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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte 'Konkurrenz.

bedeutsamen Erscheinungen gegenüber ganz und gar unzulänglicher Standpunkt,
die Konkurrenz für die Beurteilung der wirtschaftlichen Dinge maßgebend machen
zu wollen. Nicht einmal im einzelnen Falle kann man ohne weiteres die Kon¬
kurrenz als segensvoll, ihre Erweiterung und Begünstigung als notwendig, ihr
NichtVorhandensein als ein Zeichen des Verfalls oder der ungenügenden Entwicklung
betrachten, sondern immer muß abgewogen und müssen mancherlei Einflüsse, die
der einseitige Konkurrenzstandpunkt unbeachtet zu lassen Pflegt, die aber trotzdem
auch vorhanden sind, zur Gewinnung eines vollständigen Bildes mit herange¬
zogen werden. Je mehr wir aber zu einer allgemeineren Betrachtung aufsteigen,
desto bedenklicher wird es, alles nur vom Standpunkte einer möglichst großen Kon¬
kurrenz betrachten zu wollen. Daß es z. B. nicht angeht, unsre sozialen Verhältnisse
auf der Betrachtung aufzubauen,' daß die Arbeiter durch ihre Konkurrenz unter
einander die Lohnhöhe bestimmen, wobei die Korrektur einer absolut ungenügenden
Lohnhöhe in dem Wegsterben eines Teils der ungenügend bezahlten Arbeiter besteht,
das dürfte heutzutage auch der hartgesottenste Manchestermann begriffen haben.
Ebenso kann die Produktion oder die künftige Produktionsfähigkeit eines Landes
unmöglich den durch eine schrankenlose Konkurrenz hervorgerufenen sogenannten
Konjunkturen, die ja ihrer Natur uach nur vorübergehende Erscheinungen
sind, ausgesetzt werden. Wie also die Konkurrenz nirgends selbstschaffend
auftreten, sondern höchstens neue produktive Kräfte hervorrufen oder ermutigen
kann, so kann sie auch nirgends ohne weiteres maßgebend gemacht werden.
Auch sie gehört zu den menschlichen Dingen, die durch ihre Überspannung
ins Sinnlose getrieben werden können, und darf nirgends den Anspruch er¬
heben, um ihrer selbst willen als etwas Gutes betrachtet zu werden. Inner¬
halb bestimmter Schranken ist sie gut und vortrefflich und wird schwerlich
jemals entbehrt werden können; in vielen Fällen ist aber ihr Nutzen nur be¬
schränkt, und nicht selten ist es sogar zweifelhaft, ob sich mit ihrer Hilfe je
etwas erreichen läßt; von einem gewissen Punkte ab endlich ist sie entschieden
schädlich und gefährlich, und kann Folgen hervorrufen, die von ihrem angeb¬
lichen Zwecke, der Steigerung der menschlichen Betriebsamkeit und Tüchtigkeit,
so entfernt wie nur möglich sind, die vielmehr geradezu der Korruption, der
Ausbeutung, der Herabdrückung einer Mehrheit durch eine Minderheit in die
Hände arbeiten.




Die sogenannte 'Konkurrenz.

