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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Das ist der Goi! Herr! Suchst du wieder nach David Beronski?

Wenigstens bin ich auf dem Wege zu ihm. Warum? Wer fragt darnach?

Seine Mutter! Seine trostlose Mutter! Und sie sagt dir, deine Augen
werden David nie wieder sehen, und o, es wäre besser, sie hätten ihn nie ge¬
sehen, dann wäre er noch der Trost und die Lust der ihrigen!

Was ist mit David geschehen? Was bedeuten Eure Reden? rief Alcxei,
indem er mit Mühe das aufgeregte Pferd zttgelte.

Sie bedeuten, daß er tot ist! schrie Rebekka. Tot durch deine Schuld,
Ungläubiger, denn du hast ihm das schwarze Buch gegeben, welches ihn in den
Tod getrieben hat, und ich habe ihm darob geflucht! Hebe dich weg, verfluchter
Kofer, daß meine Augen dich nicht mehr sehen! Auf dich hätte mein Fluch fallen
müssen! O David, meine Freude, meine Augenwomie! Mein Sohn, mein Sohn!
Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!

Alexei war vom Pferde gesprungen.

Tot? fragte er bestürzt, ohne Rebekkas wilde, gegen ihn gerichtete Worte
zu achten. Woran ist er gestorben? Welche Krankheit hat ihn dahingerafft?

Rebekka war auf den Boden gesunken, und er beugte sich zu ihr nieder

Keine Krankheit! Ein böser Geist war in ihn gefahren, und in den Sumpf
hat er sein Leid, sein Unglück getragen. Und damit er nicht allein sei, hat er
seinen Liebling, seine kleine Rahel, mit sich hinein genommen!

Ihre Stimme war durch Schluchzen halb erstickt.

Das ist nicht möglich! rief Alexei, und starrte sie ungläubig an.

Warum soll es nicht möglich sein? Ich sage dir, Herr, es ist so. Sieh
dort den Nebel auf dem Sumpfe, dorthin ist er gegangen. Wenn des Menschen
Herz mit sich selbst uneins wird, dann ist ihm das Leben eine zu schwere Last,
es muß darunter brechen.

Dem liegt noch etwas andres zu Grunde, sagte Alexei, der ihren Worten
gespannt gelauscht hatte. Alles, was ihn unglücklich machte, hatte er schon zu
lauge ertragen und war sich zu klar darüber, um zu einem so plötzlichen Ent¬
schlüsse getrieben zu werden. Ich muß Näheres erfahren. Darf ich Euch morgen
aufsuchen, und wollt Ihr mir alles erzählen?

Nein! rief Rebekka emporfahrend. Daß mein Haus unrein werde! Nein,
kein Goi soll jemals seine Schwelle wieder überschreiten, das habe ich mir zu¬
geschworen.

Aber ich habe David sehr lieb gehabt, und wir waren Freunde, entgegnete
Alexei bittend. Um dieser unsrer Freundschaft willen glaube ich ein Recht zu
haben, sein trauriges, mir ganz unerklärliches Schicksal kennen zu lernen.

Er ist tot, was ists weiter! rief die alte Frau, in ihrer Qual aufschreiend
und schluchzend. Dein schwarzes Buch hat ihm den Verstand verwirrt und --
und da ist er in den Sumpf gegangen. So! Nun weißt du alles und nun
laß mich allein, denn mein Herz ist schwer und betrübt und möchte die Worte


David Beronski.

Das ist der Goi! Herr! Suchst du wieder nach David Beronski?

Wenigstens bin ich auf dem Wege zu ihm. Warum? Wer fragt darnach?

Seine Mutter! Seine trostlose Mutter! Und sie sagt dir, deine Augen
werden David nie wieder sehen, und o, es wäre besser, sie hätten ihn nie ge¬
sehen, dann wäre er noch der Trost und die Lust der ihrigen!

Was ist mit David geschehen? Was bedeuten Eure Reden? rief Alcxei,
indem er mit Mühe das aufgeregte Pferd zttgelte.

Sie bedeuten, daß er tot ist! schrie Rebekka. Tot durch deine Schuld,
Ungläubiger, denn du hast ihm das schwarze Buch gegeben, welches ihn in den
Tod getrieben hat, und ich habe ihm darob geflucht! Hebe dich weg, verfluchter
Kofer, daß meine Augen dich nicht mehr sehen! Auf dich hätte mein Fluch fallen
müssen! O David, meine Freude, meine Augenwomie! Mein Sohn, mein Sohn!
Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!

Alexei war vom Pferde gesprungen.

Tot? fragte er bestürzt, ohne Rebekkas wilde, gegen ihn gerichtete Worte
zu achten. Woran ist er gestorben? Welche Krankheit hat ihn dahingerafft?

Rebekka war auf den Boden gesunken, und er beugte sich zu ihr nieder

Keine Krankheit! Ein böser Geist war in ihn gefahren, und in den Sumpf
hat er sein Leid, sein Unglück getragen. Und damit er nicht allein sei, hat er
seinen Liebling, seine kleine Rahel, mit sich hinein genommen!

