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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Keines Menschen Wort darf solche Gewalt über einen andern Menschen
haben, unterbrach ihn der Prediger. Du liegst im Banne falscher, trügerischer
Auffassungen, die durch die Lehre des heiligen Evangeliums noch nicht geläutert
sind, durch das Licht der göttlichen Offenbarung nicht geklärt. Soll Menschen¬
wort über Gotteswort gestellt werden?

Aber vergebens bot der Geistliche seine ganze Beredsamkeit auf, David
konnte den Druck, der auf ihm lastete, nicht abschütteln, und wenn auch sein
Körper sich erholte, sein Geist litt, und trotz der Dankbarkeit, die er empfand,
konnte er die Freudigkeit nicht fühlen, die der Prediger von ihm verlangte, sich
den Banden des Trübsinnes nicht entreißen. Alles war dunkel für ihn, und
es schien ihm nur ganz natürlich, daß auch Jeschka sich von ihm zurückzog; sie
kam nicht mehr, er sah sie nicht wieder. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Schwurgericht und Presse.

In den Reichstagsverhandlungen über den
Antrag, Preßvergehen vor die Geschwornen zu verweisen, haben wir nichts ge¬
funden, was nicht durch den Aufsatz über dieses Thema in Ur. 51 der Grenzboten
vom vorigen Jahre im voraus widerlegt wäre. Nur auf eine irrige Behauptung
eines Redners mag hier zurückgegriffen werden, weil durch sie eine Seite des
Gegenstandes berührt wird, die der erwähnte Aufsatz unberücksichtigt gelassen hat
und die doch für die Kritik des Antrages von Bedeutung ist. Es wurde nämlich
behauptet, die guten Erfahrungen, welche man in Oesterreich mit dem Schwnr-
gerichtsverfcchren für Preßvergehen gemacht habe, hätten dort die allgemeine Ein¬
führung desselben veranlaßt. Diese Darstellung entspricht den Thatsachen keines¬
wegs. Die Einführung der Schwurgerichte durch das liberale Ministerium war
selbstverständlich, handelte es sich doch dabei um einen Hauptpunkt des liberalen
Programms, und es war eine va-Melo böngvolouti^s, daß man der Presse die
Ausnahmestellung gewährte, bevor die gesetzgeberische Arbeit für die Reform des
Strafverfahrens überhaupt beendigt war. Hätte das Prinzip nicht festgestanden,
hätte nicht insbesondre Glaser, noch ehe er Minister wurde, als Professor und als
Abgeordneter eine so entschiedn? Stellung zu der Frage genommen, die Erfahrungen
mit den Preßprozessen würden schwerlich zu dem weiteren Schritt ermutigt haben.
Diese Erfahrungen gaben deu Anlaß zur Erfindung des sogenannten objektiven
Verfahrens, demzufolge ohne Zuziehung von Geschwornen ein Zeitungsaufsatz als
strafbar bezeichnet und vernichtet werden kann, während die Verantwortlicher Per¬
sonen unbehelligt bleiben, und sie nötigten dazu, in gewissen Fällen die eines Pre߬
vergehens beschuldigte" dem zuständigen Gerichte zu entziehen, sie vor ein Schwur¬
gericht außerhalb ihres Wohnkreises zu stellen. An dem objektiven Verfahren übte
der Abgeordnete Glaser die schärfste Kritik, der Minister Glaser aber ließ es in


Kleinere Mitteilungen.

Keines Menschen Wort darf solche Gewalt über einen andern Menschen
haben, unterbrach ihn der Prediger. Du liegst im Banne falscher, trügerischer
Auffassungen, die durch die Lehre des heiligen Evangeliums noch nicht geläutert
sind, durch das Licht der göttlichen Offenbarung nicht geklärt. Soll Menschen¬
wort über Gotteswort gestellt werden?

Aber vergebens bot der Geistliche seine ganze Beredsamkeit auf, David
konnte den Druck, der auf ihm lastete, nicht abschütteln, und wenn auch sein
Körper sich erholte, sein Geist litt, und trotz der Dankbarkeit, die er empfand,
konnte er die Freudigkeit nicht fühlen, die der Prediger von ihm verlangte, sich
den Banden des Trübsinnes nicht entreißen. Alles war dunkel für ihn, und
es schien ihm nur ganz natürlich, daß auch Jeschka sich von ihm zurückzog; sie
kam nicht mehr, er sah sie nicht wieder. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Schwurgericht und Presse.

