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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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I^pes 6s I-r litteratrirs sllem^nac.

Dichter, von Geibel, indem er Worte aus Königs Litteraturgeschichte auf ihn
anwendet, die ich darin nicht gefunden habe, wie Schwachkopf in der Poesie,
Gesangbuchsmelodien, Backfischfutter. Darum sagt er, Geibels schöne Seele habe
sich konstant im Umkreis eines Wachtlokals herumbewegt, wie Tibull in den
Wäldern seine Nymphen suchte, Vergil an den Ufern des Mincio herumirrte,
Dante Beatricen verfolgte. Auf den Gipfelpunkt steigt diese Gemeinheit, wenn
mit dem französisch zu lesenden Titel eines Gcibelschen Liedes Liüvnm lÄo
inixera,lor"zin wortspielend gewitzelt wird: Habe ichs nicht gesagt, ein Faauin,
(Stutzer) muß in dem Ausdruck sein. Ja, wenn Herr Combes so etwas noch
mit eignem Mute wagte! Aber dafür wäre er ja verantwortlich. Was thut
er? Er zitirt ja auch hier nur wieder.

Dies Schutzsuchen hinter fremdem Rücken, dies Versteckspielen ist dem Ver¬
fasser besonders in den spätern Partien seines Buches eigen. Da, wo er von
den schlechten patriotischen Dichtungen der Deutschen handelt, hat er -- es
scheint zum Vorbild -- ein selbstfabrizirtes Gedicht eingefügt. Ich habe schon
schlechtere Gedichte gelesen, aber nicht viele. Er tadelt das laute Nevanche-
schreien, die leichtsinnige Art, vom Kriege zu sprechen, als sei Kämpfen und
Siegen eins. Er sagt seinen Landsleuten Wahrheiten, die er nur einmal auch
auf sich selber anwenden sollte:


?As as br"v"äos! Irop souvont
I^o I'rimyÄs hö morte^ til. tods.
I-v davarÄ hui. sdms 1s vont
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Man meint, er rate zum Frieden. Aber nein, er hat seinen Fichte nicht um¬
sonst gelesen; er weiß, daß es auf etwas andres ankommt:


Lo iairo -- se xiookoi' torno ot ciur,
t?o <zu'on us sait, cjuo I'on "Mi'onus
Nodsstomvni. O'sse ig plus sür.
Rsllöodisssk, wor "ÄMÄllö.

Es fehlt nur noch die ausdrückliche Hinzufügung, die sich aber jeder, der
zwischen den Zeilen zu lesen versteht, leicht ergänzt: Und wenn ihr durch harte
Arbeit hinlänglich vorbereitet seid, dann schlagt los! Was soll ich dem Autor,
der seine Schwächen nicht genug zu verhüllen wußte, auf diese unverhüllte
Kraftentfaltung antworten? Weiter nichts, als die Frage, die ihn hoffentlich
zum Nachdenken veranlaßt: Ja, und wenn es dann zum zweiten male Prügel setzt?

Nun, lieber Leser, kennst du den Mann und wirst dir dein Urteil über
ihn gebildet haben. Doch ob du ihn verdammst oder bemitleidest, ich habe mit
ihm noch einen kleinen Gang zu thun, dergleichen er bei seinen Maulfeld¬
schlachten noch nicht wird gegangen sein; wird ihn auch nach einem zweiten
schwerlich gelüsten.


Grcnzliotm II. 1888. 23
I^pes 6s I-r litteratrirs sllem^nac.

Dichter, von Geibel, indem er Worte aus Königs Litteraturgeschichte auf ihn
anwendet, die ich darin nicht gefunden habe, wie Schwachkopf in der Poesie,
Gesangbuchsmelodien, Backfischfutter. Darum sagt er, Geibels schöne Seele habe
sich konstant im Umkreis eines Wachtlokals herumbewegt, wie Tibull in den
Wäldern seine Nymphen suchte, Vergil an den Ufern des Mincio herumirrte,
Dante Beatricen verfolgte. Auf den Gipfelpunkt steigt diese Gemeinheit, wenn
mit dem französisch zu lesenden Titel eines Gcibelschen Liedes Liüvnm lÄo
inixera,lor«zin wortspielend gewitzelt wird: Habe ichs nicht gesagt, ein Faauin,
(Stutzer) muß in dem Ausdruck sein. Ja, wenn Herr Combes so etwas noch
mit eignem Mute wagte! Aber dafür wäre er ja verantwortlich. Was thut
er? Er zitirt ja auch hier nur wieder.

Dies Schutzsuchen hinter fremdem Rücken, dies Versteckspielen ist dem Ver¬
fasser besonders in den spätern Partien seines Buches eigen. Da, wo er von
den schlechten patriotischen Dichtungen der Deutschen handelt, hat er — es
scheint zum Vorbild — ein selbstfabrizirtes Gedicht eingefügt. Ich habe schon
schlechtere Gedichte gelesen, aber nicht viele. Er tadelt das laute Nevanche-
schreien, die leichtsinnige Art, vom Kriege zu sprechen, als sei Kämpfen und
Siegen eins. Er sagt seinen Landsleuten Wahrheiten, die er nur einmal auch
auf sich selber anwenden sollte:


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I^o I'rimyÄs hö morte^ til. tods.
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Man meint, er rate zum Frieden. Aber nein, er hat seinen Fichte nicht um¬
sonst gelesen; er weiß, daß es auf etwas andres ankommt:


Lo iairo — se xiookoi' torno ot ciur,
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Nodsstomvni. O'sse ig plus sür.
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Es fehlt nur noch die ausdrückliche Hinzufügung, die sich aber jeder, der
zwischen den Zeilen zu lesen versteht, leicht ergänzt: Und wenn ihr durch harte
Arbeit hinlänglich vorbereitet seid, dann schlagt los! Was soll ich dem Autor,
der seine Schwächen nicht genug zu verhüllen wußte, auf diese unverhüllte
Kraftentfaltung antworten? Weiter nichts, als die Frage, die ihn hoffentlich
zum Nachdenken veranlaßt: Ja, und wenn es dann zum zweiten male Prügel setzt?

Nun, lieber Leser, kennst du den Mann und wirst dir dein Urteil über
ihn gebildet haben. Doch ob du ihn verdammst oder bemitleidest, ich habe mit
ihm noch einen kleinen Gang zu thun, dergleichen er bei seinen Maulfeld¬
schlachten noch nicht wird gegangen sein; wird ihn auch nach einem zweiten
schwerlich gelüsten.


Grcnzliotm II. 1888. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/185>, abgerufen am 27.07.2024.