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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Gottsched und die deutsche Sprache.

dischen Worten und ihren Verbindungen oft vorkommt, lauter 68xrit zu sein
scheine, der sich im Deutschen unmöglich so sinnreich, so artig und anmutig geben
und sagen lasse.

Im ersten Stücke seiner Zeitschrift: "Beiträge zur kritischen Historie der
deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit" veröffentlichte Gottsched einen
Aufsatz: "Von der Schönheit der deutschen Sprache," und als ein Ausländer
eine Erwiederung darauf geschrieben und die Schönheit der deutschen Sprache
bezweifelt hatte, ließ er sich im fünften Bande der Zeitschrift noch einmal in
einem geharnischten Aufsatze vernehmen. Er beginnt da mit den Worten: "Daß
ein Ausländer wider die in dem ersten Stücke behauptete Vollkommenheit der
deutschen Sprache Einwürfe gemacht, nimmt uns gar nicht Wunder. Es ist
unsern Nachbarn gegen Mittag und Abend etwas Gewöhnliches, daß sie sich
und alles Ihrige allein für klug, schön und vollkommen halten; alles aber, was
diesseits der Alpen oder diesseits des Rheines liegt, mit Verachtung ansehen."
Das war gegenüber der damals üblichen Beugung vor allem Ausländischen
ebenso tapfer als wahr. Seinen Deutschen aber erspart Gottsched einen harten
Vorwurf nicht, wenn er fortfährt: "Ob nicht unsre Landsleute durch ihre un¬
mäßige Hochschätzung alles dessen, was ausländisch ist, an solcher Verachtung
selbst Schuld haben, das will ich itzo nicht untersuchen."

In dem Aufsatze selbst weist Gottsched die Einwürfe des Ausländers
nicht mir ab, er giebt sie ihm zum Teil zurück. Wenn der Ausländer
der deutschen Sprache Armut vorwirft, antwortet Gottsched: "Gesetzt, der
Ausdruck geriete nicht allemal so kurz als der ausländische, so fehlt es uns
doch nicht an einer Menge von kurzen Redensarten, die von Ausländern mit
großer Weitläuftigkeit gegeben werden müssen. Z. E. Wir sagen mit einem
Worte reiten, fahren; und ein Franzose kann dieses nicht anders sagen als:
illlsr ü. czllsvg.1, s,11"zi' eir oMosss. Hernach haben wir eine Menge Wörter,
verschiedne Dinge auszudrücken, die ein Franzose in einem einzigen Worte ver¬
mischet. Wir sagen: einen Hut aufsetzen, eine Krause umbinden, das Kleid an¬
ziehen, den Mantel umnehmen, den Degen anstecken, das Gedenke umgürten.
Alles dieses muß dem Franzosen das einzige nrsttro anzeigen, welches eine ent¬
setzliche Armut anzeiget."

In dem erwähnten Aufsätze "Von der Schönheit der deutschen Sprache"
hat Gottsched alles das schon vorangedeutet, was er später für die deutsche
Sprache gethan hat; es sind darin die Keime enthalten nicht nur aller Vor¬
züge, sondern auch aller Schwächen seiner Thätigkeit auf sprachlichem Gebiete.
"Will man zeigen, wie weit man es in der Schönheit der Sprache gebracht hat.
so rede und schreibe man klar und deutlich." Das ist der Satz, von dem seine
ganze Thätigkeit ausgeht; Klarheit und Deutlichkeit der Sprache sind das Ziel,
dem seine ganze Thätigkeit auf dem Gebiete der Sprache zustrebt.

Das war für die Sprache gar gut und heilsam, sofern seine Thätigkeit


Gottsched und die deutsche Sprache.

dischen Worten und ihren Verbindungen oft vorkommt, lauter 68xrit zu sein
scheine, der sich im Deutschen unmöglich so sinnreich, so artig und anmutig geben
und sagen lasse.

Im ersten Stücke seiner Zeitschrift: „Beiträge zur kritischen Historie der
deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit" veröffentlichte Gottsched einen
Aufsatz: „Von der Schönheit der deutschen Sprache," und als ein Ausländer
eine Erwiederung darauf geschrieben und die Schönheit der deutschen Sprache
bezweifelt hatte, ließ er sich im fünften Bande der Zeitschrift noch einmal in
einem geharnischten Aufsatze vernehmen. Er beginnt da mit den Worten: „Daß
ein Ausländer wider die in dem ersten Stücke behauptete Vollkommenheit der
deutschen Sprache Einwürfe gemacht, nimmt uns gar nicht Wunder. Es ist
unsern Nachbarn gegen Mittag und Abend etwas Gewöhnliches, daß sie sich
und alles Ihrige allein für klug, schön und vollkommen halten; alles aber, was
diesseits der Alpen oder diesseits des Rheines liegt, mit Verachtung ansehen."
Das war gegenüber der damals üblichen Beugung vor allem Ausländischen
ebenso tapfer als wahr. Seinen Deutschen aber erspart Gottsched einen harten
Vorwurf nicht, wenn er fortfährt: „Ob nicht unsre Landsleute durch ihre un¬
mäßige Hochschätzung alles dessen, was ausländisch ist, an solcher Verachtung
selbst Schuld haben, das will ich itzo nicht untersuchen."