In den Reichstagsverhandlungen über den
Antrag, Preßvergehen vor die Geschwornen zu verweisen, haben wir nichts ge¬
funden, was nicht durch den Aufsatz über dieses Thema in Ur. 51 der Grenzboten
vom vorigen Jahre im voraus widerlegt wäre. Nur auf eine irrige Behauptung
eines Redners mag hier zurückgegriffen werden, weil durch sie eine Seite des
Gegenstandes berührt wird, die der erwähnte Aufsatz unberücksichtigt gelassen hat
und die doch für die Kritik des Antrages von Bedeutung ist. Es wurde nämlich
behauptet, die guten Erfahrungen, welche man in Oesterreich mit dem Schwnr-
gerichtsverfcchren für Preßvergehen gemacht habe, hätten dort die allgemeine Ein¬
führung desselben veranlaßt. Diese Darstellung entspricht den Thatsachen keines¬
wegs. Die Einführung der Schwurgerichte durch das liberale Ministerium war
selbstverständlich, handelte es sich doch dabei um einen Hauptpunkt des liberalen
Programms, und es war eine va-Melo böngvolouti^s, daß man der Presse die
Ausnahmestellung gewährte, bevor die gesetzgeberische Arbeit für die Reform des
Strafverfahrens überhaupt beendigt war. Hätte das Prinzip nicht festgestanden,
hätte nicht insbesondre Glaser, noch ehe er Minister wurde, als Professor und als
Abgeordneter eine so entschiedn? Stellung zu der Frage genommen, die Erfahrungen
mit den Preßprozessen würden schwerlich zu dem weiteren Schritt ermutigt haben.
Diese Erfahrungen gaben deu Anlaß zur Erfindung des sogenannten objektiven
Verfahrens, demzufolge ohne Zuziehung von Geschwornen ein Zeitungsaufsatz als
strafbar bezeichnet und vernichtet werden kann, während die Verantwortlicher Per¬
sonen unbehelligt bleiben, und sie nötigten dazu, in gewissen Fällen die eines Pre߬
vergehens beschuldigte» dem zuständigen Gerichte zu entziehen, sie vor ein Schwur¬
gericht außerhalb ihres Wohnkreises zu stellen. An dem objektiven Verfahren übte
der Abgeordnete Glaser die schärfste Kritik, der Minister Glaser aber ließ es in


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[0378] Kleinere Mitteilungen. Keines Menschen Wort darf solche Gewalt über einen andern Menschen haben, unterbrach ihn der Prediger. Du liegst im Banne falscher, trügerischer Auffassungen, die durch die Lehre des heiligen Evangeliums noch nicht geläutert sind, durch das Licht der göttlichen Offenbarung nicht geklärt. Soll Menschen¬ wort über Gotteswort gestellt werden? Aber vergebens bot der Geistliche seine ganze Beredsamkeit auf, David konnte den Druck, der auf ihm lastete, nicht abschütteln, und wenn auch sein Körper sich erholte, sein Geist litt, und trotz der Dankbarkeit, die er empfand, konnte er die Freudigkeit nicht fühlen, die der Prediger von ihm verlangte, sich den Banden des Trübsinnes nicht entreißen. Alles war dunkel für ihn, und es schien ihm nur ganz natürlich, daß auch Jeschka sich von ihm zurückzog; sie kam nicht mehr, er sah sie nicht wieder. (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Schwurgericht und Presse. In den Reichstagsverhandlungen über den Antrag, Preßvergehen vor die Geschwornen zu verweisen, haben wir nichts ge¬ funden, was nicht durch den Aufsatz über dieses Thema in Ur. 51 der Grenzboten vom vorigen Jahre im voraus widerlegt wäre. Nur auf eine irrige Behauptung eines Redners mag hier zurückgegriffen werden, weil durch sie eine Seite des Gegenstandes berührt wird, die der erwähnte Aufsatz unberücksichtigt gelassen hat und die doch für die Kritik des Antrages von Bedeutung ist. Es wurde nämlich behauptet, die guten Erfahrungen, welche man in Oesterreich mit dem Schwnr- gerichtsverfcchren für Preßvergehen gemacht habe, hätten dort die allgemeine Ein¬ führung desselben veranlaßt. Diese Darstellung entspricht den Thatsachen keines¬ wegs. Die Einführung der Schwurgerichte durch das liberale Ministerium war selbstverständlich, handelte es sich doch dabei um einen Hauptpunkt des liberalen Programms, und es war eine va-Melo böngvolouti^s, daß man der Presse die Ausnahmestellung gewährte, bevor die gesetzgeberische Arbeit für die Reform des Strafverfahrens überhaupt beendigt war. Hätte das Prinzip nicht festgestanden, hätte nicht insbesondre Glaser, noch ehe er Minister wurde, als Professor und als Abgeordneter eine so entschiedn? Stellung zu der Frage genommen, die Erfahrungen mit den Preßprozessen würden schwerlich zu dem weiteren Schritt ermutigt haben. Diese Erfahrungen gaben deu Anlaß zur Erfindung des sogenannten objektiven Verfahrens, demzufolge ohne Zuziehung von Geschwornen ein Zeitungsaufsatz als strafbar bezeichnet und vernichtet werden kann, während die Verantwortlicher Per¬ sonen unbehelligt bleiben, und sie nötigten dazu, in gewissen Fällen die eines Pre߬ vergehens beschuldigte» dem zuständigen Gerichte zu entziehen, sie vor ein Schwur¬ gericht außerhalb ihres Wohnkreises zu stellen. An dem objektiven Verfahren übte der Abgeordnete Glaser die schärfste Kritik, der Minister Glaser aber ließ es in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/378>, abgerufen am 21.06.2024.