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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

gessen, an Gutes und Gottes Hilfe glauben. Weise mich nicht zurück, stoße
mich nicht von dir, denn meine Worte werden lieblich in deinen Ohren klingen,
und dein Herz wird mir noch danken.

Welche Nachricht könnte noch lieblich in meinen Ohren klingen? fragte
Rebekka bitter. Nur die Gewißheit, daß auch ich jetzt sterben würde, könnte
mir freudig klingen.

Versündige dich nicht, rief Jeschka. So lange Gott dir das Leben noch
läßt, ist es ein wertvolles Geschenk. Aber ich bin müde -- sie sank auf den
Stein nieder, auf dem Rebekka gesessen hatte. Sie mußte weit gewandert sein.
Ihr Gewand war staubig und beschmutzt, ihr Antlitz verbrannt, und sie seufzte
tief auf, als sie sich setzte.

Woher kommst du? fragte Rebekka mißtrauisch. Wohin seid ihr gewandert,
wo hast du seither gelebt?

Ich will dir alles sagen, aber antworte mir erst. Jeschka faßte Rebekkcis
Gewand, damit sie nicht forteile, und hob feierlich beschwörend die andre Hand.
Wenn dein Sohn jetzt wieder vor dir stünde, würdest du ihm verzeihen, würdest
dn den Fluch vou seinem Haupte nehmen?

Nebckkas Busen wogte, ihr Atem ging schnell, eine seltsame Unruhe befiel
sie. Sie konnte ihre Augen nicht von Jeschkas ernstem, von einer innern Er¬
regung verklärtem Gesichte abwenden.

Warum fragst du? Was willst du, was sollen deine Worte? stammelte
sie mit bebenden Lippen, indes ihr Herz vor Bewegung heftig pochte.

Rebekka! Ist dir dein Sohn lieber tot, oder willst du, daß er lebe, wenn
auch in einem andern Glauben?

Mein Sohn -- leben? flüsterte Rebekka tonlos, mit weit offnen Augen
Jeschka wild anstarrend. Leben! rief sie dann, plötzlich wie in einem heftigen
Schmerze aufschreiend. O, gieb ihn mir zurück, und ich will dich segnen und
dir dienen, so lange ich lebe. Laß meine Augen ihn noch einmal sehen, meine
Arme ihn noch einmal umfangen! Mein David, mein Kind! Wozu quälst du
mich, Tochter der Ungläubigen? wendete sie sich mit funkelnden Augen zu den:
Mädchen. Hebe dich weg!

Nimmst du den Fluch von seinem Haupte? fragte Jeschka, sie fest ansehend,
mit lauter, starker Stimme.

Den Fluch? wiederholte Rebekka. Dann blickte sie Jeschka wie abwesend
an, schauerte zusammen und sagte stockend: Jedes Wort würde ich in eine
Segcnsbitte verwandeln. Aber was soll das? Ist dir mein Elend noch nicht
groß genug? Haben wir dir je Böses gethan, daß du herkommst, um über unser
Unglück zu frohlocken?

Rebekka! Ich bringe dir große Freude, mache dein Herz stark, daß es nicht
erliege! sagte Jeschka schnell. Flehe zu dem barmherzigen Gotte, an den wir
alle glauben, daß er dich aufrecht halte und dich lehre, das Rechte zu thun.


David Beronski.

gessen, an Gutes und Gottes Hilfe glauben. Weise mich nicht zurück, stoße
mich nicht von dir, denn meine Worte werden lieblich in deinen Ohren klingen,
und dein Herz wird mir noch danken.

Welche Nachricht könnte noch lieblich in meinen Ohren klingen? fragte
Rebekka bitter. Nur die Gewißheit, daß auch ich jetzt sterben würde, könnte
mir freudig klingen.

Versündige dich nicht, rief Jeschka. So lange Gott dir das Leben noch
läßt, ist es ein wertvolles Geschenk. Aber ich bin müde — sie sank auf den
Stein nieder, auf dem Rebekka gesessen hatte. Sie mußte weit gewandert sein.
Ihr Gewand war staubig und beschmutzt, ihr Antlitz verbrannt, und sie seufzte
tief auf, als sie sich setzte.

Woher kommst du? fragte Rebekka mißtrauisch. Wohin seid ihr gewandert,
wo hast du seither gelebt?

Ich will dir alles sagen, aber antworte mir erst. Jeschka faßte Rebekkcis
Gewand, damit sie nicht forteile, und hob feierlich beschwörend die andre Hand.
Wenn dein Sohn jetzt wieder vor dir stünde, würdest du ihm verzeihen, würdest
dn den Fluch vou seinem Haupte nehmen?

Nebckkas Busen wogte, ihr Atem ging schnell, eine seltsame Unruhe befiel
sie. Sie konnte ihre Augen nicht von Jeschkas ernstem, von einer innern Er¬
regung verklärtem Gesichte abwenden.

