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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Zu den Parlamontsferien.

an die kopflose Opposition der konservativen Ultras gegen den Prinzen von
Preußen erinnert. Und nun es den Anschein gewinnt, als sei der Liebe Müh
gänzlich umsonst gewesen, wird über die Zerklüftung der liberalen Partei, über
die UnVersöhnlichkeit der Nationalliberalen gejammert. Tag für Tag sind die
letztern geschulmeistert, gehöhnt, mit Grobheiten oder den niedrigsten Verdäch¬
tigungen bedient worden, und wenn sie jetzt nicht in der Laune sind, durch Ein¬
führung ihrer zärtlichen Freunde in die gute Gesellschaft sich selbst zu kom-
promittiren, so heißt das UnVersöhnlichkeit! In ausländischen Blättern lassen
sich die journalistischen Wortführer der Richterschen Partei ihre Mäßigung und
Bescheidenheit bescheinigen, weil sie nach dem Thronwechsel nicht verlangt haben,
daß die bisherigen Räte der Krone auf die Festung geschickt und sie selbst
an deren Stelle gesetzt würden. Sie haben nur in Form von Gerüchten zu
verstehen gegeben, wie den ihnen am wenigsten zu Gesichte stehenden Personen
die allerhöchste Ungnade auszudrücken sei, und haben am offnen Sarge des
Kaisers Wilhelm die Hoffnung ausgesprochen, von nun an "ihrem Gewissen
und ihren Überzeugungen gemäß dem Wohle der Gesamtheit dienen zu können."
Die Worte "von nun an" wurden allerdings nicht ausgesprochen, aber niemand,
der die dreiste Auslassung gelesen hat, kann sich über den Sinn derselben
täuschen. Wenn da die Ausdrücke Mäßigung und Bescheidenheit anwendbar
sind, so können sie nur auf die Ansprüche bezogen werden, welche die Schreiber
an die eigene Person in Anschauung des Taktes stellen. Sogar das sollen wir
ihnen hoch anrechnen, daß sie den Reichskanzler gnädig auf seinem Platze lassen
wollen. Es ist richtig, die alten beliebten Weisen "Hausmaier" und "Fort mit
Bismarck!" haben sich bisher nicht vernehmen lassen -- die Trauben hängen
eben zu hoch.

Wenn es wieder zu Annäherungen zwischen Mitgliedern der sogenannten
deutschfreisinnigen Partei und den Nationalliberalen kommen sollte, so können
sie sich nur auf diese Weise vollziehen wie bei den letzte" Wahlen, also ein
weiteres Zusammenschrumpfen der Richterschen Bannerschaft zur Folge haben.
So unklug wird niemand sein, sie aus dem Sumpf, in den sie von ihrem
"Berge" aus geraten ist, herauszuziehen, die Herren müßten denn endlich lernen,
daß der Staat nicht um des Parlaments willen und das Parlament nicht ihret¬
wegen da ist.




Zu den Parlamontsferien.

an die kopflose Opposition der konservativen Ultras gegen den Prinzen von
Preußen erinnert. Und nun es den Anschein gewinnt, als sei der Liebe Müh
gänzlich umsonst gewesen, wird über die Zerklüftung der liberalen Partei, über
die UnVersöhnlichkeit der Nationalliberalen gejammert. Tag für Tag sind die
letztern geschulmeistert, gehöhnt, mit Grobheiten oder den niedrigsten Verdäch¬
tigungen bedient worden, und wenn sie jetzt nicht in der Laune sind, durch Ein¬
führung ihrer zärtlichen Freunde in die gute Gesellschaft sich selbst zu kom-
promittiren, so heißt das UnVersöhnlichkeit! In ausländischen Blättern lassen
sich die journalistischen Wortführer der Richterschen Partei ihre Mäßigung und
Bescheidenheit bescheinigen, weil sie nach dem Thronwechsel nicht verlangt haben,
daß die bisherigen Räte der Krone auf die Festung geschickt und sie selbst
an deren Stelle gesetzt würden. Sie haben nur in Form von Gerüchten zu
verstehen gegeben, wie den ihnen am wenigsten zu Gesichte stehenden Personen
die allerhöchste Ungnade auszudrücken sei, und haben am offnen Sarge des
Kaisers Wilhelm die Hoffnung ausgesprochen, von nun an „ihrem Gewissen
und ihren Überzeugungen gemäß dem Wohle der Gesamtheit dienen zu können."
Die Worte „von nun an" wurden allerdings nicht ausgesprochen, aber niemand,
der die dreiste Auslassung gelesen hat, kann sich über den Sinn derselben
täuschen. Wenn da die Ausdrücke Mäßigung und Bescheidenheit anwendbar
sind, so können sie nur auf die Ansprüche bezogen werden, welche die Schreiber
an die eigene Person in Anschauung des Taktes stellen. Sogar das sollen wir
ihnen hoch anrechnen, daß sie den Reichskanzler gnädig auf seinem Platze lassen
wollen. Es ist richtig, die alten beliebten Weisen „Hausmaier" und „Fort mit
Bismarck!" haben sich bisher nicht vernehmen lassen — die Trauben hängen
eben zu hoch.

