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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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(I21/2 Millionen) wurden 3 300 382 Dollars an andre Bahnen für Pacht ihrer
Geleise gezahlt, 6 272 404 Dollars für Zinsen auf Prioritäten, sodaß der Rein¬
gewinn doch noch 2 857 267 Dollars betrug. In London streicht man mit
Vorliebe die erwähnten Zinszahlungen ein und rechnet so sicher auf den Sieg
Cvrbins über die Arbeiter, daß der Kurs der Prioritäten nur vorübergehend
unter 64 gesunken ist, während die Stammaktien fortwährend auf 34 stehen.
Eine nahezu ebenso große Jahreseinnahme wirft die rin der Bahn verbundene
Kohlengesellschaft ab, nämlich etwa 36 Millionen.

Welche Summen sich aus der Beherrschung des Kvhlenmarktes heraus¬
schlagen lassen, wird man nach der Größe des jetzigen jährlichen Verbrauchs,
der auf 36 Millionen Tonnen geschätzt wird, leicht berechnen können. Es ist
wiederholt vorgekommen, daß die vereinigten oder mit einander verschwornen
Kohlenbahnen den Preis der Tonne um 75 Cent bis zu einem Dollar ohne
weiteres, und zwar mitten im Winter, in die Höhe schraubten. Das bedeutet
nicht weniger als einen arbeitslosen Erwerb von 27 bis 36 Millionen Dollars
in einem einzigen Winter. Gelingt es, den Preis um zwei Dollars die Tonne
künstlich zu steigern, so fließt die enorme Summe von 72 Millionen Dollars
in die Taschen der Kohlenbahnen. Daß dies schamlose moderne Raubrittertum
so lange geduldet worden ist, daß namentlich in Pennsylvanien selbst keine erfolg¬
reiche Bekämpfung dieses nach dem englischen gemeinen Recht unzulässigen und
strafbaren Geschäftswuchers stattgefunden hat, ist vor allem der ungeheuern
Macht der Korruption zuzuschreiben, welche von feiten der großen Korpora¬
tionen auf die Gesetzgeber, auf die politischen Parteien, auf die Presse und selbst
auf die Gerichte seit Jahrzehnten ausgeübt wird.

Eben deshalb sind fast alle Gesetze, welche die Arbeiter mühsam von den
alten Parteien errungen haben, auf dem Papiere stehen geblieben. Die Furcht
der Arbeiter, welche der Aussetzung aus den Häusern der Kvhlenlords stets
gewärtig sein müssen, verhindert sie, von den Bestimmungen der Gesetze den
Nutzen zu ziehen, den sie daraus ziehen sollten. So erlaubt ihnen z. B. ein
Gesetz, einen eignen Wägemeister zu erwählen, um den der Gesellschaft zu kon-
troliren. Aber sie machen nicht allzu häusig Gebrauch von dieser wichtigen Be¬
fugnis, namentlich seitdem sie gesehen haben, daß es die Gesellschaft versteht,
auch trotz jenes Wägemeisters das Gewicht der in den Wagen befindlichen,
rasch über die Waage hinlaufende" Kohlen von ihren: Wägemeister nach Belieben
bestimmen zu lassen. Ebenso ist das Verbot der Beschäftigung von Kindern
unbeachtet geblieben. Die Eltern können ohne die Ausnutzung der Kinder nicht
bestehen. Ebenso ist das Gesetz umgangen, welches die monatliche Auszahlung
des Lohnes in Baargeld anbefiehlt. Bei der Abfassung der Mietsverträge wird
dafür gesorgt, daß auf die Wohlthat des Gesetzes ausdrücklicher Verzicht ge¬
leistet wird, d. h. daß die Gesellschaft, die zugleich Eigentümerin der Wohn¬
häuser ist, die fällige Monatsmiete, ebenso wie verschiedne andre Summen, sowie


(I21/2 Millionen) wurden 3 300 382 Dollars an andre Bahnen für Pacht ihrer
Geleise gezahlt, 6 272 404 Dollars für Zinsen auf Prioritäten, sodaß der Rein¬
gewinn doch noch 2 857 267 Dollars betrug. In London streicht man mit
Vorliebe die erwähnten Zinszahlungen ein und rechnet so sicher auf den Sieg
Cvrbins über die Arbeiter, daß der Kurs der Prioritäten nur vorübergehend
unter 64 gesunken ist, während die Stammaktien fortwährend auf 34 stehen.
Eine nahezu ebenso große Jahreseinnahme wirft die rin der Bahn verbundene
Kohlengesellschaft ab, nämlich etwa 36 Millionen.

Welche Summen sich aus der Beherrschung des Kvhlenmarktes heraus¬
schlagen lassen, wird man nach der Größe des jetzigen jährlichen Verbrauchs,
der auf 36 Millionen Tonnen geschätzt wird, leicht berechnen können. Es ist
wiederholt vorgekommen, daß die vereinigten oder mit einander verschwornen
Kohlenbahnen den Preis der Tonne um 75 Cent bis zu einem Dollar ohne
weiteres, und zwar mitten im Winter, in die Höhe schraubten. Das bedeutet
nicht weniger als einen arbeitslosen Erwerb von 27 bis 36 Millionen Dollars
in einem einzigen Winter. Gelingt es, den Preis um zwei Dollars die Tonne
künstlich zu steigern, so fließt die enorme Summe von 72 Millionen Dollars
in die Taschen der Kohlenbahnen. Daß dies schamlose moderne Raubrittertum
so lange geduldet worden ist, daß namentlich in Pennsylvanien selbst keine erfolg¬
reiche Bekämpfung dieses nach dem englischen gemeinen Recht unzulässigen und
strafbaren Geschäftswuchers stattgefunden hat, ist vor allem der ungeheuern
Macht der Korruption zuzuschreiben, welche von feiten der großen Korpora¬
tionen auf die Gesetzgeber, auf die politischen Parteien, auf die Presse und selbst
auf die Gerichte seit Jahrzehnten ausgeübt wird.

Eben deshalb sind fast alle Gesetze, welche die Arbeiter mühsam von den
alten Parteien errungen haben, auf dem Papiere stehen geblieben. Die Furcht
der Arbeiter, welche der Aussetzung aus den Häusern der Kvhlenlords stets
gewärtig sein müssen, verhindert sie, von den Bestimmungen der Gesetze den
Nutzen zu ziehen, den sie daraus ziehen sollten. So erlaubt ihnen z. B. ein
Gesetz, einen eignen Wägemeister zu erwählen, um den der Gesellschaft zu kon-
troliren. Aber sie machen nicht allzu häusig Gebrauch von dieser wichtigen Be¬
fugnis, namentlich seitdem sie gesehen haben, daß es die Gesellschaft versteht,
auch trotz jenes Wägemeisters das Gewicht der in den Wagen befindlichen,
rasch über die Waage hinlaufende» Kohlen von ihren: Wägemeister nach Belieben
bestimmen zu lassen. Ebenso ist das Verbot der Beschäftigung von Kindern
unbeachtet geblieben. Die Eltern können ohne die Ausnutzung der Kinder nicht
bestehen. Ebenso ist das Gesetz umgangen, welches die monatliche Auszahlung
des Lohnes in Baargeld anbefiehlt. Bei der Abfassung der Mietsverträge wird
dafür gesorgt, daß auf die Wohlthat des Gesetzes ausdrücklicher Verzicht ge¬
leistet wird, d. h. daß die Gesellschaft, die zugleich Eigentümerin der Wohn¬
häuser ist, die fällige Monatsmiete, ebenso wie verschiedne andre Summen, sowie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/500>, abgerufen am 27.06.2024.