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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

der deutschen Seite. Dabei ist es klar, daß die herrlichen Herzogtümer furchtbar
leiden, wir unsre Kräfte hier verlieren, und den Dänen selbst mehr Nachteil als
Vorteil gebracht wird. Die Hauptsache wird sein, daß die Dänen gezwungen
werden, einen mehrmonatlichen Waffenstillstand einzugehen, während dem die
vbschwebenden Fragen rasch und energisch gelöst werden. . .. Schafft nur Waffen¬
stillstand; denn mit jeder Woche steigt die Erbitterung, und die gemäßigten
Friedensvorschläge verlieren an willigem Gehör. Meine Stellung ist eine ebenso
lehrreiche als schwierige. Ich bin des besten Mutes, ich habe die ganze Provinz
unter mir fünf etwas völlig neuesl, baue Schanzen und Forts, rüste Dampf¬
schiffe und Kanonenboote aus, kurz, bin äußerst beschäftigt und angeregt, durch den
glücklichen Erfolg meiner Waffen genieße ich ein unverdientes Vertrauen und finde
weniger Widerspruch als vielleicht ein andrer." Wahrscheinlich auf ähnliche Bitten
um englische Vermittlung antwortete Prinz Albert schon im März damit, daß
er die Überzeugung aussprach, die Friedensunterhandlungen scheiterten, weil
Rußland und Frankreich vereint nach einer Demütigung Deutschlands strebten.
Am 13. Mai aber schrieb er: "Euer Krieg macht gar keine rechten Fortschritte
und alle unsre Negotiationen ebensowenig, beide nicht wegen Rußland, welches
Preußen zum Hochverrat gegen Deutschland anhält und zur lauen Betreibung
des Krieges rät, zugleich aber Dänemark hier in der Unbeugsamkeit stärkt und
steift. Das englische Publikum ist dabei ganz auf der dänischen Seite, und
Lord Palmerston braucht neuen Succeß uach den vielen Schlappen, die er sich
neuerdings geholt hat." Erst in der zweiten Hälfte des Juni glaubte der
Prinz mehr auf Frieden hoffen zu dürfen, und zwar aus einem merkwürdigen
Grunde, den man bis dahin wenig beachtet hatte. "Der Krieg -- schrieb er
dem Bruder am 19. Juni -- wird nun doch bald zu Ende gehen, da man in
Kopenhagen Furcht vor den eignen Demokraten bekommen haben soll. Die
russische Flotte soll ebensowohl gegen diese als gegen Schleswig gerichtet sein.
Man hat ihren Plan entdeckt, Jütland auch hingeben zu wollen und dagegen
eine Republik der Inseln zu errichten."

In Schleswig-Holstein hatte sich inzwischen das Mißtrauen gegen die
Politik und Führung Preußens immer weiter verbreitet; und selbst unter den
deutschen Bundestruppen gährte es seit den Maiaufständen in Sachsen, Baden
und der Pfalz gewaltig. "Als ich -- erzählt der Verfasser unsrer Schrift -- am
Eude des Feldzuges eine kurze Zeit in Vene verweilte, erlebte ich, daß die Sol¬
daten eines bairischen Bataillons über den General von Prittwitz öden damaligen
Oberbefehlshaber der Bundestruppen in den Elbherzogtümern^ und die ganze
preußische Führung in meiner Gegenwart laut zu schimpfen wagten. Es war
wie im dreißigjährigen Kriege und in Wallensteins Lager, ein ewiges Parla-
mentiren über die Generale und ihre Fähigkeiten, Unternehmungen und Unter¬
lassungen." Ein höchst charakteristischer Vorfall, der sich zur Zeit des Auf-
standes in Baden ereignete, war folgender: Ein gewisser Hauptmann Schwarz


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

der deutschen Seite. Dabei ist es klar, daß die herrlichen Herzogtümer furchtbar
leiden, wir unsre Kräfte hier verlieren, und den Dänen selbst mehr Nachteil als
Vorteil gebracht wird. Die Hauptsache wird sein, daß die Dänen gezwungen
werden, einen mehrmonatlichen Waffenstillstand einzugehen, während dem die
vbschwebenden Fragen rasch und energisch gelöst werden. . .. Schafft nur Waffen¬
stillstand; denn mit jeder Woche steigt die Erbitterung, und die gemäßigten
Friedensvorschläge verlieren an willigem Gehör. Meine Stellung ist eine ebenso
lehrreiche als schwierige. Ich bin des besten Mutes, ich habe die ganze Provinz
unter mir fünf etwas völlig neuesl, baue Schanzen und Forts, rüste Dampf¬
schiffe und Kanonenboote aus, kurz, bin äußerst beschäftigt und angeregt, durch den
glücklichen Erfolg meiner Waffen genieße ich ein unverdientes Vertrauen und finde
weniger Widerspruch als vielleicht ein andrer." Wahrscheinlich auf ähnliche Bitten
um englische Vermittlung antwortete Prinz Albert schon im März damit, daß
er die Überzeugung aussprach, die Friedensunterhandlungen scheiterten, weil
Rußland und Frankreich vereint nach einer Demütigung Deutschlands strebten.
Am 13. Mai aber schrieb er: „Euer Krieg macht gar keine rechten Fortschritte
und alle unsre Negotiationen ebensowenig, beide nicht wegen Rußland, welches
Preußen zum Hochverrat gegen Deutschland anhält und zur lauen Betreibung
des Krieges rät, zugleich aber Dänemark hier in der Unbeugsamkeit stärkt und
steift. Das englische Publikum ist dabei ganz auf der dänischen Seite, und
Lord Palmerston braucht neuen Succeß uach den vielen Schlappen, die er sich
neuerdings geholt hat." Erst in der zweiten Hälfte des Juni glaubte der
Prinz mehr auf Frieden hoffen zu dürfen, und zwar aus einem merkwürdigen
Grunde, den man bis dahin wenig beachtet hatte. „Der Krieg — schrieb er
dem Bruder am 19. Juni — wird nun doch bald zu Ende gehen, da man in
Kopenhagen Furcht vor den eignen Demokraten bekommen haben soll. Die
russische Flotte soll ebensowohl gegen diese als gegen Schleswig gerichtet sein.
Man hat ihren Plan entdeckt, Jütland auch hingeben zu wollen und dagegen
eine Republik der Inseln zu errichten."

