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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Lin neues Grdbild.

Westen, haben also die südlichen Teile zur Linken, die nördlichen zur Rechten und
stehen vor der Mitte des Bildes der Schwerlinie vom 48. Grade gegenüber. Wir
sehen über die untere Randlinie des Bildes einen Bogen von 34 Grad, also fast
ein Fünftel eines Meridians, sich herauswölben, der mit dieser Randlinie zusammen
ein Segment im Betrage von des ganzen durch die Erde gelegten Kreises
einschließt. Dieser Bogen führt nun das Niveau des Meeres bald als Spiegel
der in den Schnitt fallenden Meeresteile, bald als Nullniveau aller sich darüber
erhebenden Höhen durch das ganze Profil. Es ist die Grundlinie aller senk¬
rechte Ausdehnungen, welche für alle Meridiane gleich ist. Ein stark gestrichelter
Kreisbogen ist mit dem Äquatorialradius durch das ganze Profil über der
Grundlinie geführt und sein Abstand von dieser bei jedem Grade angegeben.
Dieser läßt den Betrag der Abplattung für jeden Abschnitt des Profils er¬
kennen. Auf jeden siebenten Breitegrad ist dann ferner eine Schwer- oder Lot¬
linie gefällt, welche Zenith und Nadir desselben Punktes zeigt, ferner die Linie
der Richtung des Halbmessers, die Richtung der zu den beiderseitigen Brenn¬
punkten der großen Axe führenden Leitstrahlen, eine zur Erdaxe gleichlaufende
Nordlinie (scheinbare Himmelsaxe) und eine senkrecht auf diese stehende Parallel¬
kreislinie, ferner Linien für die Mittagshöhe der Sonne zur Zeit des Winter-
und Sommersolstitiums. Man muß auf dem Bilde selbst die sinnreichen Ver¬
deutlichungen der Umlaufsgeschwindigkeiten für verschiedne Breiten und die Ein¬
tragung andrer Größen, sowie die Angabe der Länge und Breite einer größern
Anzahl von Orten innerhalb der Zone des Profils, zur leichtern Orientirung
gegeben, einsehen. Vieles, was da gegeben ist, entzieht sich der Wiedergabe in
Worten, denn gerade in der Richtung und den Größenverhältnissen der Linien,
die wir da verlaufen sehen, liegt ja eine Denkanregung, welche noch mehr fast
als die Veranschaulichung, als der Zweck des Bildes uns entgegentritt. Wir
heben nur noch die Hereinziehung geographischer und geophysikalischer Verhält¬
nisse des ganzen Erdgürtels hervor, durch welchen das Profil gelegt ist, z. B.
die panoramaartig schematische Darstellung der bedeutendsten Hoch- und Tief¬
punkte in dem ganzen Erdgürtel zwischen dem 65. und dem 31. Grad nördlicher
Breite, welche von dem schraffirten Profil sich gut abhebt.

Wir haben den veranschaulichenden Wert und Zweck des Erdprofils be¬
tont, möchten aber noch viel höher den anregenden schätzen. Über diesen zum
Schluß noch einige Bemerkungen. Globen und Karten lenken den Geist des
Betrachters eher von dem Verhältnis der Große der Dinge an der Erdober¬
fläche zur Größe der Gesamterde ab, als sie ihn darauf hinführen. An
und für sich liegt ja dieses Verhältnis uns in der Ferne. Die für das Wesen
unsrer Karte so wichtige Gebirgszeichnung verweilt mit Willen bei der Illusion,
über dem Aufbau des Gebirges das Verschwindende seiner Größe gegenüber der
Größe der Erde vergessen zu dürfen. Die Gebirgskarten legen daher ihrem
Gegenstande eine liebevoll übertreibende Wichtigkeit bei. Die Folge davon ist


Lin neues Grdbild.

Westen, haben also die südlichen Teile zur Linken, die nördlichen zur Rechten und
stehen vor der Mitte des Bildes der Schwerlinie vom 48. Grade gegenüber. Wir
sehen über die untere Randlinie des Bildes einen Bogen von 34 Grad, also fast
ein Fünftel eines Meridians, sich herauswölben, der mit dieser Randlinie zusammen
ein Segment im Betrage von des ganzen durch die Erde gelegten Kreises
einschließt. Dieser Bogen führt nun das Niveau des Meeres bald als Spiegel
der in den Schnitt fallenden Meeresteile, bald als Nullniveau aller sich darüber
erhebenden Höhen durch das ganze Profil. Es ist die Grundlinie aller senk¬
rechte Ausdehnungen, welche für alle Meridiane gleich ist. Ein stark gestrichelter
Kreisbogen ist mit dem Äquatorialradius durch das ganze Profil über der
Grundlinie geführt und sein Abstand von dieser bei jedem Grade angegeben.
Dieser läßt den Betrag der Abplattung für jeden Abschnitt des Profils er¬
kennen. Auf jeden siebenten Breitegrad ist dann ferner eine Schwer- oder Lot¬
linie gefällt, welche Zenith und Nadir desselben Punktes zeigt, ferner die Linie
der Richtung des Halbmessers, die Richtung der zu den beiderseitigen Brenn¬
punkten der großen Axe führenden Leitstrahlen, eine zur Erdaxe gleichlaufende
Nordlinie (scheinbare Himmelsaxe) und eine senkrecht auf diese stehende Parallel¬
kreislinie, ferner Linien für die Mittagshöhe der Sonne zur Zeit des Winter-
und Sommersolstitiums. Man muß auf dem Bilde selbst die sinnreichen Ver¬
deutlichungen der Umlaufsgeschwindigkeiten für verschiedne Breiten und die Ein¬
tragung andrer Größen, sowie die Angabe der Länge und Breite einer größern
Anzahl von Orten innerhalb der Zone des Profils, zur leichtern Orientirung
gegeben, einsehen. Vieles, was da gegeben ist, entzieht sich der Wiedergabe in
Worten, denn gerade in der Richtung und den Größenverhältnissen der Linien,
die wir da verlaufen sehen, liegt ja eine Denkanregung, welche noch mehr fast
als die Veranschaulichung, als der Zweck des Bildes uns entgegentritt. Wir
heben nur noch die Hereinziehung geographischer und geophysikalischer Verhält¬
nisse des ganzen Erdgürtels hervor, durch welchen das Profil gelegt ist, z. B.
die panoramaartig schematische Darstellung der bedeutendsten Hoch- und Tief¬
punkte in dem ganzen Erdgürtel zwischen dem 65. und dem 31. Grad nördlicher
Breite, welche von dem schraffirten Profil sich gut abhebt.