bedeutsamen Erscheinungen gegenüber ganz und gar unzulänglicher Standpunkt,
die Konkurrenz für die Beurteilung der wirtschaftlichen Dinge maßgebend machen
zu wollen. Nicht einmal im einzelnen Falle kann man ohne weiteres die Kon¬
kurrenz als segensvoll, ihre Erweiterung und Begünstigung als notwendig, ihr
NichtVorhandensein als ein Zeichen des Verfalls oder der ungenügenden Entwicklung
betrachten, sondern immer muß abgewogen und müssen mancherlei Einflüsse, die
der einseitige Konkurrenzstandpunkt unbeachtet zu lassen Pflegt, die aber trotzdem
auch vorhanden sind, zur Gewinnung eines vollständigen Bildes mit herange¬
zogen werden. Je mehr wir aber zu einer allgemeineren Betrachtung aufsteigen,
desto bedenklicher wird es, alles nur vom Standpunkte einer möglichst großen Kon¬
kurrenz betrachten zu wollen. Daß es z. B. nicht angeht, unsre sozialen Verhältnisse
auf der Betrachtung aufzubauen,' daß die Arbeiter durch ihre Konkurrenz unter
einander die Lohnhöhe bestimmen, wobei die Korrektur einer absolut ungenügenden
Lohnhöhe in dem Wegsterben eines Teils der ungenügend bezahlten Arbeiter besteht,
das dürfte heutzutage auch der hartgesottenste Manchestermann begriffen haben.
Ebenso kann die Produktion oder die künftige Produktionsfähigkeit eines Landes
unmöglich den durch eine schrankenlose Konkurrenz hervorgerufenen sogenannten
Konjunkturen, die ja ihrer Natur uach nur vorübergehende Erscheinungen
sind, ausgesetzt werden. Wie also die Konkurrenz nirgends selbstschaffend
auftreten, sondern höchstens neue produktive Kräfte hervorrufen oder ermutigen
kann, so kann sie auch nirgends ohne weiteres maßgebend gemacht werden.
Auch sie gehört zu den menschlichen Dingen, die durch ihre Überspannung
ins Sinnlose getrieben werden können, und darf nirgends den Anspruch er¬
heben, um ihrer selbst willen als etwas Gutes betrachtet zu werden. Inner¬
halb bestimmter Schranken ist sie gut und vortrefflich und wird schwerlich
jemals entbehrt werden können; in vielen Fällen ist aber ihr Nutzen nur be¬
schränkt, und nicht selten ist es sogar zweifelhaft, ob sich mit ihrer Hilfe je
etwas erreichen läßt; von einem gewissen Punkte ab endlich ist sie entschieden
schädlich und gefährlich, und kann Folgen hervorrufen, die von ihrem angeb¬
lichen Zwecke, der Steigerung der menschlichen Betriebsamkeit und Tüchtigkeit,
so entfernt wie nur möglich sind, die vielmehr geradezu der Korruption, der
Ausbeutung, der Herabdrückung einer Mehrheit durch eine Minderheit in die
Hände arbeiten.




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[0053] Die sogenannte 'Konkurrenz. bedeutsamen Erscheinungen gegenüber ganz und gar unzulänglicher Standpunkt, die Konkurrenz für die Beurteilung der wirtschaftlichen Dinge maßgebend machen zu wollen. Nicht einmal im einzelnen Falle kann man ohne weiteres die Kon¬ kurrenz als segensvoll, ihre Erweiterung und Begünstigung als notwendig, ihr NichtVorhandensein als ein Zeichen des Verfalls oder der ungenügenden Entwicklung betrachten, sondern immer muß abgewogen und müssen mancherlei Einflüsse, die der einseitige Konkurrenzstandpunkt unbeachtet zu lassen Pflegt, die aber trotzdem auch vorhanden sind, zur Gewinnung eines vollständigen Bildes mit herange¬ zogen werden. Je mehr wir aber zu einer allgemeineren Betrachtung aufsteigen, desto bedenklicher wird es, alles nur vom Standpunkte einer möglichst großen Kon¬ kurrenz betrachten zu wollen. Daß es z. B. nicht angeht, unsre sozialen Verhältnisse auf der Betrachtung aufzubauen,' daß die Arbeiter durch ihre Konkurrenz unter einander die Lohnhöhe bestimmen, wobei die Korrektur einer absolut ungenügenden Lohnhöhe in dem Wegsterben eines Teils der ungenügend bezahlten Arbeiter besteht, das dürfte heutzutage auch der hartgesottenste Manchestermann begriffen haben. Ebenso kann die Produktion oder die künftige Produktionsfähigkeit eines Landes unmöglich den durch eine schrankenlose Konkurrenz hervorgerufenen sogenannten Konjunkturen, die ja ihrer Natur uach nur vorübergehende Erscheinungen sind, ausgesetzt werden. Wie also die Konkurrenz nirgends selbstschaffend auftreten, sondern höchstens neue produktive Kräfte hervorrufen oder ermutigen kann, so kann sie auch nirgends ohne weiteres maßgebend gemacht werden. Auch sie gehört zu den menschlichen Dingen, die durch ihre Überspannung ins Sinnlose getrieben werden können, und darf nirgends den Anspruch er¬ heben, um ihrer selbst willen als etwas Gutes betrachtet zu werden. Inner¬ halb bestimmter Schranken ist sie gut und vortrefflich und wird schwerlich jemals entbehrt werden können; in vielen Fällen ist aber ihr Nutzen nur be¬ schränkt, und nicht selten ist es sogar zweifelhaft, ob sich mit ihrer Hilfe je etwas erreichen läßt; von einem gewissen Punkte ab endlich ist sie entschieden schädlich und gefährlich, und kann Folgen hervorrufen, die von ihrem angeb¬ lichen Zwecke, der Steigerung der menschlichen Betriebsamkeit und Tüchtigkeit, so entfernt wie nur möglich sind, die vielmehr geradezu der Korruption, der Ausbeutung, der Herabdrückung einer Mehrheit durch eine Minderheit in die Hände arbeiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/53>, abgerufen am 28.09.2024.