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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Arbeiteransstcmde in dein Steinkohlenbecken Pennsylvaniens.

von Bahnarbeitern -- zu trennen und zu spalten, um dennoch schließlich zum
Ziele zu kommen. Der ?ock HsrM erkennt dem Kampfe einen so kritischen,
so bedeutsamen Charakter zu, daß er sämtliche Kongreßmitglieder um ihre
Meinung befragen ließ. Natürlich hat er meist ausweichende Antworten er¬
halten. 168 Abgeordnete haben sich merkwürdigerweise noch gar keine Ansicht
gebildet, 127 wollen es weder mit dem Großkapital noch mit den Arbeitern
verderben. Ihre Äußerung ist daher nicht gehauen und nicht gestochen. Nur
6 Senatoren und 64 Abgeordnete wagen es, eine bestimmte Ansicht zu haben,
und zwar verdammen 2 Senatoren und 20 Abgeordnete die Aufstände und
die Arbeitervcrbindungcn. während nur 4 Senatoren und 44 Abgeordnete den
Mut haben, offen auf die Seite der Ausstehenden zu treten.

Der Aufstand hat sich mittlerweile in Schuylkill County auf die im Besitz
Einzelner befindlichen Kohlenzechen ausgedehnt, sodaß die Förderung von Kohlen
in diesem Bezirk völlig eingestellt ist. Die Reading-Bahn sieht ihr Frachtgeschäft
so vermindert, daß sie zu Entlassungen von Verladern u. s. w. in Massen zu
schreiten gezwungen war -- eine neue Vermehrung des Heeres der feiernden
Arbeiter, eine neue Steigerung der Notlage der von den Arbeitern lebenden
kleinen Handwerker, Geschäftsleute und Ladenbesitzer.

Von großem Vorteil für die Aufständischen ist der Umstand, daß in
Wyoming County. dem dritten großen Hartkohlendistrikte Pennsylvaniens. die
Grubenlente ihre Arbeit ununterbrochen fortsetzen und dadurch imstande sind,
den Kameraden in Schuylkill County kräftige Hilfe und Unterstützung zu leisten.
Gleichzeitig thun sie auch dem Geschäft der Reading-Bahn unmittelbar Abbruch,
indem sie denjenigen Zechenbesitzern, welche ihre Kohlen durch die Reading-Bahn
nach den Küstenplätzen befördern lassen, mit Einstellung der Arbeit drohen. Sie
zwingen sie dadurch, die Fracht der uicht überall so nahe gelegenen Pennsyl¬
vania-Bahn zu übergeben, welche seit längerer Zeit nicht mehr mit der Readinger
und den übrigen Kohlenbahnen an einem Strange zieht. Auch die Bande der
Reading-Bahn mit den übrigen Mitverschwornen, der Delaware-, Lackawanna-
und Western-, der Delaware- und Hudson- und der Lehigh-Valley-Bahn scheinen
gelockert. Das zwischen ihnen bestehende Übereinkommen in Bezug auf Förderung
und Beförderung von Kohlen ist aufgelöst. Jedes Glied der Kohlenbahucnkette
ist nur auf die eigne Rettung bedacht. Dazu kommt die unbedingte Notwen¬
digkeit für die Reading-Bahn, mittels einer Riesenanlcihe von hundert Millionen
vierprozentiger Prioritäten die jetzt auf der Bahn und auf den Kohlenlagern
vorhandne Hypothekculast nebst rückständigen Zinsen abzutragen, und dadurch
ihre" Kredit auf dem Geldmärkte, namentlich dem Londoner, neu zu befestige".

