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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte Konkurrenz.

nehmbar; es fehlte nur noch, daß die Herren "Portiers" und Hausknechte sich
um die Fremden prügelten, und aus Anlaß der vorherigen telegraphischen
Anmeldungen verschiedner eben eingetroffenen Personen fanden die widerwär¬
tigsten Auftritte statt. Wer aber nun die Hoffnung hegte, diese energische
"Konkurrenz" werde nun auch in dem Preise und in der Güte des Gebotenen
ihren Ausdruck finden, dem wurde eine arge Enttäuschung zu Teil, denn alles
war teurer und schlechter geworden. Die Sache war so auffallend, daß ich
mich bei dem Direktor des alten Gasthauses erkundigte, und von diesem erhielt
ich folgende Auskunft: es sei vollkommen richtig, daß das Gasthaus heute weder
hinsichtlich der Preise noch hinsichtlich der Speisen ?c. noch dasselbe leisten
könne, wie vor Eintritt der Konkurrenz, und dies sei auch ganz natürlich; denn
damals habe man (infolge der telegraphischen Benachrichtigungen aus Luzern
u. a. O.) wenn auch keine genau zutreffenden, so doch starke und bei Anwendung
eines erfahrungsmäßigen Maßstabes im allgemeinen hinreichende Anhaltepunkte
dafür gehabt, wie viele Fremde eintreffen würden, und habe sich darauf ein¬
richten können, jetzt aber flehe man eben wie jeder andre Gasthof einem im
voraus nicht übersehbaren Zufallsbedürfuis gegenüber, und müsse sich mit der
Art der Vorräte, sowie mit den Preisen daraufhin einrichten. Ich weiß nicht,
ob anderswo, z. B. auf dem Axenstein, ähnliche Beobachtungen gemacht worden
sind; aber die Sache erschien mir im höchsten Maße wahrscheinlich und mit den
an Ort und Stelle zu machenden Beobachtungen durchaus vereinbar, und würde,
wenn sie Bestätigung fände, ein lehrreiches Beispiel dafür darbieten, daß die
"Konkurrenz" geradezu eine Verschlechterung in den Diensten, die dem Publikum
geleistet werden sollen, zur Folge haben kann.

In der That ist lange Zeit die "Konkurrenz" in so ausgedehnter, schranken¬
loser Weise als der Stein der Weisen im wirtschaftlichen Leben gepriesen worden,
daß es der Mühe lohnt, die Frage aufzuwerfen, ob die angeblichen Segnungen
derselben nicht ihre Grenze und sogar grundsätzlich ihre zwei Seiten haben. Es
ist ja richtig: sie ist eine Macht, ohne die der wirtschaftliche Fortschritt in jeder
Gestalt einen seiner stärksten Antriebe verlieren würde, und dessen gewaltiger
Einfluß auf eine stetige Entwicklung zu besseren und größeren Leistungen sich
auf Schritt und Tritt beobachten läßt. Aber sie ist schließlich nicht die alleinige
Macht. Wir glauben nicht, daß irgend eine Verbesserung unterbleiben würde,
wenn die Konkurrenz fehlte, sondern sie würde sich wohl nur langsamer voll¬
ziehen. Die einseitige Lobpreisung und Begünstigung der Konkurrenz aber hat
gewisse ganz bestimmte Nachteile großgezogen, und hat das Publikum dagegen
verblendet, daß alle Konkurrenz über einen gewissen Punkt hinaus nichts helfen,
daß sie überhaupt selbstthätig nichts schaffen kann, sondern stets an dem Gegebenen
haften bleibt. Endlich hat die Erfahrung inzwischen gezeigt, daß die Konkurrenz
von einem gewissen Punkte ab eine bedenkliche Neigung zeigt, in ihr Gegenteil,
das Monopol, umzuschlagen. Diese drei Gesichtspunkte: die künstliche Steigerung


Die sogenannte Konkurrenz.

nehmbar; es fehlte nur noch, daß die Herren „Portiers" und Hausknechte sich
um die Fremden prügelten, und aus Anlaß der vorherigen telegraphischen
Anmeldungen verschiedner eben eingetroffenen Personen fanden die widerwär¬
tigsten Auftritte statt. Wer aber nun die Hoffnung hegte, diese energische
„Konkurrenz" werde nun auch in dem Preise und in der Güte des Gebotenen
ihren Ausdruck finden, dem wurde eine arge Enttäuschung zu Teil, denn alles
war teurer und schlechter geworden. Die Sache war so auffallend, daß ich
mich bei dem Direktor des alten Gasthauses erkundigte, und von diesem erhielt
ich folgende Auskunft: es sei vollkommen richtig, daß das Gasthaus heute weder
hinsichtlich der Preise noch hinsichtlich der Speisen ?c. noch dasselbe leisten
könne, wie vor Eintritt der Konkurrenz, und dies sei auch ganz natürlich; denn
damals habe man (infolge der telegraphischen Benachrichtigungen aus Luzern
u. a. O.) wenn auch keine genau zutreffenden, so doch starke und bei Anwendung
eines erfahrungsmäßigen Maßstabes im allgemeinen hinreichende Anhaltepunkte
dafür gehabt, wie viele Fremde eintreffen würden, und habe sich darauf ein¬
richten können, jetzt aber flehe man eben wie jeder andre Gasthof einem im
voraus nicht übersehbaren Zufallsbedürfuis gegenüber, und müsse sich mit der
Art der Vorräte, sowie mit den Preisen daraufhin einrichten. Ich weiß nicht,
ob anderswo, z. B. auf dem Axenstein, ähnliche Beobachtungen gemacht worden
sind; aber die Sache erschien mir im höchsten Maße wahrscheinlich und mit den
an Ort und Stelle zu machenden Beobachtungen durchaus vereinbar, und würde,
wenn sie Bestätigung fände, ein lehrreiches Beispiel dafür darbieten, daß die
„Konkurrenz" geradezu eine Verschlechterung in den Diensten, die dem Publikum
geleistet werden sollen, zur Folge haben kann.

