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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte Konkurrenz.

Hauptsache nach von einem Mittelpunkte aus diktatorisch bestimmt wird. Sind
nicht die Ansätze dazu, die Bestrebungen, den Getreidemarkt bestimmten händ¬
lerischen Richtungen dienstbar zu machen, heute schon sehr weit gediehen?

Man verstehe mich nicht falsch. Es konnte aus dem Vorstehenden gefolgert
werden, die Konkurrenz sei meines Erachtens grundsätzlich zu verwerfen, denn sie
führe mit innerer Notwendigkeit zum Monopol, und ich wolle daher die Staats¬
gewalt an die Stelle der freien wirtschaftlichen Bewegung setzen. Dies ist nicht
der Fall. Ich glaube nur, daß der Privatkonkurrenz das Feld nicht allein über¬
lassen werden und daß nicht ihre unbeschränkte Entfaltung gar noch mit künst¬
lichen Mitteln begünstigt werden soll, daß vielmehr der Staat selbst mit seiner
Gesetzgebung und Verwaltung und seiner eignen wirtschaftlichen Thätigkeit stets
regelnd, lenkend und berichtigend der Konkurrenz zur Seite stehen sollte, damit
sie nirgends fehle, nirgends über das wünschenswerte Maß hinausgehe und
nirgends unter allerhand Formen und Verkleidungen in ihr Gegenteil um¬
schlage. Die richtige Grenze hierbei zu finden ist eine so wichtige wie schwierige
Aufgabe der praktischen Staatsweisheit, über deren Erfüllung sich keine bestimmten
Regeln aufstellen lassen. Nur daran ist festzuhalten, daß die Privatkonknrrenz
nicht zu entbehren ist, daß man sie aber nicht allein wirtschaften lassen darf.

Umgekehrt verwahre ich mich auch dagegen, als betrachtete ich eine vollständig
entwickelte Konkurrenz unter den Handwerksmeistern als etwas notwendiges und
segensvolles. Natürlich muß sie auch hier vorhanden sein, wie sie ja auch uuter
der Herrschaft der mittelalterlichen Handwerksgeschlvssenheit vorhanden war; ein
kräftigeres Geltendmachen der Konkurrenz kann es sicherlich nicht geben, als solches
in dem Betriebe der Handwerke neben einander jedesmal in bestimmten, fast
nur von Angehörigen ein und desselben Gewerbes benutzten Gassen oder Stadt¬
teilen lag. Aber gerade hier ist es handgreiflich, in wie hohem Grade die
Konkurrenz statt zu einem Segen, zu einem Fluche für die betreffenden Geschäfts¬
treibenden werden kann. Von dem Tage an, an dem es gelang, die Hand¬
werker zu überreden, daß sie sich in erster Linie nicht als Genossen, sonder"
als Konkurrenten betrachten sollten, von dem Tage an war die Auflösung des
deutschen Handwerks eingeleitet, und alle seitdem gemachten verzweiflungs-
vollen Wiederbelebungsversuche haben mit der kaum überwindlichen Schwierigkeit
zu kämpfen, diese Vorstellung den Leuten wieder aus dem Kopfe zu treiben.
Ein neues deutsches Handwerk ist erst von dem Tage an möglich, an dem die
Handwerker selbst zu der Einsicht gekommen sind, daß sie sich in erster Linie
als Genossen, erst in zweiter als Konkurrenten zu betrachten haben!

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen. Die Konkurrenz stellt, insofern
sie die Einzelnen anspornt, in ihren Leistungen nicht hinter einander zurückzubleiben,
eine Reihe ebenso erfreulicher wie notwendiger Antriebe, und zwar nicht nur im
wirtschaftlichen Leben, sondern auch im gesamten geselligen und öffentlichen Ver¬
kehr der Menschen unter einander dar. Aber es ist ein gröblich einseitiger, vielen


Die sogenannte Konkurrenz.

Hauptsache nach von einem Mittelpunkte aus diktatorisch bestimmt wird. Sind
nicht die Ansätze dazu, die Bestrebungen, den Getreidemarkt bestimmten händ¬
lerischen Richtungen dienstbar zu machen, heute schon sehr weit gediehen?

Man verstehe mich nicht falsch. Es konnte aus dem Vorstehenden gefolgert
werden, die Konkurrenz sei meines Erachtens grundsätzlich zu verwerfen, denn sie
führe mit innerer Notwendigkeit zum Monopol, und ich wolle daher die Staats¬
gewalt an die Stelle der freien wirtschaftlichen Bewegung setzen. Dies ist nicht
der Fall. Ich glaube nur, daß der Privatkonkurrenz das Feld nicht allein über¬
lassen werden und daß nicht ihre unbeschränkte Entfaltung gar noch mit künst¬
lichen Mitteln begünstigt werden soll, daß vielmehr der Staat selbst mit seiner
Gesetzgebung und Verwaltung und seiner eignen wirtschaftlichen Thätigkeit stets
regelnd, lenkend und berichtigend der Konkurrenz zur Seite stehen sollte, damit
sie nirgends fehle, nirgends über das wünschenswerte Maß hinausgehe und
nirgends unter allerhand Formen und Verkleidungen in ihr Gegenteil um¬
schlage. Die richtige Grenze hierbei zu finden ist eine so wichtige wie schwierige
Aufgabe der praktischen Staatsweisheit, über deren Erfüllung sich keine bestimmten
Regeln aufstellen lassen. Nur daran ist festzuhalten, daß die Privatkonknrrenz
nicht zu entbehren ist, daß man sie aber nicht allein wirtschaften lassen darf.

