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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Lrnst.

von dem unter Kommando des Herzogs stehenden badischen Bataillon meldete
sich eines schönen Tages bei seinem General und überreichte ihm die ihm kurz
vorher ausgezahlte Gage mit der Erklärung, daß er das Geld, wofern es nicht
von der provisorischen Regierung in Karlsruhe komme, auf keinen Fall annehmen
dürfe. Einen Großherzog habe er nicht mehr, und von der preußischen Negierung,
welche gegen sein Vaterland Krieg führe, möge er keinen Groschen haben. Er
sei daher genötigt, ohne Besoldung zu dienen.

Wenn man damals, nach der Niederlage Bonins bei Fridericia, klagte, daß
Prittwitz bei dieser Gelegenheit die bei Vene und Aarhus stehenden Dänen
losgelassen habe und es überhaupt an Einheitlichkeit des Vorgehens mangle,
so hat der Verfasser unsrer Schrift in Aktenstücken Aufklärung über diesen Mangel
gefunden. "Man befand sich merkwürdigerweise in einem sehr weit verbreiteten
Irrtume über die Notwendigkeit selbständiger Aktionen der Negierung und Armee
Schleswig-Holsteins." Der Erfinder der Idee "war im eigentlichsten Sinne
des Wortes Bunsen in London. Gewöhnt, auf die Unterhandlungen und Ein¬
gebungen Palmerstons ein übermäßiges Gewicht zu legen, beredete er sich und
seine ganze Umgebung, daß den Schleswig-Holsteinern nur dann geholfen werden
könne, wenn sie den Beweis ihrer Eigenständigkeit durch unabhängige Leistungen
im Kriege, durch selbständige Thaten zu erbringen vermöchten. Auch Stockmar
war ganz und gar von diesem am Kciminfeucr ausgedachten Plane erfüllt, und
man setzte nun alle möglichen Hebel in Bewegung, um auf die Statthalterschaft
und das Kriegsdepartement sowohl wie ans das Oberkommando in diesem Sinne
einzuwirken. Man wandte sich gleich zu Anfange des Krieges i^von 1349^ an
das Reichsministerium, damit Prittwitz dahin instruirt würde, er möchte die
Holsteiner selbständig vorgehen lasten. Daß man im Snndcwitt Hannoveraner
und nicht Holsteiner in erster Linie einrücken ließ, machte die Herren ganz auf¬
geregt, und man lag der Landesregierung unaufhörlich in den Ohren, daß
sie auf Prittwitz hinwirke, diesen politischen Gesichtspunkt obenan zu stellen.
Ob Bunsen bei seiner Vertrauensstellung zum Könige von Preußen auch in
Berlin für seine auf das englische Zeitungspnblikum berechnete Kriegspolitik der
Schleswig-Holsteiner Propaganda machen konnte, ist ungewiß. Sollte aber
Prittwitz auch von dem dortigen Ministerium in dieser Richtung instruirt worden
sein, so wäre sein Verhalten als Oberbefehlshaber hinreichend erklärt, wenn man
auch zweifeln müßte, ob er es als Soldat zu rechtfertigen imstande Ware."

Durchaus richtig ist die im fünften Kapitel (S. 457) enthaltene Beurteilung
des Generals von Willisen, doch sagt sie nichts neues von Bedeutung, und so
genüge ihre Erwähnung. Dagegen mag die Stelle, welche auf den Zusammen¬
hang des Londoner Protokolls mit der Don Pacifikoschen Angelegenheit auf¬
merksam macht, etwas ausführlicher mitgeteilt werden. Es heißt da: "Während
man in Berlin die Zurückführung der Zustände auf den Stand der Dinge vor
Ausbruch des Krieges beschlossen hatte, verlangten in London die Protektoren


Grmztwtm I. 1888. 55
Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Lrnst.

von dem unter Kommando des Herzogs stehenden badischen Bataillon meldete
sich eines schönen Tages bei seinem General und überreichte ihm die ihm kurz
vorher ausgezahlte Gage mit der Erklärung, daß er das Geld, wofern es nicht
von der provisorischen Regierung in Karlsruhe komme, auf keinen Fall annehmen
dürfe. Einen Großherzog habe er nicht mehr, und von der preußischen Negierung,
welche gegen sein Vaterland Krieg führe, möge er keinen Groschen haben. Er
sei daher genötigt, ohne Besoldung zu dienen.

