Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
l^pas cle 1^ litter-teure alleman^e.

äußern könne. Praktisch dagegen ist die Bestimmung zu beklagen, zumal da sich
jene Befürchtung doch schwerlich verwirklichen würde und derjenige überhaupt
nicht wert wäre, Richter zu sein, der solchen Einflüssen zugänglich wäre. Die
Bestimmung verhindert, daß der Vorgesetzte von der Fähigkeit der Richter
Kenntnis erhält. Da unsre neue Gerichtsverfassung die Gerichtskollegien zer¬
schlagen und in einzelne Kammern auf gclvsthat, da die Oberlandesgcrichte von der
Thätigkeit der unter" Instanzen in den seltensten Fällen Kunde erhalten, so blieb
einem eifrigen Präsidenten nichts andres übrig, als in die Beratungen der Richter
zu gehen und zu hören, wie sie sich dort zeigen. Diese Quelle ist jetzt nicht
mehr benutzbar, und so wird es dahin kommen, daß die Beförderung der Richter
nicht -- wie es sein soll -- aus sachlichen Gründen und nach Verdienst die
Regel sein wird. Der Vorgesetzte lernt amtlich die ihm untergebenen Richter
mir in seltenen Fällen kennen, seine Vorschläge für Beförderung entbehren der
erforderlichen Grundlage, und so wird über das Wohl und Wehe der einzelnen
Richter ausschließlich im Justizministerium nach dem Wohl- und Übelwollen
des obersten Chefs und nach mancherlei andern Rücksichten entschieden werden.

Das ist ein sehr bedenkliches Anhängsel zu dem Gesetze und bedroht die
Integrität des Richterstandcs, indem es das Strebertum fördert, das lediglich
die Gunst des allmächtigen Ministers zu erHaschen sucht. Wenn trotz dieses
schweren Mangels die kaiserliche Regierung das Gesetz in Gemeinschaft mit dem
Bundesrate angenommen hat, so ergiebt sich hieraus nochmals, für wie not¬
wendig es erachtet wird, die Sicherheit des Reiches aufrecht zu erhalten und
zu schützen. In dieser Beziehung aber hat das Gesetz dasjenige erreicht, was
möglich war, und mit diesem Ergebnis dürfen sich alle diejenigen begnügen,
denen das Wohl des Reiches am Herzen liegt.




^pes cuc 1a, litterature alleman^e.
In vier Briefen.
Dritter Brief,
von allerhand nebenherlaufender Polemik.

ieber Leser! Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die unselige
Krankheit, die unsern Freund betroffen hat, hat ihm nicht nur
seine literarhistorische Thätigkeit in eitel Galle verkehrt; sie hat
ihn auch nnfühig gemacht, rein litterarhistorisch zu denken. Was
er auch sinnt, immer drängen sich gewisse historische und politische
Gedankenreihen heran, die ihn schwer Plagen und nur ungern weichen. BegrüßenSW
^


l^pas cle 1^ litter-teure alleman^e.

äußern könne. Praktisch dagegen ist die Bestimmung zu beklagen, zumal da sich
jene Befürchtung doch schwerlich verwirklichen würde und derjenige überhaupt
nicht wert wäre, Richter zu sein, der solchen Einflüssen zugänglich wäre. Die
Bestimmung verhindert, daß der Vorgesetzte von der Fähigkeit der Richter
Kenntnis erhält. Da unsre neue Gerichtsverfassung die Gerichtskollegien zer¬
schlagen und in einzelne Kammern auf gclvsthat, da die Oberlandesgcrichte von der
Thätigkeit der unter» Instanzen in den seltensten Fällen Kunde erhalten, so blieb
einem eifrigen Präsidenten nichts andres übrig, als in die Beratungen der Richter
zu gehen und zu hören, wie sie sich dort zeigen. Diese Quelle ist jetzt nicht
mehr benutzbar, und so wird es dahin kommen, daß die Beförderung der Richter
nicht — wie es sein soll — aus sachlichen Gründen und nach Verdienst die
Regel sein wird. Der Vorgesetzte lernt amtlich die ihm untergebenen Richter
mir in seltenen Fällen kennen, seine Vorschläge für Beförderung entbehren der
erforderlichen Grundlage, und so wird über das Wohl und Wehe der einzelnen
Richter ausschließlich im Justizministerium nach dem Wohl- und Übelwollen
des obersten Chefs und nach mancherlei andern Rücksichten entschieden werden.