Umgekehrt verwahre ich mich auch dagegen, als betrachtete ich eine vollständig
entwickelte Konkurrenz unter den Handwerksmeistern als etwas notwendiges und
segensvolles. Natürlich muß sie auch hier vorhanden sein, wie sie ja auch uuter
der Herrschaft der mittelalterlichen Handwerksgeschlvssenheit vorhanden war; ein
kräftigeres Geltendmachen der Konkurrenz kann es sicherlich nicht geben, als solches
in dem Betriebe der Handwerke neben einander jedesmal in bestimmten, fast
nur von Angehörigen ein und desselben Gewerbes benutzten Gassen oder Stadt¬
teilen lag. Aber gerade hier ist es handgreiflich, in wie hohem Grade die
Konkurrenz statt zu einem Segen, zu einem Fluche für die betreffenden Geschäfts¬
treibenden werden kann. Von dem Tage an, an dem es gelang, die Hand¬
werker zu überreden, daß sie sich in erster Linie nicht als Genossen, sonder»
als Konkurrenten betrachten sollten, von dem Tage an war die Auflösung des
deutschen Handwerks eingeleitet, und alle seitdem gemachten verzweiflungs-
vollen Wiederbelebungsversuche haben mit der kaum überwindlichen Schwierigkeit
zu kämpfen, diese Vorstellung den Leuten wieder aus dem Kopfe zu treiben.
Ein neues deutsches Handwerk ist erst von dem Tage an möglich, an dem die
Handwerker selbst zu der Einsicht gekommen sind, daß sie sich in erster Linie
als Genossen, erst in zweiter als Konkurrenten zu betrachten haben!

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen. Die Konkurrenz stellt, insofern
sie die Einzelnen anspornt, in ihren Leistungen nicht hinter einander zurückzubleiben,
eine Reihe ebenso erfreulicher wie notwendiger Antriebe, und zwar nicht nur im
wirtschaftlichen Leben, sondern auch im gesamten geselligen und öffentlichen Ver¬
kehr der Menschen unter einander dar. Aber es ist ein gröblich einseitiger, vielen


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[0052] Die sogenannte Konkurrenz. Hauptsache nach von einem Mittelpunkte aus diktatorisch bestimmt wird. Sind nicht die Ansätze dazu, die Bestrebungen, den Getreidemarkt bestimmten händ¬ lerischen Richtungen dienstbar zu machen, heute schon sehr weit gediehen? Man verstehe mich nicht falsch. Es konnte aus dem Vorstehenden gefolgert werden, die Konkurrenz sei meines Erachtens grundsätzlich zu verwerfen, denn sie führe mit innerer Notwendigkeit zum Monopol, und ich wolle daher die Staats¬ gewalt an die Stelle der freien wirtschaftlichen Bewegung setzen. Dies ist nicht der Fall. Ich glaube nur, daß der Privatkonkurrenz das Feld nicht allein über¬ lassen werden und daß nicht ihre unbeschränkte Entfaltung gar noch mit künst¬ lichen Mitteln begünstigt werden soll, daß vielmehr der Staat selbst mit seiner Gesetzgebung und Verwaltung und seiner eignen wirtschaftlichen Thätigkeit stets regelnd, lenkend und berichtigend der Konkurrenz zur Seite stehen sollte, damit sie nirgends fehle, nirgends über das wünschenswerte Maß hinausgehe und nirgends unter allerhand Formen und Verkleidungen in ihr Gegenteil um¬ schlage. Die richtige Grenze hierbei zu finden ist eine so wichtige wie schwierige Aufgabe der praktischen Staatsweisheit, über deren Erfüllung sich keine bestimmten Regeln aufstellen lassen. Nur daran ist festzuhalten, daß die Privatkonknrrenz nicht zu entbehren ist, daß man sie aber nicht allein wirtschaften lassen darf. Umgekehrt verwahre ich mich auch dagegen, als betrachtete ich eine vollständig entwickelte Konkurrenz unter den Handwerksmeistern als etwas notwendiges und segensvolles. Natürlich muß sie auch hier vorhanden sein, wie sie ja auch uuter der Herrschaft der mittelalterlichen Handwerksgeschlvssenheit vorhanden war; ein kräftigeres Geltendmachen der Konkurrenz kann es sicherlich nicht geben, als solches in dem Betriebe der Handwerke neben einander jedesmal in bestimmten, fast nur von Angehörigen ein und desselben Gewerbes benutzten Gassen oder Stadt¬ teilen lag. Aber gerade hier ist es handgreiflich, in wie hohem Grade die Konkurrenz statt zu einem Segen, zu einem Fluche für die betreffenden Geschäfts¬ treibenden werden kann. Von dem Tage an, an dem es gelang, die Hand¬ werker zu überreden, daß sie sich in erster Linie nicht als Genossen, sonder» als Konkurrenten betrachten sollten, von dem Tage an war die Auflösung des deutschen Handwerks eingeleitet, und alle seitdem gemachten verzweiflungs- vollen Wiederbelebungsversuche haben mit der kaum überwindlichen Schwierigkeit zu kämpfen, diese Vorstellung den Leuten wieder aus dem Kopfe zu treiben. Ein neues deutsches Handwerk ist erst von dem Tage an möglich, an dem die Handwerker selbst zu der Einsicht gekommen sind, daß sie sich in erster Linie als Genossen, erst in zweiter als Konkurrenten zu betrachten haben! Fassen wir das Gesagte kurz zusammen. Die Konkurrenz stellt, insofern sie die Einzelnen anspornt, in ihren Leistungen nicht hinter einander zurückzubleiben, eine Reihe ebenso erfreulicher wie notwendiger Antriebe, und zwar nicht nur im wirtschaftlichen Leben, sondern auch im gesamten geselligen und öffentlichen Ver¬ kehr der Menschen unter einander dar. Aber es ist ein gröblich einseitiger, vielen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/52>, abgerufen am 28.09.2024.