Wir haben den veranschaulichenden Wert und Zweck des Erdprofils be¬
tont, möchten aber noch viel höher den anregenden schätzen. Über diesen zum
Schluß noch einige Bemerkungen. Globen und Karten lenken den Geist des
Betrachters eher von dem Verhältnis der Große der Dinge an der Erdober¬
fläche zur Größe der Gesamterde ab, als sie ihn darauf hinführen. An
und für sich liegt ja dieses Verhältnis uns in der Ferne. Die für das Wesen
unsrer Karte so wichtige Gebirgszeichnung verweilt mit Willen bei der Illusion,
über dem Aufbau des Gebirges das Verschwindende seiner Größe gegenüber der
Größe der Erde vergessen zu dürfen. Die Gebirgskarten legen daher ihrem
Gegenstande eine liebevoll übertreibende Wichtigkeit bei. Die Folge davon ist


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[0598] Lin neues Grdbild. Westen, haben also die südlichen Teile zur Linken, die nördlichen zur Rechten und stehen vor der Mitte des Bildes der Schwerlinie vom 48. Grade gegenüber. Wir sehen über die untere Randlinie des Bildes einen Bogen von 34 Grad, also fast ein Fünftel eines Meridians, sich herauswölben, der mit dieser Randlinie zusammen ein Segment im Betrage von des ganzen durch die Erde gelegten Kreises einschließt. Dieser Bogen führt nun das Niveau des Meeres bald als Spiegel der in den Schnitt fallenden Meeresteile, bald als Nullniveau aller sich darüber erhebenden Höhen durch das ganze Profil. Es ist die Grundlinie aller senk¬ rechte Ausdehnungen, welche für alle Meridiane gleich ist. Ein stark gestrichelter Kreisbogen ist mit dem Äquatorialradius durch das ganze Profil über der Grundlinie geführt und sein Abstand von dieser bei jedem Grade angegeben. Dieser läßt den Betrag der Abplattung für jeden Abschnitt des Profils er¬ kennen. Auf jeden siebenten Breitegrad ist dann ferner eine Schwer- oder Lot¬ linie gefällt, welche Zenith und Nadir desselben Punktes zeigt, ferner die Linie der Richtung des Halbmessers, die Richtung der zu den beiderseitigen Brenn¬ punkten der großen Axe führenden Leitstrahlen, eine zur Erdaxe gleichlaufende Nordlinie (scheinbare Himmelsaxe) und eine senkrecht auf diese stehende Parallel¬ kreislinie, ferner Linien für die Mittagshöhe der Sonne zur Zeit des Winter- und Sommersolstitiums. Man muß auf dem Bilde selbst die sinnreichen Ver¬ deutlichungen der Umlaufsgeschwindigkeiten für verschiedne Breiten und die Ein¬ tragung andrer Größen, sowie die Angabe der Länge und Breite einer größern Anzahl von Orten innerhalb der Zone des Profils, zur leichtern Orientirung gegeben, einsehen. Vieles, was da gegeben ist, entzieht sich der Wiedergabe in Worten, denn gerade in der Richtung und den Größenverhältnissen der Linien, die wir da verlaufen sehen, liegt ja eine Denkanregung, welche noch mehr fast als die Veranschaulichung, als der Zweck des Bildes uns entgegentritt. Wir heben nur noch die Hereinziehung geographischer und geophysikalischer Verhält¬ nisse des ganzen Erdgürtels hervor, durch welchen das Profil gelegt ist, z. B. die panoramaartig schematische Darstellung der bedeutendsten Hoch- und Tief¬ punkte in dem ganzen Erdgürtel zwischen dem 65. und dem 31. Grad nördlicher Breite, welche von dem schraffirten Profil sich gut abhebt. Wir haben den veranschaulichenden Wert und Zweck des Erdprofils be¬ tont, möchten aber noch viel höher den anregenden schätzen. Über diesen zum Schluß noch einige Bemerkungen. Globen und Karten lenken den Geist des Betrachters eher von dem Verhältnis der Große der Dinge an der Erdober¬ fläche zur Größe der Gesamterde ab, als sie ihn darauf hinführen. An und für sich liegt ja dieses Verhältnis uns in der Ferne. Die für das Wesen unsrer Karte so wichtige Gebirgszeichnung verweilt mit Willen bei der Illusion, über dem Aufbau des Gebirges das Verschwindende seiner Größe gegenüber der Größe der Erde vergessen zu dürfen. Die Gebirgskarten legen daher ihrem Gegenstande eine liebevoll übertreibende Wichtigkeit bei. Die Folge davon ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/598>, abgerufen am 28.09.2024.