Wenn es wieder zu Annäherungen zwischen Mitgliedern der sogenannten
deutschfreisinnigen Partei und den Nationalliberalen kommen sollte, so können
sie sich nur auf diese Weise vollziehen wie bei den letzte» Wahlen, also ein
weiteres Zusammenschrumpfen der Richterschen Bannerschaft zur Folge haben.
So unklug wird niemand sein, sie aus dem Sumpf, in den sie von ihrem
„Berge" aus geraten ist, herauszuziehen, die Herren müßten denn endlich lernen,
daß der Staat nicht um des Parlaments willen und das Parlament nicht ihret¬
wegen da ist.




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[0108] Zu den Parlamontsferien. an die kopflose Opposition der konservativen Ultras gegen den Prinzen von Preußen erinnert. Und nun es den Anschein gewinnt, als sei der Liebe Müh gänzlich umsonst gewesen, wird über die Zerklüftung der liberalen Partei, über die UnVersöhnlichkeit der Nationalliberalen gejammert. Tag für Tag sind die letztern geschulmeistert, gehöhnt, mit Grobheiten oder den niedrigsten Verdäch¬ tigungen bedient worden, und wenn sie jetzt nicht in der Laune sind, durch Ein¬ führung ihrer zärtlichen Freunde in die gute Gesellschaft sich selbst zu kom- promittiren, so heißt das UnVersöhnlichkeit! In ausländischen Blättern lassen sich die journalistischen Wortführer der Richterschen Partei ihre Mäßigung und Bescheidenheit bescheinigen, weil sie nach dem Thronwechsel nicht verlangt haben, daß die bisherigen Räte der Krone auf die Festung geschickt und sie selbst an deren Stelle gesetzt würden. Sie haben nur in Form von Gerüchten zu verstehen gegeben, wie den ihnen am wenigsten zu Gesichte stehenden Personen die allerhöchste Ungnade auszudrücken sei, und haben am offnen Sarge des Kaisers Wilhelm die Hoffnung ausgesprochen, von nun an „ihrem Gewissen und ihren Überzeugungen gemäß dem Wohle der Gesamtheit dienen zu können." Die Worte „von nun an" wurden allerdings nicht ausgesprochen, aber niemand, der die dreiste Auslassung gelesen hat, kann sich über den Sinn derselben täuschen. Wenn da die Ausdrücke Mäßigung und Bescheidenheit anwendbar sind, so können sie nur auf die Ansprüche bezogen werden, welche die Schreiber an die eigene Person in Anschauung des Taktes stellen. Sogar das sollen wir ihnen hoch anrechnen, daß sie den Reichskanzler gnädig auf seinem Platze lassen wollen. Es ist richtig, die alten beliebten Weisen „Hausmaier" und „Fort mit Bismarck!" haben sich bisher nicht vernehmen lassen — die Trauben hängen eben zu hoch. Wenn es wieder zu Annäherungen zwischen Mitgliedern der sogenannten deutschfreisinnigen Partei und den Nationalliberalen kommen sollte, so können sie sich nur auf diese Weise vollziehen wie bei den letzte» Wahlen, also ein weiteres Zusammenschrumpfen der Richterschen Bannerschaft zur Folge haben. So unklug wird niemand sein, sie aus dem Sumpf, in den sie von ihrem „Berge" aus geraten ist, herauszuziehen, die Herren müßten denn endlich lernen, daß der Staat nicht um des Parlaments willen und das Parlament nicht ihret¬ wegen da ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/108>, abgerufen am 06.10.2024.