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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche.

des Papstes!" Und selbst Melanchthon geht so weit, daß er auch rein kirchliche
Dinge dem Träger der staatlichen Hoheit zuweist, wie das z. B. in dem ?rg.e-
wws Ah xotsstiits geschieht 270): "Insonderheit thut es not, daß

die hervorragenden Glieder der Kirche, die Könige und Fürsten, für die Kirche
sorgen und sie beraten, damit die Irrtümer aufgehoben werden und die Gewissen
gesunden. . . . Darum möchte es wohl die unwürdigste Sache sein, daß sie ihr
Ansehen und ihre Macht verwendeten zur Kräftigung von Götzendienst und der
übrigen Schandthaten und zur Ermordung der Gläubigen" (imxriini8 oxortst,
xiÄeoixug, insmdr" soolssiÄS, rs^s8 se xrinoixs8 von8u1srs ses1ö8las se ourMs,
ut srrorss tollantur se sonMisntms sAnsutur. . . . Hu-irs mal^ni^imum tnsrit,
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sstsra ÜÄ^itiÄ se g.ä t^oisnäag SÄsäs8 8Mot,0rum). Der letzte Beisatz zeigt
uns auch, wo die Reformatoren das Urteil über die srrorss dem Staate zu
überlasten kein Bedenken trugen, nämlich da, wo in der Lehre der Zusammen¬
hang des religiösen und des rechtlich sittlichen Gebietes zu Tage tritt. Hier
hat der Staat das Urteil, ob die Kirche mit ihrer Lehre im Irrtume ist oder
nicht, gerade so gut, wie er das Urteil hat, wo es sich um die bürgerliche
Stellung des Geistlichen, seine Rechte und Pflichten in weltlichen Dingen
handelt.

Und so muß es im modernen Staate, der das Ergebnis jener Bewegung
ist, welche mit der Reformation begann, bleiben. Wollte unsre evangelisch-prote¬
stantische Kirche irgend ein Verlangen geltend machen auf irgend welche Vor¬
rechte, und zwar eins diese als Ausfluß ihrer xotsstg" spots^g^tiog., etwa auf
eine Befreiung der Geistlichen vom Militärdienste, oder auf ein vom Staate
unabhängiges Besteuerungsrecht der kirchlichen Gemeinde, oder auf Besetzung
staatlicher Ämter, z. B. gewisser Lehrämter im Schuldienste und an der Uni¬
versität, alles Dinge, die von der klerikalen Seite in der protestantischen Kirche
heutzutage scharf erstrebt werden, so muß man solchem Beginnen die Worte
Melanchthons zurufen: Oportst . . . rs^Sö se xrwsixs8 voll8u1srs soolssias!

(Schluß folgt.)




Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche.

des Papstes!" Und selbst Melanchthon geht so weit, daß er auch rein kirchliche
Dinge dem Träger der staatlichen Hoheit zuweist, wie das z. B. in dem ?rg.e-
wws Ah xotsstiits geschieht 270): „Insonderheit thut es not, daß

die hervorragenden Glieder der Kirche, die Könige und Fürsten, für die Kirche
sorgen und sie beraten, damit die Irrtümer aufgehoben werden und die Gewissen
gesunden. . . . Darum möchte es wohl die unwürdigste Sache sein, daß sie ihr
Ansehen und ihre Macht verwendeten zur Kräftigung von Götzendienst und der
übrigen Schandthaten und zur Ermordung der Gläubigen" (imxriini8 oxortst,
xiÄeoixug, insmdr» soolssiÄS, rs^s8 se xrinoixs8 von8u1srs ses1ö8las se ourMs,
ut srrorss tollantur se sonMisntms sAnsutur. . . . Hu-irs mal^ni^imum tnsrit,
«08 voriksri's aootsritatsm se xotsutia-in 8ng,in g.ä ooMrinAll,cIg>ur läol^tri^in se
sstsra ÜÄ^itiÄ se g.ä t^oisnäag SÄsäs8 8Mot,0rum). Der letzte Beisatz zeigt
uns auch, wo die Reformatoren das Urteil über die srrorss dem Staate zu
überlasten kein Bedenken trugen, nämlich da, wo in der Lehre der Zusammen¬
hang des religiösen und des rechtlich sittlichen Gebietes zu Tage tritt. Hier
hat der Staat das Urteil, ob die Kirche mit ihrer Lehre im Irrtume ist oder
nicht, gerade so gut, wie er das Urteil hat, wo es sich um die bürgerliche
Stellung des Geistlichen, seine Rechte und Pflichten in weltlichen Dingen
handelt.

Und so muß es im modernen Staate, der das Ergebnis jener Bewegung
ist, welche mit der Reformation begann, bleiben. Wollte unsre evangelisch-prote¬
stantische Kirche irgend ein Verlangen geltend machen auf irgend welche Vor¬
rechte, und zwar eins diese als Ausfluß ihrer xotsstg« spots^g^tiog., etwa auf
eine Befreiung der Geistlichen vom Militärdienste, oder auf ein vom Staate
unabhängiges Besteuerungsrecht der kirchlichen Gemeinde, oder auf Besetzung
staatlicher Ämter, z. B. gewisser Lehrämter im Schuldienste und an der Uni¬
versität, alles Dinge, die von der klerikalen Seite in der protestantischen Kirche
heutzutage scharf erstrebt werden, so muß man solchem Beginnen die Worte
Melanchthons zurufen: Oportst . . . rs^Sö se xrwsixs8 voll8u1srs soolssias!

(Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/77>, abgerufen am 28.09.2024.