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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Finanzlage der russischen Lisenbcchncn.

und der russischen Neichsbank abgeschlossen worden ist. Das hier obwaltende
Rechtsverhältnis kann entweder eine Verpfändung der als Sicherheit deponirten
Aktien sein, in welchem Falle mich das Aktienkapital den Obligationeninhabern
haftet, oder es ist der Art, daß keine Verpfändung, sondern lediglich eine Zession
der Zinsen und der Tilgnngsquote der deponirten Aktien bestimmt ist. Vom
wirtschaftlichen Standpunkte aus ist diese Art der Bürgschaftsbestellung in hohem
Grade bedenklich.

Das Anlagekapital der Losowo-Sewastopol-Bahn besteht aus: 1. 8167 500
Metall-Rubel-Aktien, 2. 29806765 vom Staate angekauften verbürgten Obli¬
gationen. Von dem Aktienkapital sind 7000000 Metall-Rubel deponirt und
an deren Stelle für ebensoviel Obligationen ausgegeben. Es verbleiben demnach
nur noch für 1167 500 Rubel Metall-Aktien frei, deren Besitzer, durch die
Staatsbürgschaft noch überdies bis zu einem gewissen Grade vor Verlusten ge¬
schützt, unbestrittene Herren des ganzen Unternehmens sind, in welchem 37 974265
Metall-Rubel angelegt sind. Bei der Kursk-Charkow-Asow-Eisenbahn liegen die
Verhältnisse ähnlich. Die Aktionäre verfügen über nicht ganz zwei Millionen
Rubel Aktien, während in der Bahn nahezu 55 Millionen Rubel angelegt sind.

v) Eine dritte Form der mittelbaren Bürgschaft kommt bei der Baltischen
Bahn vor. Die Regierung hat dieser Eiseubahngesellschaft für Verzinsung und
Tilgung ihrer im Nominalwerte von 26390000 Rubel Metall ausgegebenen
Aktien einen jährlichen Zuschuß bis zum Höchstbetrage von 791700 Rubel
Metall zugesichert. Dieser Zuschuß beläuft sich auf drei Prozent des Aktien¬
kapitals, wovon 2b/z Prozent auf Verzinsung und "/z Prozent auf Tilgung
kommen. Die fünfprozentigen im Verkehre befindlichen Obligationen dieser Bahn
sind vom Staate nicht verbürgt. Doch ist in den Statuten bestimmt, daß, falls
die Reineinnahme der Bahn zur Verzinsung und Tilgung der Obligationen nicht
ausreichen sollte, die fehlende Summe aus dem die Aktien verbürgender Be¬
trage entnommen wird.

Von den auf diese Weise mittelbar verbürgten Obligationen sind bis
jetzt nur 4500 000 Rubel Metall ausgegeben, deren Verzinsung und Tilgung
durch den den Aktien zugesagten und nötigenfalls auf die Obligationen zu über¬
tragenden Regierungszuschuß mehr als gedeckt ist. So lange dieses Verhältnis
obwaltet, wird diese Art mittelbarer Bürgschaft der unmittelbaren Staatsbürg¬
schaft nahezu als gleichwertig erachtet werden können. Dagegen besteht keine
Sicherheit dafür, ob nicht das vom Staate nicht verbürgte Obligationskapital
mit der Zeit so vermehrt wird, daß der nötigenfalls zugesicherte Staatszuschuß
zur Verzinsung und Tilgung nicht mehr ausreicht.

Aus dem Vorstehenden ergeben sich von selbst die Voraussetzungen, unter
welchen die Aktien auf volle Verzinsung keinen Anspruch machen können. Die
den Aktien zugesicherte Regierungsbürgschaft wird im Börsenverkehr als "kon-
ditionell" bezeichnet. Nach den Kursnotizen der Berliner Börse werden die


Die Finanzlage der russischen Lisenbcchncn.

und der russischen Neichsbank abgeschlossen worden ist. Das hier obwaltende
Rechtsverhältnis kann entweder eine Verpfändung der als Sicherheit deponirten
Aktien sein, in welchem Falle mich das Aktienkapital den Obligationeninhabern
haftet, oder es ist der Art, daß keine Verpfändung, sondern lediglich eine Zession
der Zinsen und der Tilgnngsquote der deponirten Aktien bestimmt ist. Vom
wirtschaftlichen Standpunkte aus ist diese Art der Bürgschaftsbestellung in hohem
Grade bedenklich.

Das Anlagekapital der Losowo-Sewastopol-Bahn besteht aus: 1. 8167 500
Metall-Rubel-Aktien, 2. 29806765 vom Staate angekauften verbürgten Obli¬
gationen. Von dem Aktienkapital sind 7000000 Metall-Rubel deponirt und
an deren Stelle für ebensoviel Obligationen ausgegeben. Es verbleiben demnach
nur noch für 1167 500 Rubel Metall-Aktien frei, deren Besitzer, durch die
Staatsbürgschaft noch überdies bis zu einem gewissen Grade vor Verlusten ge¬
schützt, unbestrittene Herren des ganzen Unternehmens sind, in welchem 37 974265
Metall-Rubel angelegt sind. Bei der Kursk-Charkow-Asow-Eisenbahn liegen die
Verhältnisse ähnlich. Die Aktionäre verfügen über nicht ganz zwei Millionen
Rubel Aktien, während in der Bahn nahezu 55 Millionen Rubel angelegt sind.

v) Eine dritte Form der mittelbaren Bürgschaft kommt bei der Baltischen
Bahn vor. Die Regierung hat dieser Eiseubahngesellschaft für Verzinsung und
Tilgung ihrer im Nominalwerte von 26390000 Rubel Metall ausgegebenen
Aktien einen jährlichen Zuschuß bis zum Höchstbetrage von 791700 Rubel
Metall zugesichert. Dieser Zuschuß beläuft sich auf drei Prozent des Aktien¬
kapitals, wovon 2b/z Prozent auf Verzinsung und "/z Prozent auf Tilgung
kommen. Die fünfprozentigen im Verkehre befindlichen Obligationen dieser Bahn
sind vom Staate nicht verbürgt. Doch ist in den Statuten bestimmt, daß, falls
die Reineinnahme der Bahn zur Verzinsung und Tilgung der Obligationen nicht
ausreichen sollte, die fehlende Summe aus dem die Aktien verbürgender Be¬
trage entnommen wird.

