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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

aufzuschwingen. Auch seine politische Bedeutung trage dazu bei, den amerika¬
nischen Arbeiter mit Ehrgeiz und Selbstbewußtsein zu erfüllen. Er stelle
deshalb ganz andre Ansprüche an Lohn, Behandlung und Verköstigung als sein
europäischer Standesgenosse. Die großen Verbände der Industriearbeiter bilden
bereits eine Macht und wirken auf die ländlichen Arbeiter zurück.

Der einzige sachliche Vorzug der amerikanischen Produktion vor der euro¬
päischen ist der niedrige Preis des Grund und Bodens und die dadurch er¬
möglichte extensive Kultur, welche auf eine hohe Technik begründet ist. In
den betreffenden Kapiteln finden sich manche anziehende Einzelheiten, wozu wir
namentlich die statistische Tabelle auf S. 202 rechnen. Hiernach betrug unter
anderm die Produktion und die Ausfuhr von Weizen in Busheln

Produktion: Ausfuhr:
1880 ..... 1754 591676 99 572 329
1881 ..... 1717 434 S43 93 643147
1882 ..... 1194616000 44340 683
1883 ..... 1617025100 41653 653
1884 ..... 1551066395 46 258 546
1885 ..... 1 795 528432 52 382 587.

Hiernach hat der Export von Weizen im Jahre 1885 gegen 1880 um 47 189 742
Bushels, d. h. beinahe um die Hälfte abgenommen. Es ist auffällig, daß Sering
diese Abnahme nicht betont, sondern nur hervorgehoben hat, daß von der ameri¬
kanischen Weizenproduktion ein Viertel bis zwei Fünftel zur Ausfuhr kommen.

Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich nun näher mit der Frage
nach der Zukunft unsrer amerikanischen Konkurrenz.

Fand Sering als Ursache derselben die Wirkung der Kolonisation Nord¬
amerikas auf die Weltwirtschaft, so glaubt er, diese Einwirkung werde so lange
fortdauern, als eine Ausdehnung der bebauten Flächen in der Union möglich sei.
Diesem Gegenstande widmet er mehr als 300 Seiten, welche eine sehr eingehende,
lehrreiche Schilderung enthalten von Kalifornien, Washington, Britisch-Kolumbien,
Kanada und den Staaten westlich und östlich vom Felsengebirge. Jeder denkende
Landwirt und jeder Nationalökonom, auch der Geograph wird in diesem Teile
Belehrung und Anregung finden. Wir für unsern Teil wollen uns hier auf
wenige Bemerkungen beschränken. Der Verfasser glaubt, daß bei der Feststellung
der äußersten Grenze, bis zu welcher die landwirtschaftliche Produktion Nord¬
amerikas anwachsen könne, es weniger auf die Möglichkeit der Produktions-
fteigerung überhaupt als auf die Schnelligkeit ankomme, in welcher sie sich voll¬
ziehen werde, d. h. darauf, ob sie mit der allgemeinen Vermehrung der
Bevölkerung nur Schritt halte oder ihr Voraneile. Das Anwachsen des ameri¬
kanischen Anbaues stehe aber unter dem Einflüsse mancher Hemmnisse. Dahin
rechnet er besonders, daß man das Land jetzt weniger liberal als früher an Ein¬
wandrer vergiebt, ferner daß die Rentabilität der Wirtschaft durch Steigerung
der Produktionskosten verringert worden ist.


Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

aufzuschwingen. Auch seine politische Bedeutung trage dazu bei, den amerika¬
nischen Arbeiter mit Ehrgeiz und Selbstbewußtsein zu erfüllen. Er stelle
deshalb ganz andre Ansprüche an Lohn, Behandlung und Verköstigung als sein
europäischer Standesgenosse. Die großen Verbände der Industriearbeiter bilden
bereits eine Macht und wirken auf die ländlichen Arbeiter zurück.

Der einzige sachliche Vorzug der amerikanischen Produktion vor der euro¬
päischen ist der niedrige Preis des Grund und Bodens und die dadurch er¬
möglichte extensive Kultur, welche auf eine hohe Technik begründet ist. In
den betreffenden Kapiteln finden sich manche anziehende Einzelheiten, wozu wir
namentlich die statistische Tabelle auf S. 202 rechnen. Hiernach betrug unter
anderm die Produktion und die Ausfuhr von Weizen in Busheln

Produktion: Ausfuhr:
1880 ..... 1754 591676 99 572 329
1881 ..... 1717 434 S43 93 643147
1882 ..... 1194616000 44340 683
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1884 ..... 1551066395 46 258 546
1885 ..... 1 795 528432 52 382 587.

Hiernach hat der Export von Weizen im Jahre 1885 gegen 1880 um 47 189 742
Bushels, d. h. beinahe um die Hälfte abgenommen. Es ist auffällig, daß Sering
diese Abnahme nicht betont, sondern nur hervorgehoben hat, daß von der ameri¬
kanischen Weizenproduktion ein Viertel bis zwei Fünftel zur Ausfuhr kommen.

Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich nun näher mit der Frage
nach der Zukunft unsrer amerikanischen Konkurrenz.

Fand Sering als Ursache derselben die Wirkung der Kolonisation Nord¬
amerikas auf die Weltwirtschaft, so glaubt er, diese Einwirkung werde so lange
fortdauern, als eine Ausdehnung der bebauten Flächen in der Union möglich sei.
Diesem Gegenstande widmet er mehr als 300 Seiten, welche eine sehr eingehende,
lehrreiche Schilderung enthalten von Kalifornien, Washington, Britisch-Kolumbien,
Kanada und den Staaten westlich und östlich vom Felsengebirge. Jeder denkende
Landwirt und jeder Nationalökonom, auch der Geograph wird in diesem Teile
Belehrung und Anregung finden. Wir für unsern Teil wollen uns hier auf
wenige Bemerkungen beschränken. Der Verfasser glaubt, daß bei der Feststellung
der äußersten Grenze, bis zu welcher die landwirtschaftliche Produktion Nord¬
amerikas anwachsen könne, es weniger auf die Möglichkeit der Produktions-
fteigerung überhaupt als auf die Schnelligkeit ankomme, in welcher sie sich voll¬
ziehen werde, d. h. darauf, ob sie mit der allgemeinen Vermehrung der
Bevölkerung nur Schritt halte oder ihr Voraneile. Das Anwachsen des ameri¬
kanischen Anbaues stehe aber unter dem Einflüsse mancher Hemmnisse. Dahin
rechnet er besonders, daß man das Land jetzt weniger liberal als früher an Ein¬
wandrer vergiebt, ferner daß die Rentabilität der Wirtschaft durch Steigerung
der Produktionskosten verringert worden ist.


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[0285] Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz. aufzuschwingen. Auch seine politische Bedeutung trage dazu bei, den amerika¬ nischen Arbeiter mit Ehrgeiz und Selbstbewußtsein zu erfüllen. Er stelle deshalb ganz andre Ansprüche an Lohn, Behandlung und Verköstigung als sein europäischer Standesgenosse. Die großen Verbände der Industriearbeiter bilden bereits eine Macht und wirken auf die ländlichen Arbeiter zurück. Der einzige sachliche Vorzug der amerikanischen Produktion vor der euro¬ päischen ist der niedrige Preis des Grund und Bodens und die dadurch er¬ möglichte extensive Kultur, welche auf eine hohe Technik begründet ist. In den betreffenden Kapiteln finden sich manche anziehende Einzelheiten, wozu wir namentlich die statistische Tabelle auf S. 202 rechnen. Hiernach betrug unter anderm die Produktion und die Ausfuhr von Weizen in Busheln Produktion: Ausfuhr: 1880 ..... 1754 591676 99 572 329 1881 ..... 1717 434 S43 93 643147 1882 ..... 1194616000 44340 683 1883 ..... 1617025100 41653 653 1884 ..... 1551066395 46 258 546 1885 ..... 1 795 528432 52 382 587. Hiernach hat der Export von Weizen im Jahre 1885 gegen 1880 um 47 189 742 Bushels, d. h. beinahe um die Hälfte abgenommen. Es ist auffällig, daß Sering diese Abnahme nicht betont, sondern nur hervorgehoben hat, daß von der ameri¬ kanischen Weizenproduktion ein Viertel bis zwei Fünftel zur Ausfuhr kommen. Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich nun näher mit der Frage nach der Zukunft unsrer amerikanischen Konkurrenz. Fand Sering als Ursache derselben die Wirkung der Kolonisation Nord¬ amerikas auf die Weltwirtschaft, so glaubt er, diese Einwirkung werde so lange fortdauern, als eine Ausdehnung der bebauten Flächen in der Union möglich sei. Diesem Gegenstande widmet er mehr als 300 Seiten, welche eine sehr eingehende, lehrreiche Schilderung enthalten von Kalifornien, Washington, Britisch-Kolumbien, Kanada und den Staaten westlich und östlich vom Felsengebirge. Jeder denkende Landwirt und jeder Nationalökonom, auch der Geograph wird in diesem Teile Belehrung und Anregung finden. Wir für unsern Teil wollen uns hier auf wenige Bemerkungen beschränken. Der Verfasser glaubt, daß bei der Feststellung der äußersten Grenze, bis zu welcher die landwirtschaftliche Produktion Nord¬ amerikas anwachsen könne, es weniger auf die Möglichkeit der Produktions- fteigerung überhaupt als auf die Schnelligkeit ankomme, in welcher sie sich voll¬ ziehen werde, d. h. darauf, ob sie mit der allgemeinen Vermehrung der Bevölkerung nur Schritt halte oder ihr Voraneile. Das Anwachsen des ameri¬ kanischen Anbaues stehe aber unter dem Einflüsse mancher Hemmnisse. Dahin rechnet er besonders, daß man das Land jetzt weniger liberal als früher an Ein¬ wandrer vergiebt, ferner daß die Rentabilität der Wirtschaft durch Steigerung der Produktionskosten verringert worden ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/285>, abgerufen am 22.06.2024.