Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.

schlössen wird, daß die Handlung durch ein Strafgesetz bereits mit Strafe be¬
droht ist, sonst würde man auf den Zustand kommen, daß man alle gesetzlichen
Vorschriften übertreten könnte, vorausgesetzt, daß man, wie sich Löwe ausdrückt,
dafür eine Steuer in Gestalt der angedrohten Strafe zahle. Einer solchen An¬
sicht wird wohl heutzutage niemand mehr beistimmen, und es muß deshalb, wie
dies auch das Oberverwaltuugsgericht anerkannt hat, überall der unmittelbare
Zwang ausgeübt werden, wo es sich um die Beseitigung eines dauernden Zu¬
standes handelt, dessen Fortdauer für das Gemeinwohl gefährlich ist. Dieser
Fall liegt vor, wenn ein zur Impfung verpflichteter, dessen Verpflichtung im
öffentlichen Interesse besteht, der Impfung dauernd entzogen wird, und somit
erscheint die Zwangsvollziehung der Impfung nur als eine folgerichtige Durch¬
führung der Bestimmungen des Jmpfgesetzcs und des preußischen Landesverwal-
tnngsgesetzes.

Da die Frage für viele von großem Interesse sein wird, so glaubte ich
diese Angelegenheit hier mitteilen zu dürfen.


Gelo Gerland.


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Gruft.

WHss
MWn der letzten Zeit ist die Litteratur der Aufzeichnungen von Er¬
lebnissen und Beobachtungen vorzüglich durch Politiker sächsischer
Herkunft bereichert worden; auf die Memoiren des Diplomaten
Vitzthum folgten die des Grafen Beust, jene ein verhältnismäßig
objektiv gehaltener Rückblick auf Erfahrungen des Verfassers in
seiner Eigenschaft als Vertreter des sächsischen Hofes bei verschiednen Gro߬
mächten, diese eine Schrift, die neben der Darstellung mich vielfach polemische
Zwecke, Angriffe auf die deutsche Politik Preußens und Rechtfertigung der geg¬
nerischen, deren begabtester Vertreter der Verfasser war, im Auge hatte. Beide
Werke enthielten mancherlei Interessantes, beide waren teilweise durch Mitteilung
von neuen Thatsachen wertvoll für den Geschichtschreiber, beide auch vortrefflich
in der Form, in welcher der obersächsische Stamm sich ja immer auszeichnete.
Jetzt ist zu ihnen ein dritter Memoirenschreiber desselben getreten, und zwar
kein geringerer als ein regierender Fürst, was seit Friedrich dem Großen unsers
Wissens nicht wieder vorgekommen ist. Unter dem Titel: Aus meinem Leben
und aus meiner Zeit giebt Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.

schlössen wird, daß die Handlung durch ein Strafgesetz bereits mit Strafe be¬
droht ist, sonst würde man auf den Zustand kommen, daß man alle gesetzlichen
Vorschriften übertreten könnte, vorausgesetzt, daß man, wie sich Löwe ausdrückt,
dafür eine Steuer in Gestalt der angedrohten Strafe zahle. Einer solchen An¬
sicht wird wohl heutzutage niemand mehr beistimmen, und es muß deshalb, wie
dies auch das Oberverwaltuugsgericht anerkannt hat, überall der unmittelbare
Zwang ausgeübt werden, wo es sich um die Beseitigung eines dauernden Zu¬
standes handelt, dessen Fortdauer für das Gemeinwohl gefährlich ist. Dieser
Fall liegt vor, wenn ein zur Impfung verpflichteter, dessen Verpflichtung im
öffentlichen Interesse besteht, der Impfung dauernd entzogen wird, und somit
erscheint die Zwangsvollziehung der Impfung nur als eine folgerichtige Durch¬
führung der Bestimmungen des Jmpfgesetzcs und des preußischen Landesverwal-
tnngsgesetzes.

Da die Frage für viele von großem Interesse sein wird, so glaubte ich
diese Angelegenheit hier mitteilen zu dürfen.


Gelo Gerland.


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Gruft.