In der That ist lange Zeit die „Konkurrenz" in so ausgedehnter, schranken¬
loser Weise als der Stein der Weisen im wirtschaftlichen Leben gepriesen worden,
daß es der Mühe lohnt, die Frage aufzuwerfen, ob die angeblichen Segnungen
derselben nicht ihre Grenze und sogar grundsätzlich ihre zwei Seiten haben. Es
ist ja richtig: sie ist eine Macht, ohne die der wirtschaftliche Fortschritt in jeder
Gestalt einen seiner stärksten Antriebe verlieren würde, und dessen gewaltiger
Einfluß auf eine stetige Entwicklung zu besseren und größeren Leistungen sich
auf Schritt und Tritt beobachten läßt. Aber sie ist schließlich nicht die alleinige
Macht. Wir glauben nicht, daß irgend eine Verbesserung unterbleiben würde,
wenn die Konkurrenz fehlte, sondern sie würde sich wohl nur langsamer voll¬
ziehen. Die einseitige Lobpreisung und Begünstigung der Konkurrenz aber hat
gewisse ganz bestimmte Nachteile großgezogen, und hat das Publikum dagegen
verblendet, daß alle Konkurrenz über einen gewissen Punkt hinaus nichts helfen,
daß sie überhaupt selbstthätig nichts schaffen kann, sondern stets an dem Gegebenen
haften bleibt. Endlich hat die Erfahrung inzwischen gezeigt, daß die Konkurrenz
von einem gewissen Punkte ab eine bedenkliche Neigung zeigt, in ihr Gegenteil,
das Monopol, umzuschlagen. Diese drei Gesichtspunkte: die künstliche Steigerung


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[0047] Die sogenannte Konkurrenz. nehmbar; es fehlte nur noch, daß die Herren „Portiers" und Hausknechte sich um die Fremden prügelten, und aus Anlaß der vorherigen telegraphischen Anmeldungen verschiedner eben eingetroffenen Personen fanden die widerwär¬ tigsten Auftritte statt. Wer aber nun die Hoffnung hegte, diese energische „Konkurrenz" werde nun auch in dem Preise und in der Güte des Gebotenen ihren Ausdruck finden, dem wurde eine arge Enttäuschung zu Teil, denn alles war teurer und schlechter geworden. Die Sache war so auffallend, daß ich mich bei dem Direktor des alten Gasthauses erkundigte, und von diesem erhielt ich folgende Auskunft: es sei vollkommen richtig, daß das Gasthaus heute weder hinsichtlich der Preise noch hinsichtlich der Speisen ?c. noch dasselbe leisten könne, wie vor Eintritt der Konkurrenz, und dies sei auch ganz natürlich; denn damals habe man (infolge der telegraphischen Benachrichtigungen aus Luzern u. a. O.) wenn auch keine genau zutreffenden, so doch starke und bei Anwendung eines erfahrungsmäßigen Maßstabes im allgemeinen hinreichende Anhaltepunkte dafür gehabt, wie viele Fremde eintreffen würden, und habe sich darauf ein¬ richten können, jetzt aber flehe man eben wie jeder andre Gasthof einem im voraus nicht übersehbaren Zufallsbedürfuis gegenüber, und müsse sich mit der Art der Vorräte, sowie mit den Preisen daraufhin einrichten. Ich weiß nicht, ob anderswo, z. B. auf dem Axenstein, ähnliche Beobachtungen gemacht worden sind; aber die Sache erschien mir im höchsten Maße wahrscheinlich und mit den an Ort und Stelle zu machenden Beobachtungen durchaus vereinbar, und würde, wenn sie Bestätigung fände, ein lehrreiches Beispiel dafür darbieten, daß die „Konkurrenz" geradezu eine Verschlechterung in den Diensten, die dem Publikum geleistet werden sollen, zur Folge haben kann. In der That ist lange Zeit die „Konkurrenz" in so ausgedehnter, schranken¬ loser Weise als der Stein der Weisen im wirtschaftlichen Leben gepriesen worden, daß es der Mühe lohnt, die Frage aufzuwerfen, ob die angeblichen Segnungen derselben nicht ihre Grenze und sogar grundsätzlich ihre zwei Seiten haben. Es ist ja richtig: sie ist eine Macht, ohne die der wirtschaftliche Fortschritt in jeder Gestalt einen seiner stärksten Antriebe verlieren würde, und dessen gewaltiger Einfluß auf eine stetige Entwicklung zu besseren und größeren Leistungen sich auf Schritt und Tritt beobachten läßt. Aber sie ist schließlich nicht die alleinige Macht. Wir glauben nicht, daß irgend eine Verbesserung unterbleiben würde, wenn die Konkurrenz fehlte, sondern sie würde sich wohl nur langsamer voll¬ ziehen. Die einseitige Lobpreisung und Begünstigung der Konkurrenz aber hat gewisse ganz bestimmte Nachteile großgezogen, und hat das Publikum dagegen verblendet, daß alle Konkurrenz über einen gewissen Punkt hinaus nichts helfen, daß sie überhaupt selbstthätig nichts schaffen kann, sondern stets an dem Gegebenen haften bleibt. Endlich hat die Erfahrung inzwischen gezeigt, daß die Konkurrenz von einem gewissen Punkte ab eine bedenkliche Neigung zeigt, in ihr Gegenteil, das Monopol, umzuschlagen. Diese drei Gesichtspunkte: die künstliche Steigerung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/47>, abgerufen am 21.06.2024.