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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die' sogenannte Konkurrenz.

gewöhnlich schnell erreicht ist; weiterhin ist aber nicht zu vergessen, daß Zunahme
der Konkurrenz keineswegs gleichbedeutend ist mit Verbesserung der dargebotenen
Leistungen. Es kann auch vorkommen und kommt thatsächlich fortwährend vor,
daß eine deutlich wahrnehmbare Folge steigender Konkurrenz in zunehmender
Verschlechterung besteht. Einerseits kann dies schon dadurch geschehen, daß der
Konknrrenzdruck sonst tüchtige und eifrige Leute entmutigt, oder sie durch Be¬
schränkung der Nachfrage außer Stand setzt, sich mit guten Materialien aus¬
zurüsten, bei Gelegenheit auf Vorrat zu arbeiten und ähnliches, oder daß ein
derartiger Fall eintritt, wie wir ihn eingangs geschildert haben. Häufiger
dürfte jedoch der andre Fall sein, wo der eine Konkurrent durch Verschlechterung
der Waare größere Billigkeit und infolge hiervon stärkeren Zuspruch herbei¬
zuführen sucht; dies ist etwas derart häufiges, ja allgemeines, daß es in ge¬
wissem Sinne fast als die Regel bezeichnet werden kann, und daß sehr oft sogar
der eine unreelle Konkurrent schließlich alle übrigen auf den nämlichen Weg
zwingt und so die Konkurrenz recht eigentlich der Grund einer fortschreitenden
Verschlechterung wird. Zunächst pflegt man diese Verschlechterung -- die sich
übrigens sehr oft auch als eine Verminderung der Menge darstellt -- in einer
äußerlich unmerklichen Weise vorzunehmen, wobei daraus gerechnet wird, daß
das Publikum nicht jede Kleinigkeit genau nachmessen, nachwiegen oder sonst
prüfen werde; dann geht man Wohl einen Schritt weiter und benutzt die Neigung
des Publikums zur Billigkeit, um geringwertigere Stoffe zur Verwendung zu
bringen und infolge dessen den Preis herabzusetzen, oder man rechnet umgekehrt
auf die Prunksucht des Publikums und verkauft ihm billige, aber dem äußern
Scheine nach "etwas vorstellende" Artikel; endlich, und zwar gewöhnlich ziemlich
schnell, findet man den Mut, diese oder jene Verminderung der Güte oder
Menge als "gcschäftsüblich" zu bezeichnen und sich nun vor nichts mehr zu
scheuen, am wenigsten vor der Vorstellung, daß doch alles seine Grenze haben
müsse. Nein, die Erfindungsgabe, mit welcher der Konkurrent anscheinend
billigere oder anscheinend schönere Artikel auf Kosten ihres wirklichen Wertes
herzustellen weiß, hat keine Grenze, und insofern kann man ebensogut wie von
einem stetigen Fortschritte auch von einem unendlichen Verschlechteruugsprozesse
sprechen, der im Gefolge und unter den Antrieben der Konkurrenz stattfinde.
Gewiß wird niemand bestreiten wollen, daß die Konkurrenz in unzähligen Fällen
auch Besseres, innerlich Wertvolleres oder Schöneres oder Zweckmäßigeres her¬
stellt, aber daß neben dieser Entwicklung überall auch die andre herläuft, die
Gunst der Käufer durch Täuschung oder durch Benutzung ihrer Prunksucht in
Abrede stellen.

Wir kommen zum zweiten Punkte: zu der Unmöglichkeit, nur durch die
Mittel der Konkurrenz etwas hervorzurufen, was nicht da ist. Wer den Rhein
auf einem der herrlichen modernen Salondampfer hinaufgefahren ist und hierbei
nicht nur unzähligen andern kleinen und großen Dampfschiffen begegnete, sondern


Grenzboten I. 1388. 6
Die' sogenannte Konkurrenz.

gewöhnlich schnell erreicht ist; weiterhin ist aber nicht zu vergessen, daß Zunahme
der Konkurrenz keineswegs gleichbedeutend ist mit Verbesserung der dargebotenen
Leistungen. Es kann auch vorkommen und kommt thatsächlich fortwährend vor,
daß eine deutlich wahrnehmbare Folge steigender Konkurrenz in zunehmender
Verschlechterung besteht. Einerseits kann dies schon dadurch geschehen, daß der
Konknrrenzdruck sonst tüchtige und eifrige Leute entmutigt, oder sie durch Be¬
schränkung der Nachfrage außer Stand setzt, sich mit guten Materialien aus¬
zurüsten, bei Gelegenheit auf Vorrat zu arbeiten und ähnliches, oder daß ein
derartiger Fall eintritt, wie wir ihn eingangs geschildert haben. Häufiger
dürfte jedoch der andre Fall sein, wo der eine Konkurrent durch Verschlechterung
der Waare größere Billigkeit und infolge hiervon stärkeren Zuspruch herbei¬
zuführen sucht; dies ist etwas derart häufiges, ja allgemeines, daß es in ge¬
wissem Sinne fast als die Regel bezeichnet werden kann, und daß sehr oft sogar
der eine unreelle Konkurrent schließlich alle übrigen auf den nämlichen Weg
zwingt und so die Konkurrenz recht eigentlich der Grund einer fortschreitenden
Verschlechterung wird. Zunächst pflegt man diese Verschlechterung — die sich
übrigens sehr oft auch als eine Verminderung der Menge darstellt — in einer
äußerlich unmerklichen Weise vorzunehmen, wobei daraus gerechnet wird, daß
das Publikum nicht jede Kleinigkeit genau nachmessen, nachwiegen oder sonst
prüfen werde; dann geht man Wohl einen Schritt weiter und benutzt die Neigung
des Publikums zur Billigkeit, um geringwertigere Stoffe zur Verwendung zu
bringen und infolge dessen den Preis herabzusetzen, oder man rechnet umgekehrt
auf die Prunksucht des Publikums und verkauft ihm billige, aber dem äußern
Scheine nach „etwas vorstellende" Artikel; endlich, und zwar gewöhnlich ziemlich
schnell, findet man den Mut, diese oder jene Verminderung der Güte oder
Menge als „gcschäftsüblich" zu bezeichnen und sich nun vor nichts mehr zu
scheuen, am wenigsten vor der Vorstellung, daß doch alles seine Grenze haben
müsse. Nein, die Erfindungsgabe, mit welcher der Konkurrent anscheinend
billigere oder anscheinend schönere Artikel auf Kosten ihres wirklichen Wertes
herzustellen weiß, hat keine Grenze, und insofern kann man ebensogut wie von
einem stetigen Fortschritte auch von einem unendlichen Verschlechteruugsprozesse
sprechen, der im Gefolge und unter den Antrieben der Konkurrenz stattfinde.
Gewiß wird niemand bestreiten wollen, daß die Konkurrenz in unzähligen Fällen
auch Besseres, innerlich Wertvolleres oder Schöneres oder Zweckmäßigeres her¬
stellt, aber daß neben dieser Entwicklung überall auch die andre herläuft, die
Gunst der Käufer durch Täuschung oder durch Benutzung ihrer Prunksucht in
Abrede stellen.

