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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Gottsched und die deutsche Sprache.

wollte; sicher würde man dabei zu demselben Ergebnis kommen wie Kästner,
der in seinen bald nach Gottscheds Tode geschriebenen "Betrachtungen über
Gottscheds Charakter" besonders dankbar hervorhebt, was durch ihn für Sprache
und Stilverbesserung gethan worden sei. Und bei einer Vergleichung von Gottscheds
Darstellungsweise mit der vieler neueren Schriftsteller würde Gottsched wenigstens
in Bezug auf Reinheit der Sprache in einem sehr vorteilhaften Lichte stehen.

Was Gottsched in dieser Beziehung selbst geleistet hat, entsprach ganz den
Anforderungen, die er an die Schriftwerke andrer stellte, und der deutsche
Sprachverein hat alle Ursache, seiner zu gedenken.

In seiner Deutschen Sprachkunst erklärt er es für eine "ganz unnötige
Mengesucht einiger vormaligen Schriftsteller, daß sie sich unzählige fremde
Wörter angewöhnet, die man ebensowohl deutsch geben kann, wenn man nur
in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist." Wenn wir den Italienern
Wörter wie Post, Spesen, Strapazen, Arie, Noten, Kantate, Serenade, Oper
und dergleichen musikalische Kunstwörter, deu Franzosen gewisse Namen der
Tänze, der Kleidungen, sonderlich des Fraucnvolks, und einige kriegerische Kunst¬
wörter wiedergeben wollten, so würden wir uns "gar wohl ohne sie behelfen
können." Er schlägt eine Menge Verdeutschungen kriegerischer Kunstwörter
vor, wie: Fourier ---- Rechnungsführer, Korporal ----- Rottmeister, Auditeur
------ Feldschultheiß, Kompagnie ------ Fähnlein, Piquet ----- Feldwache, blokiren
------ einschließen u. s. w., und fährt dann fort: "Wenn wir es erleben könn¬
ten, daß diese und dergleichen deutsche Benennungen erst in unsern Zeitungs¬
blättern, politischen Monatsschriften und historischen Büchern eingeführt würden,
so würde man sich gar bald auch aller übrigen ausländischen Brocken entschütten
können und den zulänglicher Reichtum unsrer Sprache zur Genüge gewahr
werden."

Bei der Verdeutschung musikalischer Kunstwörter beschränkt er sich nicht
darauf, die Sizilienne einen sizilianischen, die Polonaise einen Polnischen, die
Palsanne einen Bauerntanz, die Serenade eine Abendmusik, den Sopran die
Oberstimme u. s. w. zu nennen, er geht sogar Ausdrücken wie Andante, Allegro,
sorte, piano und ähnlichen Kunstausdrücken mit seinen Verdeutschungen zu Leibe.
Daß deutsche Tondichter ihren Stücken wälsche und französische Namen geben,
erklärt er für "eine Neigung zur Sklaverei."

Dabei war Gottsched durchaus kein engherziger Polterer, der sich durch
Übereifer lächerlich gemacht hätte. Er sagt ausdrücklich: "Indessen wollen wir
alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer und Pegnitzschäfer, auch Glieder
der Fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen, die alles, was einigermaßen fremd
war, aus dem Deutschen ausmärzen wollten. Es ist nicht ganz möglich, sich
in einer Sprache aller ausländischen Redensarten zu enthalten. Wo man die
Sache selbst von einem benachbarten Volke bekommen hat, da muß man auch
wohl das Wort behalten, so wie die Franzosen eine zurückschlagende Kutsche


Gottsched und die deutsche Sprache.

wollte; sicher würde man dabei zu demselben Ergebnis kommen wie Kästner,
der in seinen bald nach Gottscheds Tode geschriebenen „Betrachtungen über
Gottscheds Charakter" besonders dankbar hervorhebt, was durch ihn für Sprache
und Stilverbesserung gethan worden sei. Und bei einer Vergleichung von Gottscheds
Darstellungsweise mit der vieler neueren Schriftsteller würde Gottsched wenigstens
in Bezug auf Reinheit der Sprache in einem sehr vorteilhaften Lichte stehen.

Was Gottsched in dieser Beziehung selbst geleistet hat, entsprach ganz den
Anforderungen, die er an die Schriftwerke andrer stellte, und der deutsche
Sprachverein hat alle Ursache, seiner zu gedenken.

In seiner Deutschen Sprachkunst erklärt er es für eine „ganz unnötige
Mengesucht einiger vormaligen Schriftsteller, daß sie sich unzählige fremde
Wörter angewöhnet, die man ebensowohl deutsch geben kann, wenn man nur
in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist." Wenn wir den Italienern
Wörter wie Post, Spesen, Strapazen, Arie, Noten, Kantate, Serenade, Oper
und dergleichen musikalische Kunstwörter, deu Franzosen gewisse Namen der
Tänze, der Kleidungen, sonderlich des Fraucnvolks, und einige kriegerische Kunst¬
wörter wiedergeben wollten, so würden wir uns „gar wohl ohne sie behelfen
können." Er schlägt eine Menge Verdeutschungen kriegerischer Kunstwörter
vor, wie: Fourier ---- Rechnungsführer, Korporal ----- Rottmeister, Auditeur
------ Feldschultheiß, Kompagnie ------ Fähnlein, Piquet ----- Feldwache, blokiren
------ einschließen u. s. w., und fährt dann fort: „Wenn wir es erleben könn¬
ten, daß diese und dergleichen deutsche Benennungen erst in unsern Zeitungs¬
blättern, politischen Monatsschriften und historischen Büchern eingeführt würden,
so würde man sich gar bald auch aller übrigen ausländischen Brocken entschütten
können und den zulänglicher Reichtum unsrer Sprache zur Genüge gewahr
werden."