Das ist ein sehr bedenkliches Anhängsel zu dem Gesetze und bedroht die
Integrität des Richterstandcs, indem es das Strebertum fördert, das lediglich
die Gunst des allmächtigen Ministers zu erHaschen sucht. Wenn trotz dieses
schweren Mangels die kaiserliche Regierung das Gesetz in Gemeinschaft mit dem
Bundesrate angenommen hat, so ergiebt sich hieraus nochmals, für wie not¬
wendig es erachtet wird, die Sicherheit des Reiches aufrecht zu erhalten und
zu schützen. In dieser Beziehung aber hat das Gesetz dasjenige erreicht, was
möglich war, und mit diesem Ergebnis dürfen sich alle diejenigen begnügen,
denen das Wohl des Reiches am Herzen liegt.




^pes cuc 1a, litterature alleman^e.
In vier Briefen.
Dritter Brief,
von allerhand nebenherlaufender Polemik.

ieber Leser! Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die unselige
Krankheit, die unsern Freund betroffen hat, hat ihm nicht nur
seine literarhistorische Thätigkeit in eitel Galle verkehrt; sie hat
ihn auch nnfühig gemacht, rein litterarhistorisch zu denken. Was
er auch sinnt, immer drängen sich gewisse historische und politische
Gedankenreihen heran, die ihn schwer Plagen und nur ungern weichen. BegrüßenSW
^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202957"/>
          <fw type="header" place="top"> l^pas cle 1^ litter-teure alleman^e.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_572" prev="#ID_571"> äußern könne. Praktisch dagegen ist die Bestimmung zu beklagen, zumal da sich<lb/>
jene Befürchtung doch schwerlich verwirklichen würde und derjenige überhaupt<lb/>
nicht wert wäre, Richter zu sein, der solchen Einflüssen zugänglich wäre. Die<lb/>
Bestimmung verhindert, daß der Vorgesetzte von der Fähigkeit der Richter<lb/>
Kenntnis erhält. Da unsre neue Gerichtsverfassung die Gerichtskollegien zer¬<lb/>
schlagen und in einzelne Kammern auf gclvsthat, da die Oberlandesgcrichte von der<lb/>
Thätigkeit der unter» Instanzen in den seltensten Fällen Kunde erhalten, so blieb<lb/>
einem eifrigen Präsidenten nichts andres übrig, als in die Beratungen der Richter<lb/>
zu gehen und zu hören, wie sie sich dort zeigen. Diese Quelle ist jetzt nicht<lb/>
mehr benutzbar, und so wird es dahin kommen, daß die Beförderung der Richter<lb/>
nicht &#x2014; wie es sein soll &#x2014; aus sachlichen Gründen und nach Verdienst die<lb/>
Regel sein wird. Der Vorgesetzte lernt amtlich die ihm untergebenen Richter<lb/>
mir in seltenen Fällen kennen, seine Vorschläge für Beförderung entbehren der<lb/>
erforderlichen Grundlage, und so wird über das Wohl und Wehe der einzelnen<lb/>
Richter ausschließlich im Justizministerium nach dem Wohl- und Übelwollen<lb/>
des obersten Chefs und nach mancherlei andern Rücksichten entschieden werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_573"> Das ist ein sehr bedenkliches Anhängsel zu dem Gesetze und bedroht die<lb/>
Integrität des Richterstandcs, indem es das Strebertum fördert, das lediglich<lb/>
die Gunst des allmächtigen Ministers zu erHaschen sucht. Wenn trotz dieses<lb/>
schweren Mangels die kaiserliche Regierung das Gesetz in Gemeinschaft mit dem<lb/>
Bundesrate angenommen hat, so ergiebt sich hieraus nochmals, für wie not¬<lb/>
wendig es erachtet wird, die Sicherheit des Reiches aufrecht zu erhalten und<lb/>
zu schützen. In dieser Beziehung aber hat das Gesetz dasjenige erreicht, was<lb/>
möglich war, und mit diesem Ergebnis dürfen sich alle diejenigen begnügen,<lb/>