Von den auf diese Weise mittelbar verbürgten Obligationen sind bis
jetzt nur 4500 000 Rubel Metall ausgegeben, deren Verzinsung und Tilgung
durch den den Aktien zugesagten und nötigenfalls auf die Obligationen zu über¬
tragenden Regierungszuschuß mehr als gedeckt ist. So lange dieses Verhältnis
obwaltet, wird diese Art mittelbarer Bürgschaft der unmittelbaren Staatsbürg¬
schaft nahezu als gleichwertig erachtet werden können. Dagegen besteht keine
Sicherheit dafür, ob nicht das vom Staate nicht verbürgte Obligationskapital
mit der Zeit so vermehrt wird, daß der nötigenfalls zugesicherte Staatszuschuß
zur Verzinsung und Tilgung nicht mehr ausreicht.

Aus dem Vorstehenden ergeben sich von selbst die Voraussetzungen, unter
welchen die Aktien auf volle Verzinsung keinen Anspruch machen können. Die
den Aktien zugesicherte Regierungsbürgschaft wird im Börsenverkehr als „kon-
ditionell" bezeichnet. Nach den Kursnotizen der Berliner Börse werden die


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[0084] Die Finanzlage der russischen Lisenbcchncn. und der russischen Neichsbank abgeschlossen worden ist. Das hier obwaltende Rechtsverhältnis kann entweder eine Verpfändung der als Sicherheit deponirten Aktien sein, in welchem Falle mich das Aktienkapital den Obligationeninhabern haftet, oder es ist der Art, daß keine Verpfändung, sondern lediglich eine Zession der Zinsen und der Tilgnngsquote der deponirten Aktien bestimmt ist. Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus ist diese Art der Bürgschaftsbestellung in hohem Grade bedenklich. Das Anlagekapital der Losowo-Sewastopol-Bahn besteht aus: 1. 8167 500 Metall-Rubel-Aktien, 2. 29806765 vom Staate angekauften verbürgten Obli¬ gationen. Von dem Aktienkapital sind 7000000 Metall-Rubel deponirt und an deren Stelle für ebensoviel Obligationen ausgegeben. Es verbleiben demnach nur noch für 1167 500 Rubel Metall-Aktien frei, deren Besitzer, durch die Staatsbürgschaft noch überdies bis zu einem gewissen Grade vor Verlusten ge¬ schützt, unbestrittene Herren des ganzen Unternehmens sind, in welchem 37 974265 Metall-Rubel angelegt sind. Bei der Kursk-Charkow-Asow-Eisenbahn liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Aktionäre verfügen über nicht ganz zwei Millionen Rubel Aktien, während in der Bahn nahezu 55 Millionen Rubel angelegt sind. v) Eine dritte Form der mittelbaren Bürgschaft kommt bei der Baltischen Bahn vor. Die Regierung hat dieser Eiseubahngesellschaft für Verzinsung und Tilgung ihrer im Nominalwerte von 26390000 Rubel Metall ausgegebenen Aktien einen jährlichen Zuschuß bis zum Höchstbetrage von 791700 Rubel Metall zugesichert. Dieser Zuschuß beläuft sich auf drei Prozent des Aktien¬ kapitals, wovon 2b/z Prozent auf Verzinsung und "/z Prozent auf Tilgung kommen. Die fünfprozentigen im Verkehre befindlichen Obligationen dieser Bahn sind vom Staate nicht verbürgt. Doch ist in den Statuten bestimmt, daß, falls die Reineinnahme der Bahn zur Verzinsung und Tilgung der Obligationen nicht ausreichen sollte, die fehlende Summe aus dem die Aktien verbürgender Be¬ trage entnommen wird. Von den auf diese Weise mittelbar verbürgten Obligationen sind bis jetzt nur 4500 000 Rubel Metall ausgegeben, deren Verzinsung und Tilgung durch den den Aktien zugesagten und nötigenfalls auf die Obligationen zu über¬ tragenden Regierungszuschuß mehr als gedeckt ist. So lange dieses Verhältnis obwaltet, wird diese Art mittelbarer Bürgschaft der unmittelbaren Staatsbürg¬ schaft nahezu als gleichwertig erachtet werden können. Dagegen besteht keine Sicherheit dafür, ob nicht das vom Staate nicht verbürgte Obligationskapital mit der Zeit so vermehrt wird, daß der nötigenfalls zugesicherte Staatszuschuß zur Verzinsung und Tilgung nicht mehr ausreicht. Aus dem Vorstehenden ergeben sich von selbst die Voraussetzungen, unter welchen die Aktien auf volle Verzinsung keinen Anspruch machen können. Die den Aktien zugesicherte Regierungsbürgschaft wird im Börsenverkehr als „kon- ditionell" bezeichnet. Nach den Kursnotizen der Berliner Börse werden die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/84>, abgerufen am 27.06.2024.