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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

sätzlich unterschieden werden müßten. Sind sie niber, wie man glaubt, nicht
verschiedenartig, so kann es auch nicht überraschen, daß zu einer Zeit, wo der
Kapitalzins in stetigem Sinken begriffen ist, die Landrente in Mitleidenschaft
gezogen wird.

Offenbar ist die Zeit vorüber, wo der Grundherr auf einer festen, hohen
Rente bestehen konnte; wo er kraft seiner monopolistischen Stellung imstande
war, jeden Ausfall des Ertrages auf das Kapital und den Arbeitslohn abzu¬
wälzen und diesen Miterzeugern der Produkte von dem Ertrage nur soviel zu
lassen, als nach Berichtigung der Bodenrenke übrig blieb. Es kann dies hier
nicht im einzelnen begründet werden, aber es steht fest, und die Untersuchungen
Serings selbst beweisen es, daß jenes Monopol gebrochen ist, und daß die
Bodenrenke ebenso wie Kapital und Arbeit denselben allgemeinen Gesetzen unter¬
worfen ist. Daß sich die Grundeigentümer wehren, daß der Staat sich herbei¬
läßt, eine so große, achtbare und wichtige Klasse seiner Angehörigen, wie es die
Landeigentümer ohne Zweifel sind, durch Schutzzölle vor gänzlichem Ruin zu
wahren, ist nicht zu tadeln, so lange es sich nur um vorübergehende Ma߬
regeln handelt, um den Beteiligten Zeit zu lassen, sich auf die neuen Verhält¬
nisse einzurichten. Damit müßte aber Klärung und Belehrung Hand in Hand
gehen. Es müßte einmal -- was meines Wissens bisher nirgends geschehen
ist -- untersucht und festgestellt werden, wie viel bei heutigen Preisen die Wirt¬
schaft (d. h. Arbeit und Kapital) für die Bodenrenke übrig läßt. Dies würde
den heutigen naturgemäßen Wert des Grundeigentums erkennen lassen, und es
würde sich vielleicht ergeben, daß dieser Wert sich auch bei den heutigen Ge¬
treidepreisen nur etwas weniger gut als jedes andre Kapital verzinse. Das
Eingeständnis, daß sein Grundbesitz nicht so viel wert sei, als er glaubte oder
als er dafür bezahlte, kann dem Grundeigentümer nicht erspart werden, und
wenn er einsichtig ist, wird er zugestehen müssen, daß er in keiner schlimmern
Lage sei, als der Kapitalist, der seine Rente von sechs und fünf Prozent auf
4 und Zi/z Prozent hat schwinden sehen. Ob die Klasse der Grundbesitzer
zahlreicher und für den Staat wichtiger sei, als die der Kapitalisten, ist schwer
zu entscheiden. Gewiß aber ist es, daß die Kapitalisten bei dem Sinken des
Kapitalzinses die Hilfe des Staates nicht angerufen haben, obwohl viele tausende
von ihnen, Witwen, Waisen, erwerbsunfähige alte Leute hart bedrückt und ge¬
schädigt worden sind, ja daß der Staat gar nicht an Schutz gedacht, vielmehr
die günstige Gelegenheit benntzt hat, seine hochverzinslichen Schulden in niedriger
verzinsliche zu "konvertiren," wie der sanfte Ausdruck lautet.




Grenzboten I. 1888.L6
Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

sätzlich unterschieden werden müßten. Sind sie niber, wie man glaubt, nicht
verschiedenartig, so kann es auch nicht überraschen, daß zu einer Zeit, wo der
Kapitalzins in stetigem Sinken begriffen ist, die Landrente in Mitleidenschaft
gezogen wird.

