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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Lebenserinnerungen des Grafen von Schack.

und Studien aus. Der Legationssekretär, welcher mit dreißig Jahren sein um¬
fassendes Werk: "Geschichte der dramatischen Litteratur und Kunst in Spanien"
beendet, Persisch erlernt, um Firdusis großes Königsbuch, und Sanskrit, um
Episoden der indischen Puranas poetisch zu übertragen, der in den Kreisen des
Bundestages ein dramatisches Lesekränzchen stiftet, um der unvermeidlichen all¬
abendlichen Geselligkeit einige Würze zu geben, der, wenn nichts andres mehr
verfangen will, das leere Gcklatsch einer großen Soiree mit den virtuos ein¬
geübten Lisztschen Phantasien über Paccinis Niobe-Arie oder das spanische
Volkslied M vontrAbMäisw übertönt, ist wahrlich keine üble Erscheinung! Nach
den Stürmen von 1848 ward Schack zum Vertreter seines engern Vaterlandes
in dem Bundesrate der 1849 von Preußen ins Leben gerufenen Union und
nach 1830 zum mecklenburgischen Geschäftsträger am Berliner Hofe ernannt.
Lediglich dem Wunsche seiner Familie entsprechend, hielt er einige Jahre in
diesen Stellungen aus; völlig wohl ward ihm erst, als er im Herbste 1851
in das Privatleben zurücktrat. Nach einigem Schwanken und längern Reise¬
jahren entschied er sich für die Niederlassung in München, wo er dann feit dem
Ende der fünfziger Jahre regelmäßig einen Teil des Jahres zubrachte und in
dem Palais, das er sich erbaute, die berühmte Gemäldesammlung vervollstän¬
digte, zu der er schon früher den Grund gelegt hatte. In völliger Unab¬
hängigkeit, aber als einer der vorzüglichsten Genossen von König Maximilians II.
poetischer und gelehrter Tafelrunde, als Kapitular des neugegründeten Maxi¬
miliansordens, als Freund einer ganzen Reihe der hervorragendsten Männer
Münchens, mit den dortigen Verhältnissen innig verbunden und verflochten,
hat Freiherr von Schack, den der deutsche Kaiser in den Grafenstand erhob, die
spätern Jahrzehnte seines Lebens hauptsächlich der poetischen Produktion ge¬
widmet, zu der er von Jugend auf einen innern Antrieb gespürt, der er jeder¬
zeit gehuldigt, die aber namentlich seit den sechziger Jahren und nachdem er
noch das geistvolle Werk über "Poesie und Kunst der Araber in Spanien und
Sizilien" veröffentlicht hatte, mehr und mehr sein Leben ausfüllte. Die Mit¬
teilungen, welche Schack aus diesem spätern Leben macht, lassen keinen Zweifel,
daß er sich erst im Lebens- und Wirkungskreise der letzten Jahrzehnte voll¬
ständig in seinem Elemente gefühlt hat, und daß der tiefste Wunsch, welcher
dem Greise geblieben ist, einer lebendigeren und in weitere Kreise hineinreichenden
Wirkung seiner poetischen Schöpfungen gilt.

Von früh auf hatte Graf Schack eine ungewöhnliche und leidenschaftliche
Reiselust empfunden, schon als Student den ersten Ausflug nach Italien unter¬
nommen, wiederholte Wanderungen durch Deutschland, die Schweiz, Süd¬
frankreich und Italien bildeten Vorspiele zu den wahrhaft großen Reisen in
den Orient, nach England, nach Spanien, nach Madeira und Algier, nach
Holland und Belgien, den längern Aufenthalten in Paris und Rom, in Granada
und Madrid, in Athen und Konstantinopel, welche sich der Dichter gönnen dürfte.


Gnnzboien I. 1838. 75
Die Lebenserinnerungen des Grafen von Schack.

und Studien aus. Der Legationssekretär, welcher mit dreißig Jahren sein um¬
fassendes Werk: „Geschichte der dramatischen Litteratur und Kunst in Spanien"
beendet, Persisch erlernt, um Firdusis großes Königsbuch, und Sanskrit, um
Episoden der indischen Puranas poetisch zu übertragen, der in den Kreisen des
Bundestages ein dramatisches Lesekränzchen stiftet, um der unvermeidlichen all¬
abendlichen Geselligkeit einige Würze zu geben, der, wenn nichts andres mehr
verfangen will, das leere Gcklatsch einer großen Soiree mit den virtuos ein¬
geübten Lisztschen Phantasien über Paccinis Niobe-Arie oder das spanische
Volkslied M vontrAbMäisw übertönt, ist wahrlich keine üble Erscheinung! Nach
den Stürmen von 1848 ward Schack zum Vertreter seines engern Vaterlandes
in dem Bundesrate der 1849 von Preußen ins Leben gerufenen Union und
nach 1830 zum mecklenburgischen Geschäftsträger am Berliner Hofe ernannt.
Lediglich dem Wunsche seiner Familie entsprechend, hielt er einige Jahre in
diesen Stellungen aus; völlig wohl ward ihm erst, als er im Herbste 1851
in das Privatleben zurücktrat. Nach einigem Schwanken und längern Reise¬
jahren entschied er sich für die Niederlassung in München, wo er dann feit dem
Ende der fünfziger Jahre regelmäßig einen Teil des Jahres zubrachte und in
dem Palais, das er sich erbaute, die berühmte Gemäldesammlung vervollstän¬
digte, zu der er schon früher den Grund gelegt hatte. In völliger Unab¬
hängigkeit, aber als einer der vorzüglichsten Genossen von König Maximilians II.
poetischer und gelehrter Tafelrunde, als Kapitular des neugegründeten Maxi¬
miliansordens, als Freund einer ganzen Reihe der hervorragendsten Männer
Münchens, mit den dortigen Verhältnissen innig verbunden und verflochten,
hat Freiherr von Schack, den der deutsche Kaiser in den Grafenstand erhob, die
spätern Jahrzehnte seines Lebens hauptsächlich der poetischen Produktion ge¬
widmet, zu der er von Jugend auf einen innern Antrieb gespürt, der er jeder¬
zeit gehuldigt, die aber namentlich seit den sechziger Jahren und nachdem er
noch das geistvolle Werk über „Poesie und Kunst der Araber in Spanien und
Sizilien" veröffentlicht hatte, mehr und mehr sein Leben ausfüllte. Die Mit¬
teilungen, welche Schack aus diesem spätern Leben macht, lassen keinen Zweifel,
daß er sich erst im Lebens- und Wirkungskreise der letzten Jahrzehnte voll¬
ständig in seinem Elemente gefühlt hat, und daß der tiefste Wunsch, welcher
dem Greise geblieben ist, einer lebendigeren und in weitere Kreise hineinreichenden
Wirkung seiner poetischen Schöpfungen gilt.