denen das Wohl des Reiches am Herzen liegt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> ^pes cuc 1a, litterature alleman^e.<lb/>
In vier Briefen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Dritter Brief,<lb/>
von allerhand nebenherlaufender Polemik.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_574" next="#ID_575"> ieber Leser! Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die unselige<lb/>
Krankheit, die unsern Freund betroffen hat, hat ihm nicht nur<lb/>
seine literarhistorische Thätigkeit in eitel Galle verkehrt; sie hat<lb/>
ihn auch nnfühig gemacht, rein litterarhistorisch zu denken. Was<lb/>
er auch sinnt, immer drängen sich gewisse historische und politische<lb/>
Gedankenreihen heran, die ihn schwer Plagen und nur ungern weichen. BegrüßenSW<lb/>
^</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] l^pas cle 1^ litter-teure alleman^e. äußern könne. Praktisch dagegen ist die Bestimmung zu beklagen, zumal da sich jene Befürchtung doch schwerlich verwirklichen würde und derjenige überhaupt nicht wert wäre, Richter zu sein, der solchen Einflüssen zugänglich wäre. Die Bestimmung verhindert, daß der Vorgesetzte von der Fähigkeit der Richter Kenntnis erhält. Da unsre neue Gerichtsverfassung die Gerichtskollegien zer¬ schlagen und in einzelne Kammern auf gclvsthat, da die Oberlandesgcrichte von der Thätigkeit der unter» Instanzen in den seltensten Fällen Kunde erhalten, so blieb einem eifrigen Präsidenten nichts andres übrig, als in die Beratungen der Richter zu gehen und zu hören, wie sie sich dort zeigen. Diese Quelle ist jetzt nicht mehr benutzbar, und so wird es dahin kommen, daß die Beförderung der Richter nicht — wie es sein soll — aus sachlichen Gründen und nach Verdienst die Regel sein wird. Der Vorgesetzte lernt amtlich die ihm untergebenen Richter mir in seltenen Fällen kennen, seine Vorschläge für Beförderung entbehren der erforderlichen Grundlage, und so wird über das Wohl und Wehe der einzelnen Richter ausschließlich im Justizministerium nach dem Wohl- und Übelwollen des obersten Chefs und nach mancherlei andern Rücksichten entschieden werden. Das ist ein sehr bedenkliches Anhängsel zu dem Gesetze und bedroht die Integrität des Richterstandcs, indem es das Strebertum fördert, das lediglich die Gunst des allmächtigen Ministers zu erHaschen sucht. Wenn trotz dieses schweren Mangels die kaiserliche Regierung das Gesetz in Gemeinschaft mit dem Bundesrate angenommen hat, so ergiebt sich hieraus nochmals, für wie not¬ wendig es erachtet wird, die Sicherheit des Reiches aufrecht zu erhalten und zu schützen. In dieser Beziehung aber hat das Gesetz dasjenige erreicht, was möglich war, und mit diesem Ergebnis dürfen sich alle diejenigen begnügen, denen das Wohl des Reiches am Herzen liegt. ^pes cuc 1a, litterature alleman^e. In vier Briefen. Dritter Brief, von allerhand nebenherlaufender Polemik. ieber Leser! Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die unselige Krankheit, die unsern Freund betroffen hat, hat ihm nicht nur seine literarhistorische Thätigkeit in eitel Galle verkehrt; sie hat ihn auch nnfühig gemacht, rein litterarhistorisch zu denken. Was er auch sinnt, immer drängen sich gewisse historische und politische Gedankenreihen heran, die ihn schwer Plagen und nur ungern weichen. BegrüßenSW ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/180>, abgerufen am 27.07.2024.