In Schleswig-Holstein hatte sich inzwischen das Mißtrauen gegen die
Politik und Führung Preußens immer weiter verbreitet; und selbst unter den
deutschen Bundestruppen gährte es seit den Maiaufständen in Sachsen, Baden
und der Pfalz gewaltig. „Als ich — erzählt der Verfasser unsrer Schrift — am
Eude des Feldzuges eine kurze Zeit in Vene verweilte, erlebte ich, daß die Sol¬
daten eines bairischen Bataillons über den General von Prittwitz öden damaligen
Oberbefehlshaber der Bundestruppen in den Elbherzogtümern^ und die ganze
preußische Führung in meiner Gegenwart laut zu schimpfen wagten. Es war
wie im dreißigjährigen Kriege und in Wallensteins Lager, ein ewiges Parla-
mentiren über die Generale und ihre Fähigkeiten, Unternehmungen und Unter¬
lassungen." Ein höchst charakteristischer Vorfall, der sich zur Zeit des Auf-
standes in Baden ereignete, war folgender: Ein gewisser Hauptmann Schwarz


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[0440] Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst. der deutschen Seite. Dabei ist es klar, daß die herrlichen Herzogtümer furchtbar leiden, wir unsre Kräfte hier verlieren, und den Dänen selbst mehr Nachteil als Vorteil gebracht wird. Die Hauptsache wird sein, daß die Dänen gezwungen werden, einen mehrmonatlichen Waffenstillstand einzugehen, während dem die vbschwebenden Fragen rasch und energisch gelöst werden. . .. Schafft nur Waffen¬ stillstand; denn mit jeder Woche steigt die Erbitterung, und die gemäßigten Friedensvorschläge verlieren an willigem Gehör. Meine Stellung ist eine ebenso lehrreiche als schwierige. Ich bin des besten Mutes, ich habe die ganze Provinz unter mir fünf etwas völlig neuesl, baue Schanzen und Forts, rüste Dampf¬ schiffe und Kanonenboote aus, kurz, bin äußerst beschäftigt und angeregt, durch den glücklichen Erfolg meiner Waffen genieße ich ein unverdientes Vertrauen und finde weniger Widerspruch als vielleicht ein andrer." Wahrscheinlich auf ähnliche Bitten um englische Vermittlung antwortete Prinz Albert schon im März damit, daß er die Überzeugung aussprach, die Friedensunterhandlungen scheiterten, weil Rußland und Frankreich vereint nach einer Demütigung Deutschlands strebten. Am 13. Mai aber schrieb er: „Euer Krieg macht gar keine rechten Fortschritte und alle unsre Negotiationen ebensowenig, beide nicht wegen Rußland, welches Preußen zum Hochverrat gegen Deutschland anhält und zur lauen Betreibung des Krieges rät, zugleich aber Dänemark hier in der Unbeugsamkeit stärkt und steift. Das englische Publikum ist dabei ganz auf der dänischen Seite, und Lord Palmerston braucht neuen Succeß uach den vielen Schlappen, die er sich neuerdings geholt hat." Erst in der zweiten Hälfte des Juni glaubte der Prinz mehr auf Frieden hoffen zu dürfen, und zwar aus einem merkwürdigen Grunde, den man bis dahin wenig beachtet hatte. „Der Krieg — schrieb er dem Bruder am 19. Juni — wird nun doch bald zu Ende gehen, da man in Kopenhagen Furcht vor den eignen Demokraten bekommen haben soll. Die russische Flotte soll ebensowohl gegen diese als gegen Schleswig gerichtet sein. Man hat ihren Plan entdeckt, Jütland auch hingeben zu wollen und dagegen eine Republik der Inseln zu errichten." In Schleswig-Holstein hatte sich inzwischen das Mißtrauen gegen die Politik und Führung Preußens immer weiter verbreitet; und selbst unter den deutschen Bundestruppen gährte es seit den Maiaufständen in Sachsen, Baden und der Pfalz gewaltig. „Als ich — erzählt der Verfasser unsrer Schrift — am Eude des Feldzuges eine kurze Zeit in Vene verweilte, erlebte ich, daß die Sol¬ daten eines bairischen Bataillons über den General von Prittwitz öden damaligen Oberbefehlshaber der Bundestruppen in den Elbherzogtümern^ und die ganze preußische Führung in meiner Gegenwart laut zu schimpfen wagten. Es war wie im dreißigjährigen Kriege und in Wallensteins Lager, ein ewiges Parla- mentiren über die Generale und ihre Fähigkeiten, Unternehmungen und Unter¬ lassungen." Ein höchst charakteristischer Vorfall, der sich zur Zeit des Auf- standes in Baden ereignete, war folgender: Ein gewisser Hauptmann Schwarz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/440>, abgerufen am 27.06.2024.