sichern, und muß diese haben. Die Heeresleitung
muß die weitgehendsten Befugnisse haben, um dafür einstehen zu können, daß
das Heer, der lo<zu<zr as dron2L, auf welchem der deutsche Einheitsstaat ruht,
M der Zusammensetzung seines Offizierkorps nur Elemente berge, welche nach
Einsicht, Kraft und° sittlichen Eigenschaften dieser schweren Aufgabe entsprechen.
Wenn das deutsche Heer der Aufgabe gewachsen sein soll, den Bestand des
Reiches gegen zwei Feinde zugleich zu schützen, so muß das Offizierkorps auf
derjenigen Höhe erhalten werden, welche allein es befähigt, die Seele eines aus
allen Elementen der Nation zusammengesetzten Heeres zu sein. Um dies zu
erreichen, muß aber die Befugnis bestehen, anstandslos aus diesem Offizierkorps
nicht nur diejenigen Elemente auszuscheiden, welche in Bezug auf körperliche
Rüstigkeit den Anstrengungen eines Krieges nicht gewachsen sein würden, sondern
auch diejenigen, welche nach irgend einer Richtung nicht in der Lage wären,
ihre Stellung gegenüber den ihnen untergegebenen, zum Teil doch den ersten und
gebildetsten Gesellschaftskreisen entnommenen Elementen zu wahren. Bei dem
verhältnismäßig langen Wege, den die Ausscheidung eines Offiziers bis zu ihrer
Bestätigung durch den Kontiugentsherrn zu durchlaufen hat, bei den durch das
Urteil der Kameraden innerhalb eines Armeekorps im allgemeinen feststehenden
Qualifikationen eines Offiziers wird die Entfernung eines solchen aus dem
aktiven Dienste in der Regel durch die bestehenden hohen Anforderungen voll¬
ständig gerechtfertigt erscheinen, wenn auch natürlich in den meisten Fällen diese
Ausscheidung von dem Betreffenden und seinen Angehörigen schmerzlich empfunden
werden mag.

Härten oder Ungerechtigkeiten sind in keiner großen Einrichtung ganz zu
Vermeiden, sie mögen teils in Übergangsverhältnissen, teils in andern einzelnen
Fällen vorkommen, indes bleibt es ja den höhern Behörden überlassen, später
nach Möglichkeit hier auszugleichen, indem sie z. B. an Stabsoffiziere, welche
sich dazu eignen, ein Bezirkskommando verleihen oder sie auch innerhalb des
Etats als Garnison-Lazaretinsvektoren n. s. w. verwenden. Eine derartige Aus¬
gleichung geschieht auch nachweisbar verhältnismäßig häufig, wie denn auch in
den meisten Fällen, d. h. wo nicht besondre Gründe vorliegen, es zu unter¬
lassen, die vorzeitige Verabschiedung eines Offiziers von vorwurfsfreier Dienstzeit
mit Charaktererhöhung geschieht.

Freilich eine auffüllige Erscheinung bleibt diese nur dem Offizierstande
eigne, nur in,, dessen Verhältnissen begründete und durch dessen ganz besondre
Aufgaben gerechtfertigte Maßregel immerhin, man könnte sie eine "pathologische"
Erscheinung nennen, wenn sie nicht zugleich einen "sanitären" Zweck verfolgte.
Zu ändern wird es aber nicht sein, so lange sich die allgemeine Lage nicht ändert.

Da erscheint es denn als eine zeitgemäße Aufgabe der gebildeten deutschen


verabschiedete Offiziere.

Das deutsche Heer in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung — Moltke
nennt es „die vornehmste Einrichtung des Reiches" — hat seine eignen Ge¬
setze, welche seinen Bestand sichern, und muß diese haben. Die Heeresleitung
muß die weitgehendsten Befugnisse haben, um dafür einstehen zu können, daß
das Heer, der lo<zu<zr as dron2L, auf welchem der deutsche Einheitsstaat ruht,
M der Zusammensetzung seines Offizierkorps nur Elemente berge, welche nach
Einsicht, Kraft und° sittlichen Eigenschaften dieser schweren Aufgabe entsprechen.
Wenn das deutsche Heer der Aufgabe gewachsen sein soll, den Bestand des
Reiches gegen zwei Feinde zugleich zu schützen, so muß das Offizierkorps auf
derjenigen Höhe erhalten werden, welche allein es befähigt, die Seele eines aus
allen Elementen der Nation zusammengesetzten Heeres zu sein. Um dies zu
erreichen, muß aber die Befugnis bestehen, anstandslos aus diesem Offizierkorps
nicht nur diejenigen Elemente auszuscheiden, welche in Bezug auf körperliche
Rüstigkeit den Anstrengungen eines Krieges nicht gewachsen sein würden, sondern
auch diejenigen, welche nach irgend einer Richtung nicht in der Lage wären,
ihre Stellung gegenüber den ihnen untergegebenen, zum Teil doch den ersten und
gebildetsten Gesellschaftskreisen entnommenen Elementen zu wahren. Bei dem
verhältnismäßig langen Wege, den die Ausscheidung eines Offiziers bis zu ihrer
Bestätigung durch den Kontiugentsherrn zu durchlaufen hat, bei den durch das
Urteil der Kameraden innerhalb eines Armeekorps im allgemeinen feststehenden
Qualifikationen eines Offiziers wird die Entfernung eines solchen aus dem
aktiven Dienste in der Regel durch die bestehenden hohen Anforderungen voll¬
ständig gerechtfertigt erscheinen, wenn auch natürlich in den meisten Fällen diese
Ausscheidung von dem Betreffenden und seinen Angehörigen schmerzlich empfunden
werden mag.

Härten oder Ungerechtigkeiten sind in keiner großen Einrichtung ganz zu
Vermeiden, sie mögen teils in Übergangsverhältnissen, teils in andern einzelnen
Fällen vorkommen, indes bleibt es ja den höhern Behörden überlassen, später
nach Möglichkeit hier auszugleichen, indem sie z. B. an Stabsoffiziere, welche
sich dazu eignen, ein Bezirkskommando verleihen oder sie auch innerhalb des
Etats als Garnison-Lazaretinsvektoren n. s. w. verwenden. Eine derartige Aus¬
gleichung geschieht auch nachweisbar verhältnismäßig häufig, wie denn auch in
den meisten Fällen, d. h. wo nicht besondre Gründe vorliegen, es zu unter¬
lassen, die vorzeitige Verabschiedung eines Offiziers von vorwurfsfreier Dienstzeit
mit Charaktererhöhung geschieht.

Freilich eine auffüllige Erscheinung bleibt diese nur dem Offizierstande
eigne, nur in,, dessen Verhältnissen begründete und durch dessen ganz besondre
Aufgaben gerechtfertigte Maßregel immerhin, man könnte sie eine „pathologische"
Erscheinung nennen, wenn sie nicht zugleich einen „sanitären" Zweck verfolgte.
Zu ändern wird es aber nicht sein, so lange sich die allgemeine Lage nicht ändert.

Da erscheint es denn als eine zeitgemäße Aufgabe der gebildeten deutschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/19>, abgerufen am 01.09.2024.