Es handelt sich um die weitere Sicherung eines Ausbeutungsgeschäfts von
großartigem Umfange. Die Reading-Bahn hat in dem mit dem letzten November
1887 endenden Jahre über 41 Millionen Dollars eingenommen, während die
Betriebskosten sich beinahe auf 29 Millionen beliefen. Von dem Überschuß


Die Arbeiteransstcmde in dein Steinkohlenbecken Pennsylvaniens.

von Bahnarbeitern — zu trennen und zu spalten, um dennoch schließlich zum
Ziele zu kommen. Der ?ock HsrM erkennt dem Kampfe einen so kritischen,
so bedeutsamen Charakter zu, daß er sämtliche Kongreßmitglieder um ihre
Meinung befragen ließ. Natürlich hat er meist ausweichende Antworten er¬
halten. 168 Abgeordnete haben sich merkwürdigerweise noch gar keine Ansicht
gebildet, 127 wollen es weder mit dem Großkapital noch mit den Arbeitern
verderben. Ihre Äußerung ist daher nicht gehauen und nicht gestochen. Nur
6 Senatoren und 64 Abgeordnete wagen es, eine bestimmte Ansicht zu haben,
und zwar verdammen 2 Senatoren und 20 Abgeordnete die Aufstände und
die Arbeitervcrbindungcn. während nur 4 Senatoren und 44 Abgeordnete den
Mut haben, offen auf die Seite der Ausstehenden zu treten.

Der Aufstand hat sich mittlerweile in Schuylkill County auf die im Besitz
Einzelner befindlichen Kohlenzechen ausgedehnt, sodaß die Förderung von Kohlen
in diesem Bezirk völlig eingestellt ist. Die Reading-Bahn sieht ihr Frachtgeschäft
so vermindert, daß sie zu Entlassungen von Verladern u. s. w. in Massen zu
schreiten gezwungen war — eine neue Vermehrung des Heeres der feiernden
Arbeiter, eine neue Steigerung der Notlage der von den Arbeitern lebenden
kleinen Handwerker, Geschäftsleute und Ladenbesitzer.

Von großem Vorteil für die Aufständischen ist der Umstand, daß in
Wyoming County. dem dritten großen Hartkohlendistrikte Pennsylvaniens. die
Grubenlente ihre Arbeit ununterbrochen fortsetzen und dadurch imstande sind,
den Kameraden in Schuylkill County kräftige Hilfe und Unterstützung zu leisten.
Gleichzeitig thun sie auch dem Geschäft der Reading-Bahn unmittelbar Abbruch,
indem sie denjenigen Zechenbesitzern, welche ihre Kohlen durch die Reading-Bahn
nach den Küstenplätzen befördern lassen, mit Einstellung der Arbeit drohen. Sie
zwingen sie dadurch, die Fracht der uicht überall so nahe gelegenen Pennsyl¬
vania-Bahn zu übergeben, welche seit längerer Zeit nicht mehr mit der Readinger
und den übrigen Kohlenbahnen an einem Strange zieht. Auch die Bande der
Reading-Bahn mit den übrigen Mitverschwornen, der Delaware-, Lackawanna-
und Western-, der Delaware- und Hudson- und der Lehigh-Valley-Bahn scheinen
gelockert. Das zwischen ihnen bestehende Übereinkommen in Bezug auf Förderung
und Beförderung von Kohlen ist aufgelöst. Jedes Glied der Kohlenbahucnkette
ist nur auf die eigne Rettung bedacht. Dazu kommt die unbedingte Notwen¬
digkeit für die Reading-Bahn, mittels einer Riesenanlcihe von hundert Millionen
vierprozentiger Prioritäten die jetzt auf der Bahn und auf den Kohlenlagern
vorhandne Hypothekculast nebst rückständigen Zinsen abzutragen, und dadurch
ihre« Kredit auf dem Geldmärkte, namentlich dem Londoner, neu zu befestige».

Es handelt sich um die weitere Sicherung eines Ausbeutungsgeschäfts von
großartigem Umfange. Die Reading-Bahn hat in dem mit dem letzten November
1887 endenden Jahre über 41 Millionen Dollars eingenommen, während die
Betriebskosten sich beinahe auf 29 Millionen beliefen. Von dem Überschuß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/499>, abgerufen am 27.06.2024.