Wenn man damals, nach der Niederlage Bonins bei Fridericia, klagte, daß
Prittwitz bei dieser Gelegenheit die bei Vene und Aarhus stehenden Dänen
losgelassen habe und es überhaupt an Einheitlichkeit des Vorgehens mangle,
so hat der Verfasser unsrer Schrift in Aktenstücken Aufklärung über diesen Mangel
gefunden. „Man befand sich merkwürdigerweise in einem sehr weit verbreiteten
Irrtume über die Notwendigkeit selbständiger Aktionen der Negierung und Armee
Schleswig-Holsteins." Der Erfinder der Idee „war im eigentlichsten Sinne
des Wortes Bunsen in London. Gewöhnt, auf die Unterhandlungen und Ein¬
gebungen Palmerstons ein übermäßiges Gewicht zu legen, beredete er sich und
seine ganze Umgebung, daß den Schleswig-Holsteinern nur dann geholfen werden
könne, wenn sie den Beweis ihrer Eigenständigkeit durch unabhängige Leistungen
im Kriege, durch selbständige Thaten zu erbringen vermöchten. Auch Stockmar
war ganz und gar von diesem am Kciminfeucr ausgedachten Plane erfüllt, und
man setzte nun alle möglichen Hebel in Bewegung, um auf die Statthalterschaft
und das Kriegsdepartement sowohl wie ans das Oberkommando in diesem Sinne
einzuwirken. Man wandte sich gleich zu Anfange des Krieges i^von 1349^ an
das Reichsministerium, damit Prittwitz dahin instruirt würde, er möchte die
Holsteiner selbständig vorgehen lasten. Daß man im Snndcwitt Hannoveraner
und nicht Holsteiner in erster Linie einrücken ließ, machte die Herren ganz auf¬
geregt, und man lag der Landesregierung unaufhörlich in den Ohren, daß
sie auf Prittwitz hinwirke, diesen politischen Gesichtspunkt obenan zu stellen.
Ob Bunsen bei seiner Vertrauensstellung zum Könige von Preußen auch in
Berlin für seine auf das englische Zeitungspnblikum berechnete Kriegspolitik der
Schleswig-Holsteiner Propaganda machen konnte, ist ungewiß. Sollte aber
Prittwitz auch von dem dortigen Ministerium in dieser Richtung instruirt worden
sein, so wäre sein Verhalten als Oberbefehlshaber hinreichend erklärt, wenn man
auch zweifeln müßte, ob er es als Soldat zu rechtfertigen imstande Ware."

Durchaus richtig ist die im fünften Kapitel (S. 457) enthaltene Beurteilung
des Generals von Willisen, doch sagt sie nichts neues von Bedeutung, und so
genüge ihre Erwähnung. Dagegen mag die Stelle, welche auf den Zusammen¬
hang des Londoner Protokolls mit der Don Pacifikoschen Angelegenheit auf¬
merksam macht, etwas ausführlicher mitgeteilt werden. Es heißt da: „Während
man in Berlin die Zurückführung der Zustände auf den Stand der Dinge vor
Ausbruch des Krieges beschlossen hatte, verlangten in London die Protektoren


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[0441] Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Lrnst. von dem unter Kommando des Herzogs stehenden badischen Bataillon meldete sich eines schönen Tages bei seinem General und überreichte ihm die ihm kurz vorher ausgezahlte Gage mit der Erklärung, daß er das Geld, wofern es nicht von der provisorischen Regierung in Karlsruhe komme, auf keinen Fall annehmen dürfe. Einen Großherzog habe er nicht mehr, und von der preußischen Negierung, welche gegen sein Vaterland Krieg führe, möge er keinen Groschen haben. Er sei daher genötigt, ohne Besoldung zu dienen. Wenn man damals, nach der Niederlage Bonins bei Fridericia, klagte, daß Prittwitz bei dieser Gelegenheit die bei Vene und Aarhus stehenden Dänen losgelassen habe und es überhaupt an Einheitlichkeit des Vorgehens mangle, so hat der Verfasser unsrer Schrift in Aktenstücken Aufklärung über diesen Mangel gefunden. „Man befand sich merkwürdigerweise in einem sehr weit verbreiteten Irrtume über die Notwendigkeit selbständiger Aktionen der Negierung und Armee Schleswig-Holsteins." Der Erfinder der Idee „war im eigentlichsten Sinne des Wortes Bunsen in London. Gewöhnt, auf die Unterhandlungen und Ein¬ gebungen Palmerstons ein übermäßiges Gewicht zu legen, beredete er sich und seine ganze Umgebung, daß den Schleswig-Holsteinern nur dann geholfen werden könne, wenn sie den Beweis ihrer Eigenständigkeit durch unabhängige Leistungen im Kriege, durch selbständige Thaten zu erbringen vermöchten. Auch Stockmar war ganz und gar von diesem am Kciminfeucr ausgedachten Plane erfüllt, und man setzte nun alle möglichen Hebel in Bewegung, um auf die Statthalterschaft und das Kriegsdepartement sowohl wie ans das Oberkommando in diesem Sinne einzuwirken. Man wandte sich gleich zu Anfange des Krieges i^von 1349^ an das Reichsministerium, damit Prittwitz dahin instruirt würde, er möchte die Holsteiner selbständig vorgehen lasten. Daß man im Snndcwitt Hannoveraner und nicht Holsteiner in erster Linie einrücken ließ, machte die Herren ganz auf¬ geregt, und man lag der Landesregierung unaufhörlich in den Ohren, daß sie auf Prittwitz hinwirke, diesen politischen Gesichtspunkt obenan zu stellen. Ob Bunsen bei seiner Vertrauensstellung zum Könige von Preußen auch in Berlin für seine auf das englische Zeitungspnblikum berechnete Kriegspolitik der Schleswig-Holsteiner Propaganda machen konnte, ist ungewiß. Sollte aber Prittwitz auch von dem dortigen Ministerium in dieser Richtung instruirt worden sein, so wäre sein Verhalten als Oberbefehlshaber hinreichend erklärt, wenn man auch zweifeln müßte, ob er es als Soldat zu rechtfertigen imstande Ware." Durchaus richtig ist die im fünften Kapitel (S. 457) enthaltene Beurteilung des Generals von Willisen, doch sagt sie nichts neues von Bedeutung, und so genüge ihre Erwähnung. Dagegen mag die Stelle, welche auf den Zusammen¬ hang des Londoner Protokolls mit der Don Pacifikoschen Angelegenheit auf¬ merksam macht, etwas ausführlicher mitgeteilt werden. Es heißt da: „Während man in Berlin die Zurückführung der Zustände auf den Stand der Dinge vor Ausbruch des Krieges beschlossen hatte, verlangten in London die Protektoren Grmztwtm I. 1888. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/441>, abgerufen am 28.09.2024.