Wir kommen zum zweiten Punkte: zu der Unmöglichkeit, nur durch die
Mittel der Konkurrenz etwas hervorzurufen, was nicht da ist. Wer den Rhein
auf einem der herrlichen modernen Salondampfer hinaufgefahren ist und hierbei
nicht nur unzähligen andern kleinen und großen Dampfschiffen begegnete, sondern


Grenzboten I. 1388. 6
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[0049] Die' sogenannte Konkurrenz. gewöhnlich schnell erreicht ist; weiterhin ist aber nicht zu vergessen, daß Zunahme der Konkurrenz keineswegs gleichbedeutend ist mit Verbesserung der dargebotenen Leistungen. Es kann auch vorkommen und kommt thatsächlich fortwährend vor, daß eine deutlich wahrnehmbare Folge steigender Konkurrenz in zunehmender Verschlechterung besteht. Einerseits kann dies schon dadurch geschehen, daß der Konknrrenzdruck sonst tüchtige und eifrige Leute entmutigt, oder sie durch Be¬ schränkung der Nachfrage außer Stand setzt, sich mit guten Materialien aus¬ zurüsten, bei Gelegenheit auf Vorrat zu arbeiten und ähnliches, oder daß ein derartiger Fall eintritt, wie wir ihn eingangs geschildert haben. Häufiger dürfte jedoch der andre Fall sein, wo der eine Konkurrent durch Verschlechterung der Waare größere Billigkeit und infolge hiervon stärkeren Zuspruch herbei¬ zuführen sucht; dies ist etwas derart häufiges, ja allgemeines, daß es in ge¬ wissem Sinne fast als die Regel bezeichnet werden kann, und daß sehr oft sogar der eine unreelle Konkurrent schließlich alle übrigen auf den nämlichen Weg zwingt und so die Konkurrenz recht eigentlich der Grund einer fortschreitenden Verschlechterung wird. Zunächst pflegt man diese Verschlechterung — die sich übrigens sehr oft auch als eine Verminderung der Menge darstellt — in einer äußerlich unmerklichen Weise vorzunehmen, wobei daraus gerechnet wird, daß das Publikum nicht jede Kleinigkeit genau nachmessen, nachwiegen oder sonst prüfen werde; dann geht man Wohl einen Schritt weiter und benutzt die Neigung des Publikums zur Billigkeit, um geringwertigere Stoffe zur Verwendung zu bringen und infolge dessen den Preis herabzusetzen, oder man rechnet umgekehrt auf die Prunksucht des Publikums und verkauft ihm billige, aber dem äußern Scheine nach „etwas vorstellende" Artikel; endlich, und zwar gewöhnlich ziemlich schnell, findet man den Mut, diese oder jene Verminderung der Güte oder Menge als „gcschäftsüblich" zu bezeichnen und sich nun vor nichts mehr zu scheuen, am wenigsten vor der Vorstellung, daß doch alles seine Grenze haben müsse. Nein, die Erfindungsgabe, mit welcher der Konkurrent anscheinend billigere oder anscheinend schönere Artikel auf Kosten ihres wirklichen Wertes herzustellen weiß, hat keine Grenze, und insofern kann man ebensogut wie von einem stetigen Fortschritte auch von einem unendlichen Verschlechteruugsprozesse sprechen, der im Gefolge und unter den Antrieben der Konkurrenz stattfinde. Gewiß wird niemand bestreiten wollen, daß die Konkurrenz in unzähligen Fällen auch Besseres, innerlich Wertvolleres oder Schöneres oder Zweckmäßigeres her¬ stellt, aber daß neben dieser Entwicklung überall auch die andre herläuft, die Gunst der Käufer durch Täuschung oder durch Benutzung ihrer Prunksucht in Abrede stellen. Wir kommen zum zweiten Punkte: zu der Unmöglichkeit, nur durch die Mittel der Konkurrenz etwas hervorzurufen, was nicht da ist. Wer den Rhein auf einem der herrlichen modernen Salondampfer hinaufgefahren ist und hierbei nicht nur unzähligen andern kleinen und großen Dampfschiffen begegnete, sondern Grenzboten I. 1388. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/49>, abgerufen am 28.09.2024.