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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

Im Börsenverkehre scheint man den Satz von der Vermögenshaftung der
Eisenbahnen ebenfalls für rechtlich inhaltlos zu halten, da z. B. das Jahrbuch
der Berliner Börse für 1887/88, welches über die in Berlin gehcmdelten
russischen Eisenbahnpapiere zuverlässige Angaben enthält, der Haftung des Eisen¬
bahnvermögens als Sicherheit des Papiers nirgends erwähnt.

Von einem dinglichen Rechte der Obligationeninhaber an dem Eisenbahn¬
vermögen kann also jedenfalls nicht die Rede sein. Dagegen steht dem Obli-
gatioueninhaber überall ein Prioritätsrecht zu, welches in allen russischen Eisen¬
bahnstatuten in den von der Verteilung der Reineinnahmen handelnden Para¬
graphen geregelt ist. Der Fall einer Konkurserklärung russischer Eisenbahnen
ist bis jetzt nur bei zwei kleinen, vom Staate nicht verbürgten Bahnen, der
Vorowitschi-Eisenbcchn (Länge 28,5 Werst) und der Sestrvrezk-Eisenbahn (Länge
9,12 Werst) vorgekommen. Beide Bahnen scheinen in den Besitz des Staates
übergegangen zu sein. In welcher Weise sich dieser mit den Aktionären und
Obligationeninhabern auseinandergesetzt hat, ist nicht näher bekannt geworden.
Der gleichfalls nicht verbürgten Murom-Bahn (Lauge 101 Werst) dürfte die
Konkurserklärung bevorstehen, wenn sie nicht inzwischen bereits eingetreten ist.

Der Entwurf einer Ausführungsverordnung zu dem Z 142 des allge¬
meinen Eisenbahnstatuts, betreffend das bei der Auflösung in Bankerott erklärter
Bahnen einzuhaltende Verfahren, liegt gegenwärtig dem Eisenbahnrate zur Be¬
gutachtung vor.

3. Die finanzielle Lage der russischen Eisenbahnen. Die beste
Sicherheit ist dem Besitzer von Aktien und Obligationen dann gegeben, wenn
das Unternehmen, worin er sein Kapital angelegt hat, hinreichend ertragsfähig
ist, um ohne jede andre Hilfe allen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Von den sämtlichen 45 russischen Eisenbahngesellschaften sind es nur
folgende zehn, die in den letzten Jahren imstande gewesen sind, aus der Be-
triebsreincinnahme ihr ganzes Anlagekapital zu verzinsen und unter Umständen
den Aktionären noch eine Dividende zu zahlen: die Nikvlcn'habn, Moskau-
Kursk, Kursk-Charkow-Asow, Warschau-Wie", Moskau-Rjäsan, Kursk-Kiew,
Njäsnn-Koslow, Moskau-Jaroslaw, Nybiusk-Vologoje, die Zarskoje-Sselv-Vahn
und die Lodzer Fabrik-Eisenbahn. Alle übrigen Eisenbahngesellschaften bedürfen
mehr oder weniger namhafter Bürgschaftszuschüsse des Staates.

Ausführlichere statistische Angaben über die finanziellen Verhältnisse der
sämtlichen russischen Eisenbahnen zusammen und jede einzelne derselben sind bis
jetzt in Rußland nicht weiter als für das Jahr 1884 veröffentlicht worden;
die finanzielle Lage der einzelnen Gesellschaften geht ans den über die Berliner
Börse veröffentlichten Büchern hervor.

Das Anlagekapital der sämtlichen russischen Privatbahnen in Aktien und
Obligationen zusammen betrug bis zum 1. Januar 1885 1305 Millionen Rubel
Metall, 158 Millionen Rubel Kredit, zusammen 2115 Millionen Rudel Kredit.


Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

Im Börsenverkehre scheint man den Satz von der Vermögenshaftung der
Eisenbahnen ebenfalls für rechtlich inhaltlos zu halten, da z. B. das Jahrbuch
der Berliner Börse für 1887/88, welches über die in Berlin gehcmdelten
russischen Eisenbahnpapiere zuverlässige Angaben enthält, der Haftung des Eisen¬
bahnvermögens als Sicherheit des Papiers nirgends erwähnt.

Von einem dinglichen Rechte der Obligationeninhaber an dem Eisenbahn¬
vermögen kann also jedenfalls nicht die Rede sein. Dagegen steht dem Obli-
gatioueninhaber überall ein Prioritätsrecht zu, welches in allen russischen Eisen¬
bahnstatuten in den von der Verteilung der Reineinnahmen handelnden Para¬
graphen geregelt ist. Der Fall einer Konkurserklärung russischer Eisenbahnen
ist bis jetzt nur bei zwei kleinen, vom Staate nicht verbürgten Bahnen, der
Vorowitschi-Eisenbcchn (Länge 28,5 Werst) und der Sestrvrezk-Eisenbahn (Länge
9,12 Werst) vorgekommen. Beide Bahnen scheinen in den Besitz des Staates
übergegangen zu sein. In welcher Weise sich dieser mit den Aktionären und
Obligationeninhabern auseinandergesetzt hat, ist nicht näher bekannt geworden.
Der gleichfalls nicht verbürgten Murom-Bahn (Lauge 101 Werst) dürfte die
Konkurserklärung bevorstehen, wenn sie nicht inzwischen bereits eingetreten ist.

Der Entwurf einer Ausführungsverordnung zu dem Z 142 des allge¬
meinen Eisenbahnstatuts, betreffend das bei der Auflösung in Bankerott erklärter
Bahnen einzuhaltende Verfahren, liegt gegenwärtig dem Eisenbahnrate zur Be¬
gutachtung vor.