Von früh auf hatte Graf Schack eine ungewöhnliche und leidenschaftliche
Reiselust empfunden, schon als Student den ersten Ausflug nach Italien unter¬
nommen, wiederholte Wanderungen durch Deutschland, die Schweiz, Süd¬
frankreich und Italien bildeten Vorspiele zu den wahrhaft großen Reisen in
den Orient, nach England, nach Spanien, nach Madeira und Algier, nach
Holland und Belgien, den längern Aufenthalten in Paris und Rom, in Granada
und Madrid, in Athen und Konstantinopel, welche sich der Dichter gönnen dürfte.


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[0601] Die Lebenserinnerungen des Grafen von Schack. und Studien aus. Der Legationssekretär, welcher mit dreißig Jahren sein um¬ fassendes Werk: „Geschichte der dramatischen Litteratur und Kunst in Spanien" beendet, Persisch erlernt, um Firdusis großes Königsbuch, und Sanskrit, um Episoden der indischen Puranas poetisch zu übertragen, der in den Kreisen des Bundestages ein dramatisches Lesekränzchen stiftet, um der unvermeidlichen all¬ abendlichen Geselligkeit einige Würze zu geben, der, wenn nichts andres mehr verfangen will, das leere Gcklatsch einer großen Soiree mit den virtuos ein¬ geübten Lisztschen Phantasien über Paccinis Niobe-Arie oder das spanische Volkslied M vontrAbMäisw übertönt, ist wahrlich keine üble Erscheinung! Nach den Stürmen von 1848 ward Schack zum Vertreter seines engern Vaterlandes in dem Bundesrate der 1849 von Preußen ins Leben gerufenen Union und nach 1830 zum mecklenburgischen Geschäftsträger am Berliner Hofe ernannt. Lediglich dem Wunsche seiner Familie entsprechend, hielt er einige Jahre in diesen Stellungen aus; völlig wohl ward ihm erst, als er im Herbste 1851 in das Privatleben zurücktrat. Nach einigem Schwanken und längern Reise¬ jahren entschied er sich für die Niederlassung in München, wo er dann feit dem Ende der fünfziger Jahre regelmäßig einen Teil des Jahres zubrachte und in dem Palais, das er sich erbaute, die berühmte Gemäldesammlung vervollstän¬ digte, zu der er schon früher den Grund gelegt hatte. In völliger Unab¬ hängigkeit, aber als einer der vorzüglichsten Genossen von König Maximilians II. poetischer und gelehrter Tafelrunde, als Kapitular des neugegründeten Maxi¬ miliansordens, als Freund einer ganzen Reihe der hervorragendsten Männer Münchens, mit den dortigen Verhältnissen innig verbunden und verflochten, hat Freiherr von Schack, den der deutsche Kaiser in den Grafenstand erhob, die spätern Jahrzehnte seines Lebens hauptsächlich der poetischen Produktion ge¬ widmet, zu der er von Jugend auf einen innern Antrieb gespürt, der er jeder¬ zeit gehuldigt, die aber namentlich seit den sechziger Jahren und nachdem er noch das geistvolle Werk über „Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien" veröffentlicht hatte, mehr und mehr sein Leben ausfüllte. Die Mit¬ teilungen, welche Schack aus diesem spätern Leben macht, lassen keinen Zweifel, daß er sich erst im Lebens- und Wirkungskreise der letzten Jahrzehnte voll¬ ständig in seinem Elemente gefühlt hat, und daß der tiefste Wunsch, welcher dem Greise geblieben ist, einer lebendigeren und in weitere Kreise hineinreichenden Wirkung seiner poetischen Schöpfungen gilt. Von früh auf hatte Graf Schack eine ungewöhnliche und leidenschaftliche Reiselust empfunden, schon als Student den ersten Ausflug nach Italien unter¬ nommen, wiederholte Wanderungen durch Deutschland, die Schweiz, Süd¬ frankreich und Italien bildeten Vorspiele zu den wahrhaft großen Reisen in den Orient, nach England, nach Spanien, nach Madeira und Algier, nach Holland und Belgien, den längern Aufenthalten in Paris und Rom, in Granada und Madrid, in Athen und Konstantinopel, welche sich der Dichter gönnen dürfte. Gnnzboien I. 1838. 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/601>, abgerufen am 28.09.2024.