Offenbar ist die Zeit vorüber, wo der Grundherr auf einer festen, hohen
Rente bestehen konnte; wo er kraft seiner monopolistischen Stellung imstande
war, jeden Ausfall des Ertrages auf das Kapital und den Arbeitslohn abzu¬
wälzen und diesen Miterzeugern der Produkte von dem Ertrage nur soviel zu
lassen, als nach Berichtigung der Bodenrenke übrig blieb. Es kann dies hier
nicht im einzelnen begründet werden, aber es steht fest, und die Untersuchungen
Serings selbst beweisen es, daß jenes Monopol gebrochen ist, und daß die
Bodenrenke ebenso wie Kapital und Arbeit denselben allgemeinen Gesetzen unter¬
worfen ist. Daß sich die Grundeigentümer wehren, daß der Staat sich herbei¬
läßt, eine so große, achtbare und wichtige Klasse seiner Angehörigen, wie es die
Landeigentümer ohne Zweifel sind, durch Schutzzölle vor gänzlichem Ruin zu
wahren, ist nicht zu tadeln, so lange es sich nur um vorübergehende Ma߬
regeln handelt, um den Beteiligten Zeit zu lassen, sich auf die neuen Verhält¬
nisse einzurichten. Damit müßte aber Klärung und Belehrung Hand in Hand
gehen. Es müßte einmal — was meines Wissens bisher nirgends geschehen
ist — untersucht und festgestellt werden, wie viel bei heutigen Preisen die Wirt¬
schaft (d. h. Arbeit und Kapital) für die Bodenrenke übrig läßt. Dies würde
den heutigen naturgemäßen Wert des Grundeigentums erkennen lassen, und es
würde sich vielleicht ergeben, daß dieser Wert sich auch bei den heutigen Ge¬
treidepreisen nur etwas weniger gut als jedes andre Kapital verzinse. Das
Eingeständnis, daß sein Grundbesitz nicht so viel wert sei, als er glaubte oder
als er dafür bezahlte, kann dem Grundeigentümer nicht erspart werden, und
wenn er einsichtig ist, wird er zugestehen müssen, daß er in keiner schlimmern
Lage sei, als der Kapitalist, der seine Rente von sechs und fünf Prozent auf
4 und Zi/z Prozent hat schwinden sehen. Ob die Klasse der Grundbesitzer
zahlreicher und für den Staat wichtiger sei, als die der Kapitalisten, ist schwer
zu entscheiden. Gewiß aber ist es, daß die Kapitalisten bei dem Sinken des
Kapitalzinses die Hilfe des Staates nicht angerufen haben, obwohl viele tausende
von ihnen, Witwen, Waisen, erwerbsunfähige alte Leute hart bedrückt und ge¬
schädigt worden sind, ja daß der Staat gar nicht an Schutz gedacht, vielmehr
die günstige Gelegenheit benntzt hat, seine hochverzinslichen Schulden in niedriger
verzinsliche zu „konvertiren," wie der sanfte Ausdruck lautet.




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[0289] Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz. sätzlich unterschieden werden müßten. Sind sie niber, wie man glaubt, nicht verschiedenartig, so kann es auch nicht überraschen, daß zu einer Zeit, wo der Kapitalzins in stetigem Sinken begriffen ist, die Landrente in Mitleidenschaft gezogen wird. Offenbar ist die Zeit vorüber, wo der Grundherr auf einer festen, hohen Rente bestehen konnte; wo er kraft seiner monopolistischen Stellung imstande war, jeden Ausfall des Ertrages auf das Kapital und den Arbeitslohn abzu¬ wälzen und diesen Miterzeugern der Produkte von dem Ertrage nur soviel zu lassen, als nach Berichtigung der Bodenrenke übrig blieb. Es kann dies hier nicht im einzelnen begründet werden, aber es steht fest, und die Untersuchungen Serings selbst beweisen es, daß jenes Monopol gebrochen ist, und daß die Bodenrenke ebenso wie Kapital und Arbeit denselben allgemeinen Gesetzen unter¬ worfen ist. Daß sich die Grundeigentümer wehren, daß der Staat sich herbei¬ läßt, eine so große, achtbare und wichtige Klasse seiner Angehörigen, wie es die Landeigentümer ohne Zweifel sind, durch Schutzzölle vor gänzlichem Ruin zu wahren, ist nicht zu tadeln, so lange es sich nur um vorübergehende Ma߬ regeln handelt, um den Beteiligten Zeit zu lassen, sich auf die neuen Verhält¬ nisse einzurichten. Damit müßte aber Klärung und Belehrung Hand in Hand gehen. Es müßte einmal — was meines Wissens bisher nirgends geschehen ist — untersucht und festgestellt werden, wie viel bei heutigen Preisen die Wirt¬ schaft (d. h. Arbeit und Kapital) für die Bodenrenke übrig läßt. Dies würde den heutigen naturgemäßen Wert des Grundeigentums erkennen lassen, und es würde sich vielleicht ergeben, daß dieser Wert sich auch bei den heutigen Ge¬ treidepreisen nur etwas weniger gut als jedes andre Kapital verzinse. Das Eingeständnis, daß sein Grundbesitz nicht so viel wert sei, als er glaubte oder als er dafür bezahlte, kann dem Grundeigentümer nicht erspart werden, und wenn er einsichtig ist, wird er zugestehen müssen, daß er in keiner schlimmern Lage sei, als der Kapitalist, der seine Rente von sechs und fünf Prozent auf 4 und Zi/z Prozent hat schwinden sehen. Ob die Klasse der Grundbesitzer zahlreicher und für den Staat wichtiger sei, als die der Kapitalisten, ist schwer zu entscheiden. Gewiß aber ist es, daß die Kapitalisten bei dem Sinken des Kapitalzinses die Hilfe des Staates nicht angerufen haben, obwohl viele tausende von ihnen, Witwen, Waisen, erwerbsunfähige alte Leute hart bedrückt und ge¬ schädigt worden sind, ja daß der Staat gar nicht an Schutz gedacht, vielmehr die günstige Gelegenheit benntzt hat, seine hochverzinslichen Schulden in niedriger verzinsliche zu „konvertiren," wie der sanfte Ausdruck lautet. Grenzboten I. 1888.L6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/289>, abgerufen am 22.06.2024.