Ihre Stimme war durch Schluchzen halb erstickt.

Das ist nicht möglich! rief Alexei, und starrte sie ungläubig an.

Warum soll es nicht möglich sein? Ich sage dir, Herr, es ist so. Sieh
dort den Nebel auf dem Sumpfe, dorthin ist er gegangen. Wenn des Menschen
Herz mit sich selbst uneins wird, dann ist ihm das Leben eine zu schwere Last,
es muß darunter brechen.

Dem liegt noch etwas andres zu Grunde, sagte Alexei, der ihren Worten
gespannt gelauscht hatte. Alles, was ihn unglücklich machte, hatte er schon zu
lauge ertragen und war sich zu klar darüber, um zu einem so plötzlichen Ent¬
schlüsse getrieben zu werden. Ich muß Näheres erfahren. Darf ich Euch morgen
aufsuchen, und wollt Ihr mir alles erzählen?

Nein! rief Rebekka emporfahrend. Daß mein Haus unrein werde! Nein,
kein Goi soll jemals seine Schwelle wieder überschreiten, das habe ich mir zu¬
geschworen.

Aber ich habe David sehr lieb gehabt, und wir waren Freunde, entgegnete
Alexei bittend. Um dieser unsrer Freundschaft willen glaube ich ein Recht zu
haben, sein trauriges, mir ganz unerklärliches Schicksal kennen zu lernen.

Er ist tot, was ists weiter! rief die alte Frau, in ihrer Qual aufschreiend
und schluchzend. Dein schwarzes Buch hat ihm den Verstand verwirrt und —
und da ist er in den Sumpf gegangen. So! Nun weißt du alles und nun
laß mich allein, denn mein Herz ist schwer und betrübt und möchte die Worte


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[0427] David Beronski. Das ist der Goi! Herr! Suchst du wieder nach David Beronski? Wenigstens bin ich auf dem Wege zu ihm. Warum? Wer fragt darnach? Seine Mutter! Seine trostlose Mutter! Und sie sagt dir, deine Augen werden David nie wieder sehen, und o, es wäre besser, sie hätten ihn nie ge¬ sehen, dann wäre er noch der Trost und die Lust der ihrigen! Was ist mit David geschehen? Was bedeuten Eure Reden? rief Alcxei, indem er mit Mühe das aufgeregte Pferd zttgelte. Sie bedeuten, daß er tot ist! schrie Rebekka. Tot durch deine Schuld, Ungläubiger, denn du hast ihm das schwarze Buch gegeben, welches ihn in den Tod getrieben hat, und ich habe ihm darob geflucht! Hebe dich weg, verfluchter Kofer, daß meine Augen dich nicht mehr sehen! Auf dich hätte mein Fluch fallen müssen! O David, meine Freude, meine Augenwomie! Mein Sohn, mein Sohn! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben! Alexei war vom Pferde gesprungen. Tot? fragte er bestürzt, ohne Rebekkas wilde, gegen ihn gerichtete Worte zu achten. Woran ist er gestorben? Welche Krankheit hat ihn dahingerafft? Rebekka war auf den Boden gesunken, und er beugte sich zu ihr nieder Keine Krankheit! Ein böser Geist war in ihn gefahren, und in den Sumpf hat er sein Leid, sein Unglück getragen. Und damit er nicht allein sei, hat er seinen Liebling, seine kleine Rahel, mit sich hinein genommen! Ihre Stimme war durch Schluchzen halb erstickt. Das ist nicht möglich! rief Alexei, und starrte sie ungläubig an. Warum soll es nicht möglich sein? Ich sage dir, Herr, es ist so. Sieh dort den Nebel auf dem Sumpfe, dorthin ist er gegangen. Wenn des Menschen Herz mit sich selbst uneins wird, dann ist ihm das Leben eine zu schwere Last, es muß darunter brechen. Dem liegt noch etwas andres zu Grunde, sagte Alexei, der ihren Worten gespannt gelauscht hatte. Alles, was ihn unglücklich machte, hatte er schon zu lauge ertragen und war sich zu klar darüber, um zu einem so plötzlichen Ent¬ schlüsse getrieben zu werden. Ich muß Näheres erfahren. Darf ich Euch morgen aufsuchen, und wollt Ihr mir alles erzählen? Nein! rief Rebekka emporfahrend. Daß mein Haus unrein werde! Nein, kein Goi soll jemals seine Schwelle wieder überschreiten, das habe ich mir zu¬ geschworen. Aber ich habe David sehr lieb gehabt, und wir waren Freunde, entgegnete Alexei bittend. Um dieser unsrer Freundschaft willen glaube ich ein Recht zu haben, sein trauriges, mir ganz unerklärliches Schicksal kennen zu lernen. Er ist tot, was ists weiter! rief die alte Frau, in ihrer Qual aufschreiend und schluchzend. Dein schwarzes Buch hat ihm den Verstand verwirrt und — und da ist er in den Sumpf gegangen. So! Nun weißt du alles und nun laß mich allein, denn mein Herz ist schwer und betrübt und möchte die Worte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/427>, abgerufen am 27.06.2024.