Warum fragst du? Was willst du, was sollen deine Worte? stammelte
sie mit bebenden Lippen, indes ihr Herz vor Bewegung heftig pochte.

Rebekka! Ist dir dein Sohn lieber tot, oder willst du, daß er lebe, wenn
auch in einem andern Glauben?

Mein Sohn — leben? flüsterte Rebekka tonlos, mit weit offnen Augen
Jeschka wild anstarrend. Leben! rief sie dann, plötzlich wie in einem heftigen
Schmerze aufschreiend. O, gieb ihn mir zurück, und ich will dich segnen und
dir dienen, so lange ich lebe. Laß meine Augen ihn noch einmal sehen, meine
Arme ihn noch einmal umfangen! Mein David, mein Kind! Wozu quälst du
mich, Tochter der Ungläubigen? wendete sie sich mit funkelnden Augen zu den:
Mädchen. Hebe dich weg!

Nimmst du den Fluch von seinem Haupte? fragte Jeschka, sie fest ansehend,
mit lauter, starker Stimme.

Den Fluch? wiederholte Rebekka. Dann blickte sie Jeschka wie abwesend
an, schauerte zusammen und sagte stockend: Jedes Wort würde ich in eine
Segcnsbitte verwandeln. Aber was soll das? Ist dir mein Elend noch nicht
groß genug? Haben wir dir je Böses gethan, daß du herkommst, um über unser
Unglück zu frohlocken?

Rebekka! Ich bringe dir große Freude, mache dein Herz stark, daß es nicht
erliege! sagte Jeschka schnell. Flehe zu dem barmherzigen Gotte, an den wir
alle glauben, daß er dich aufrecht halte und dich lehre, das Rechte zu thun.


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[0469] David Beronski. gessen, an Gutes und Gottes Hilfe glauben. Weise mich nicht zurück, stoße mich nicht von dir, denn meine Worte werden lieblich in deinen Ohren klingen, und dein Herz wird mir noch danken. Welche Nachricht könnte noch lieblich in meinen Ohren klingen? fragte Rebekka bitter. Nur die Gewißheit, daß auch ich jetzt sterben würde, könnte mir freudig klingen. Versündige dich nicht, rief Jeschka. So lange Gott dir das Leben noch läßt, ist es ein wertvolles Geschenk. Aber ich bin müde — sie sank auf den Stein nieder, auf dem Rebekka gesessen hatte. Sie mußte weit gewandert sein. Ihr Gewand war staubig und beschmutzt, ihr Antlitz verbrannt, und sie seufzte tief auf, als sie sich setzte. Woher kommst du? fragte Rebekka mißtrauisch. Wohin seid ihr gewandert, wo hast du seither gelebt? Ich will dir alles sagen, aber antworte mir erst. Jeschka faßte Rebekkcis Gewand, damit sie nicht forteile, und hob feierlich beschwörend die andre Hand. Wenn dein Sohn jetzt wieder vor dir stünde, würdest du ihm verzeihen, würdest dn den Fluch vou seinem Haupte nehmen? Nebckkas Busen wogte, ihr Atem ging schnell, eine seltsame Unruhe befiel sie. Sie konnte ihre Augen nicht von Jeschkas ernstem, von einer innern Er¬ regung verklärtem Gesichte abwenden. Warum fragst du? Was willst du, was sollen deine Worte? stammelte sie mit bebenden Lippen, indes ihr Herz vor Bewegung heftig pochte. Rebekka! Ist dir dein Sohn lieber tot, oder willst du, daß er lebe, wenn auch in einem andern Glauben? Mein Sohn — leben? flüsterte Rebekka tonlos, mit weit offnen Augen Jeschka wild anstarrend. Leben! rief sie dann, plötzlich wie in einem heftigen Schmerze aufschreiend. O, gieb ihn mir zurück, und ich will dich segnen und dir dienen, so lange ich lebe. Laß meine Augen ihn noch einmal sehen, meine Arme ihn noch einmal umfangen! Mein David, mein Kind! Wozu quälst du mich, Tochter der Ungläubigen? wendete sie sich mit funkelnden Augen zu den: Mädchen. Hebe dich weg! Nimmst du den Fluch von seinem Haupte? fragte Jeschka, sie fest ansehend, mit lauter, starker Stimme. Den Fluch? wiederholte Rebekka. Dann blickte sie Jeschka wie abwesend an, schauerte zusammen und sagte stockend: Jedes Wort würde ich in eine Segcnsbitte verwandeln. Aber was soll das? Ist dir mein Elend noch nicht groß genug? Haben wir dir je Böses gethan, daß du herkommst, um über unser Unglück zu frohlocken? Rebekka! Ich bringe dir große Freude, mache dein Herz stark, daß es nicht erliege! sagte Jeschka schnell. Flehe zu dem barmherzigen Gotte, an den wir alle glauben, daß er dich aufrecht halte und dich lehre, das Rechte zu thun.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/469>, abgerufen am 28.09.2024.