Bei der Verdeutschung musikalischer Kunstwörter beschränkt er sich nicht
darauf, die Sizilienne einen sizilianischen, die Polonaise einen Polnischen, die
Palsanne einen Bauerntanz, die Serenade eine Abendmusik, den Sopran die
Oberstimme u. s. w. zu nennen, er geht sogar Ausdrücken wie Andante, Allegro,
sorte, piano und ähnlichen Kunstausdrücken mit seinen Verdeutschungen zu Leibe.
Daß deutsche Tondichter ihren Stücken wälsche und französische Namen geben,
erklärt er für „eine Neigung zur Sklaverei."

Dabei war Gottsched durchaus kein engherziger Polterer, der sich durch
Übereifer lächerlich gemacht hätte. Er sagt ausdrücklich: „Indessen wollen wir
alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer und Pegnitzschäfer, auch Glieder
der Fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen, die alles, was einigermaßen fremd
war, aus dem Deutschen ausmärzen wollten. Es ist nicht ganz möglich, sich
in einer Sprache aller ausländischen Redensarten zu enthalten. Wo man die
Sache selbst von einem benachbarten Volke bekommen hat, da muß man auch
wohl das Wort behalten, so wie die Franzosen eine zurückschlagende Kutsche


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[0410] Gottsched und die deutsche Sprache. wollte; sicher würde man dabei zu demselben Ergebnis kommen wie Kästner, der in seinen bald nach Gottscheds Tode geschriebenen „Betrachtungen über Gottscheds Charakter" besonders dankbar hervorhebt, was durch ihn für Sprache und Stilverbesserung gethan worden sei. Und bei einer Vergleichung von Gottscheds Darstellungsweise mit der vieler neueren Schriftsteller würde Gottsched wenigstens in Bezug auf Reinheit der Sprache in einem sehr vorteilhaften Lichte stehen. Was Gottsched in dieser Beziehung selbst geleistet hat, entsprach ganz den Anforderungen, die er an die Schriftwerke andrer stellte, und der deutsche Sprachverein hat alle Ursache, seiner zu gedenken. In seiner Deutschen Sprachkunst erklärt er es für eine „ganz unnötige Mengesucht einiger vormaligen Schriftsteller, daß sie sich unzählige fremde Wörter angewöhnet, die man ebensowohl deutsch geben kann, wenn man nur in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist." Wenn wir den Italienern Wörter wie Post, Spesen, Strapazen, Arie, Noten, Kantate, Serenade, Oper und dergleichen musikalische Kunstwörter, deu Franzosen gewisse Namen der Tänze, der Kleidungen, sonderlich des Fraucnvolks, und einige kriegerische Kunst¬ wörter wiedergeben wollten, so würden wir uns „gar wohl ohne sie behelfen können." Er schlägt eine Menge Verdeutschungen kriegerischer Kunstwörter vor, wie: Fourier ---- Rechnungsführer, Korporal ----- Rottmeister, Auditeur ------ Feldschultheiß, Kompagnie ------ Fähnlein, Piquet ----- Feldwache, blokiren ------ einschließen u. s. w., und fährt dann fort: „Wenn wir es erleben könn¬ ten, daß diese und dergleichen deutsche Benennungen erst in unsern Zeitungs¬ blättern, politischen Monatsschriften und historischen Büchern eingeführt würden, so würde man sich gar bald auch aller übrigen ausländischen Brocken entschütten können und den zulänglicher Reichtum unsrer Sprache zur Genüge gewahr werden." Bei der Verdeutschung musikalischer Kunstwörter beschränkt er sich nicht darauf, die Sizilienne einen sizilianischen, die Polonaise einen Polnischen, die Palsanne einen Bauerntanz, die Serenade eine Abendmusik, den Sopran die Oberstimme u. s. w. zu nennen, er geht sogar Ausdrücken wie Andante, Allegro, sorte, piano und ähnlichen Kunstausdrücken mit seinen Verdeutschungen zu Leibe. Daß deutsche Tondichter ihren Stücken wälsche und französische Namen geben, erklärt er für „eine Neigung zur Sklaverei." Dabei war Gottsched durchaus kein engherziger Polterer, der sich durch Übereifer lächerlich gemacht hätte. Er sagt ausdrücklich: „Indessen wollen wir alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer und Pegnitzschäfer, auch Glieder der Fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen, die alles, was einigermaßen fremd war, aus dem Deutschen ausmärzen wollten. Es ist nicht ganz möglich, sich in einer Sprache aller ausländischen Redensarten zu enthalten. Wo man die Sache selbst von einem benachbarten Volke bekommen hat, da muß man auch wohl das Wort behalten, so wie die Franzosen eine zurückschlagende Kutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/410>, abgerufen am 28.09.2024.