In dem Aufsatze selbst weist Gottsched die Einwürfe des Ausländers
nicht mir ab, er giebt sie ihm zum Teil zurück. Wenn der Ausländer
der deutschen Sprache Armut vorwirft, antwortet Gottsched: „Gesetzt, der
Ausdruck geriete nicht allemal so kurz als der ausländische, so fehlt es uns
doch nicht an einer Menge von kurzen Redensarten, die von Ausländern mit
großer Weitläuftigkeit gegeben werden müssen. Z. E. Wir sagen mit einem
Worte reiten, fahren; und ein Franzose kann dieses nicht anders sagen als:
illlsr ü. czllsvg.1, s,11«zi' eir oMosss. Hernach haben wir eine Menge Wörter,
verschiedne Dinge auszudrücken, die ein Franzose in einem einzigen Worte ver¬
mischet. Wir sagen: einen Hut aufsetzen, eine Krause umbinden, das Kleid an¬
ziehen, den Mantel umnehmen, den Degen anstecken, das Gedenke umgürten.
Alles dieses muß dem Franzosen das einzige nrsttro anzeigen, welches eine ent¬
setzliche Armut anzeiget."

In dem erwähnten Aufsätze „Von der Schönheit der deutschen Sprache"
hat Gottsched alles das schon vorangedeutet, was er später für die deutsche
Sprache gethan hat; es sind darin die Keime enthalten nicht nur aller Vor¬
züge, sondern auch aller Schwächen seiner Thätigkeit auf sprachlichem Gebiete.
„Will man zeigen, wie weit man es in der Schönheit der Sprache gebracht hat.
so rede und schreibe man klar und deutlich." Das ist der Satz, von dem seine
ganze Thätigkeit ausgeht; Klarheit und Deutlichkeit der Sprache sind das Ziel,
dem seine ganze Thätigkeit auf dem Gebiete der Sprache zustrebt.

Das war für die Sprache gar gut und heilsam, sofern seine Thätigkeit


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[0352] Gottsched und die deutsche Sprache. dischen Worten und ihren Verbindungen oft vorkommt, lauter 68xrit zu sein scheine, der sich im Deutschen unmöglich so sinnreich, so artig und anmutig geben und sagen lasse. Im ersten Stücke seiner Zeitschrift: „Beiträge zur kritischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit" veröffentlichte Gottsched einen Aufsatz: „Von der Schönheit der deutschen Sprache," und als ein Ausländer eine Erwiederung darauf geschrieben und die Schönheit der deutschen Sprache bezweifelt hatte, ließ er sich im fünften Bande der Zeitschrift noch einmal in einem geharnischten Aufsatze vernehmen. Er beginnt da mit den Worten: „Daß ein Ausländer wider die in dem ersten Stücke behauptete Vollkommenheit der deutschen Sprache Einwürfe gemacht, nimmt uns gar nicht Wunder. Es ist unsern Nachbarn gegen Mittag und Abend etwas Gewöhnliches, daß sie sich und alles Ihrige allein für klug, schön und vollkommen halten; alles aber, was diesseits der Alpen oder diesseits des Rheines liegt, mit Verachtung ansehen." Das war gegenüber der damals üblichen Beugung vor allem Ausländischen ebenso tapfer als wahr. Seinen Deutschen aber erspart Gottsched einen harten Vorwurf nicht, wenn er fortfährt: „Ob nicht unsre Landsleute durch ihre un¬ mäßige Hochschätzung alles dessen, was ausländisch ist, an solcher Verachtung selbst Schuld haben, das will ich itzo nicht untersuchen." In dem Aufsatze selbst weist Gottsched die Einwürfe des Ausländers nicht mir ab, er giebt sie ihm zum Teil zurück. Wenn der Ausländer der deutschen Sprache Armut vorwirft, antwortet Gottsched: „Gesetzt, der Ausdruck geriete nicht allemal so kurz als der ausländische, so fehlt es uns doch nicht an einer Menge von kurzen Redensarten, die von Ausländern mit großer Weitläuftigkeit gegeben werden müssen. Z. E. Wir sagen mit einem Worte reiten, fahren; und ein Franzose kann dieses nicht anders sagen als: illlsr ü. czllsvg.1, s,11«zi' eir oMosss. Hernach haben wir eine Menge Wörter, verschiedne Dinge auszudrücken, die ein Franzose in einem einzigen Worte ver¬ mischet. Wir sagen: einen Hut aufsetzen, eine Krause umbinden, das Kleid an¬ ziehen, den Mantel umnehmen, den Degen anstecken, das Gedenke umgürten. Alles dieses muß dem Franzosen das einzige nrsttro anzeigen, welches eine ent¬ setzliche Armut anzeiget." In dem erwähnten Aufsätze „Von der Schönheit der deutschen Sprache" hat Gottsched alles das schon vorangedeutet, was er später für die deutsche Sprache gethan hat; es sind darin die Keime enthalten nicht nur aller Vor¬ züge, sondern auch aller Schwächen seiner Thätigkeit auf sprachlichem Gebiete. „Will man zeigen, wie weit man es in der Schönheit der Sprache gebracht hat. so rede und schreibe man klar und deutlich." Das ist der Satz, von dem seine ganze Thätigkeit ausgeht; Klarheit und Deutlichkeit der Sprache sind das Ziel, dem seine ganze Thätigkeit auf dem Gebiete der Sprache zustrebt. Das war für die Sprache gar gut und heilsam, sofern seine Thätigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/352>, abgerufen am 21.06.2024.