3. Die finanzielle Lage der russischen Eisenbahnen. Die beste
Sicherheit ist dem Besitzer von Aktien und Obligationen dann gegeben, wenn
das Unternehmen, worin er sein Kapital angelegt hat, hinreichend ertragsfähig
ist, um ohne jede andre Hilfe allen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Von den sämtlichen 45 russischen Eisenbahngesellschaften sind es nur
folgende zehn, die in den letzten Jahren imstande gewesen sind, aus der Be-
triebsreincinnahme ihr ganzes Anlagekapital zu verzinsen und unter Umständen
den Aktionären noch eine Dividende zu zahlen: die Nikvlcn'habn, Moskau-
Kursk, Kursk-Charkow-Asow, Warschau-Wie», Moskau-Rjäsan, Kursk-Kiew,
Njäsnn-Koslow, Moskau-Jaroslaw, Nybiusk-Vologoje, die Zarskoje-Sselv-Vahn
und die Lodzer Fabrik-Eisenbahn. Alle übrigen Eisenbahngesellschaften bedürfen
mehr oder weniger namhafter Bürgschaftszuschüsse des Staates.

Ausführlichere statistische Angaben über die finanziellen Verhältnisse der
sämtlichen russischen Eisenbahnen zusammen und jede einzelne derselben sind bis
jetzt in Rußland nicht weiter als für das Jahr 1884 veröffentlicht worden;
die finanzielle Lage der einzelnen Gesellschaften geht ans den über die Berliner
Börse veröffentlichten Büchern hervor.

Das Anlagekapital der sämtlichen russischen Privatbahnen in Aktien und
Obligationen zusammen betrug bis zum 1. Januar 1885 1305 Millionen Rubel
Metall, 158 Millionen Rubel Kredit, zusammen 2115 Millionen Rudel Kredit.


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[0086] Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen. Im Börsenverkehre scheint man den Satz von der Vermögenshaftung der Eisenbahnen ebenfalls für rechtlich inhaltlos zu halten, da z. B. das Jahrbuch der Berliner Börse für 1887/88, welches über die in Berlin gehcmdelten russischen Eisenbahnpapiere zuverlässige Angaben enthält, der Haftung des Eisen¬ bahnvermögens als Sicherheit des Papiers nirgends erwähnt. Von einem dinglichen Rechte der Obligationeninhaber an dem Eisenbahn¬ vermögen kann also jedenfalls nicht die Rede sein. Dagegen steht dem Obli- gatioueninhaber überall ein Prioritätsrecht zu, welches in allen russischen Eisen¬ bahnstatuten in den von der Verteilung der Reineinnahmen handelnden Para¬ graphen geregelt ist. Der Fall einer Konkurserklärung russischer Eisenbahnen ist bis jetzt nur bei zwei kleinen, vom Staate nicht verbürgten Bahnen, der Vorowitschi-Eisenbcchn (Länge 28,5 Werst) und der Sestrvrezk-Eisenbahn (Länge 9,12 Werst) vorgekommen. Beide Bahnen scheinen in den Besitz des Staates übergegangen zu sein. In welcher Weise sich dieser mit den Aktionären und Obligationeninhabern auseinandergesetzt hat, ist nicht näher bekannt geworden. Der gleichfalls nicht verbürgten Murom-Bahn (Lauge 101 Werst) dürfte die Konkurserklärung bevorstehen, wenn sie nicht inzwischen bereits eingetreten ist. Der Entwurf einer Ausführungsverordnung zu dem Z 142 des allge¬ meinen Eisenbahnstatuts, betreffend das bei der Auflösung in Bankerott erklärter Bahnen einzuhaltende Verfahren, liegt gegenwärtig dem Eisenbahnrate zur Be¬ gutachtung vor. 3. Die finanzielle Lage der russischen Eisenbahnen. Die beste Sicherheit ist dem Besitzer von Aktien und Obligationen dann gegeben, wenn das Unternehmen, worin er sein Kapital angelegt hat, hinreichend ertragsfähig ist, um ohne jede andre Hilfe allen Verpflichtungen nachkommen zu können. Von den sämtlichen 45 russischen Eisenbahngesellschaften sind es nur folgende zehn, die in den letzten Jahren imstande gewesen sind, aus der Be- triebsreincinnahme ihr ganzes Anlagekapital zu verzinsen und unter Umständen den Aktionären noch eine Dividende zu zahlen: die Nikvlcn'habn, Moskau- Kursk, Kursk-Charkow-Asow, Warschau-Wie», Moskau-Rjäsan, Kursk-Kiew, Njäsnn-Koslow, Moskau-Jaroslaw, Nybiusk-Vologoje, die Zarskoje-Sselv-Vahn und die Lodzer Fabrik-Eisenbahn. Alle übrigen Eisenbahngesellschaften bedürfen mehr oder weniger namhafter Bürgschaftszuschüsse des Staates. Ausführlichere statistische Angaben über die finanziellen Verhältnisse der sämtlichen russischen Eisenbahnen zusammen und jede einzelne derselben sind bis jetzt in Rußland nicht weiter als für das Jahr 1884 veröffentlicht worden; die finanzielle Lage der einzelnen Gesellschaften geht ans den über die Berliner Börse veröffentlichten Büchern hervor. Das Anlagekapital der sämtlichen russischen Privatbahnen in Aktien und Obligationen zusammen betrug bis zum 1. Januar 1885 1305 Millionen Rubel Metall, 158 Millionen Rubel Kredit, zusammen 2115 Millionen Rudel Kredit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/86>, abgerufen am 27.06.2024.