WHss
MWn der letzten Zeit ist die Litteratur der Aufzeichnungen von Er¬
lebnissen und Beobachtungen vorzüglich durch Politiker sächsischer
Herkunft bereichert worden; auf die Memoiren des Diplomaten
Vitzthum folgten die des Grafen Beust, jene ein verhältnismäßig
objektiv gehaltener Rückblick auf Erfahrungen des Verfassers in
seiner Eigenschaft als Vertreter des sächsischen Hofes bei verschiednen Gro߬
mächten, diese eine Schrift, die neben der Darstellung mich vielfach polemische
Zwecke, Angriffe auf die deutsche Politik Preußens und Rechtfertigung der geg¬
nerischen, deren begabtester Vertreter der Verfasser war, im Auge hatte. Beide
Werke enthielten mancherlei Interessantes, beide waren teilweise durch Mitteilung
von neuen Thatsachen wertvoll für den Geschichtschreiber, beide auch vortrefflich
in der Form, in welcher der obersächsische Stamm sich ja immer auszeichnete.
Jetzt ist zu ihnen ein dritter Memoirenschreiber desselben getreten, und zwar
kein geringerer als ein regierender Fürst, was seit Friedrich dem Großen unsers
Wissens nicht wieder vorgekommen ist. Unter dem Titel: Aus meinem Leben
und aus meiner Zeit giebt Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202334"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_869" prev="#ID_868"> schlössen wird, daß die Handlung durch ein Strafgesetz bereits mit Strafe be¬<lb/>
droht ist, sonst würde man auf den Zustand kommen, daß man alle gesetzlichen<lb/>
Vorschriften übertreten könnte, vorausgesetzt, daß man, wie sich Löwe ausdrückt,<lb/>
dafür eine Steuer in Gestalt der angedrohten Strafe zahle. Einer solchen An¬<lb/>
sicht wird wohl heutzutage niemand mehr beistimmen, und es muß deshalb, wie<lb/>
dies auch das Oberverwaltuugsgericht anerkannt hat, überall der unmittelbare<lb/>
Zwang ausgeübt werden, wo es sich um die Beseitigung eines dauernden Zu¬<lb/>
standes handelt, dessen Fortdauer für das Gemeinwohl gefährlich ist. Dieser<lb/>
Fall liegt vor, wenn ein zur Impfung verpflichteter, dessen Verpflichtung im<lb/>
öffentlichen Interesse besteht, der Impfung dauernd entzogen wird, und somit<lb/>
erscheint die Zwangsvollziehung der Impfung nur als eine folgerichtige Durch¬<lb/>
führung der Bestimmungen des Jmpfgesetzcs und des preußischen Landesverwal-<lb/>
tnngsgesetzes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_870"> Da die Frage für viele von großem Interesse sein wird, so glaubte ich<lb/>
diese Angelegenheit hier mitteilen zu dürfen.</p><lb/>
          <note type="byline"> Gelo Gerland.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Gruft.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_871" next="#ID_872"> WHss<lb/>
MWn der letzten Zeit ist die Litteratur der Aufzeichnungen von Er¬<lb/>
lebnissen und Beobachtungen vorzüglich durch Politiker sächsischer<lb/>
Herkunft bereichert worden; auf die Memoiren des Diplomaten<lb/>
Vitzthum folgten die des Grafen Beust, jene ein verhältnismäßig<lb/>
objektiv gehaltener Rückblick auf Erfahrungen des Verfassers in<lb/>
seiner Eigenschaft als Vertreter des sächsischen Hofes bei verschiednen Gro߬<lb/>
mächten, diese eine Schrift, die neben der Darstellung mich vielfach polemische<lb/>
Zwecke, Angriffe auf die deutsche Politik Preußens und Rechtfertigung der geg¬<lb/>
nerischen, deren begabtester Vertreter der Verfasser war, im Auge hatte. Beide<lb/>
Werke enthielten mancherlei Interessantes, beide waren teilweise durch Mitteilung<lb/>
von neuen Thatsachen wertvoll für den Geschichtschreiber, beide auch vortrefflich<lb/>
in der Form, in welcher der obersächsische Stamm sich ja immer auszeichnete.<lb/>
Jetzt ist zu ihnen ein dritter Memoirenschreiber desselben getreten, und zwar<lb/>
kein geringerer als ein regierender Fürst, was seit Friedrich dem Großen unsers<lb/>
Wissens nicht wieder vorgekommen ist. Unter dem Titel: Aus meinem Leben<lb/>
und aus meiner Zeit giebt Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0235] Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst. schlössen wird, daß die Handlung durch ein Strafgesetz bereits mit Strafe be¬ droht ist, sonst würde man auf den Zustand kommen, daß man alle gesetzlichen Vorschriften übertreten könnte, vorausgesetzt, daß man, wie sich Löwe ausdrückt, dafür eine Steuer in Gestalt der angedrohten Strafe zahle. Einer solchen An¬ sicht wird wohl heutzutage niemand mehr beistimmen, und es muß deshalb, wie dies auch das Oberverwaltuugsgericht anerkannt hat, überall der unmittelbare Zwang ausgeübt werden, wo es sich um die Beseitigung eines dauernden Zu¬ standes handelt, dessen Fortdauer für das Gemeinwohl gefährlich ist. Dieser Fall liegt vor, wenn ein zur Impfung verpflichteter, dessen Verpflichtung im öffentlichen Interesse besteht, der Impfung dauernd entzogen wird, und somit erscheint die Zwangsvollziehung der Impfung nur als eine folgerichtige Durch¬ führung der Bestimmungen des Jmpfgesetzcs und des preußischen Landesverwal- tnngsgesetzes. Da die Frage für viele von großem Interesse sein wird, so glaubte ich diese Angelegenheit hier mitteilen zu dürfen. Gelo Gerland. Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Gruft. WHss MWn der letzten Zeit ist die Litteratur der Aufzeichnungen von Er¬ lebnissen und Beobachtungen vorzüglich durch Politiker sächsischer Herkunft bereichert worden; auf die Memoiren des Diplomaten Vitzthum folgten die des Grafen Beust, jene ein verhältnismäßig objektiv gehaltener Rückblick auf Erfahrungen des Verfassers in seiner Eigenschaft als Vertreter des sächsischen Hofes bei verschiednen Gro߬ mächten, diese eine Schrift, die neben der Darstellung mich vielfach polemische Zwecke, Angriffe auf die deutsche Politik Preußens und Rechtfertigung der geg¬ nerischen, deren begabtester Vertreter der Verfasser war, im Auge hatte. Beide Werke enthielten mancherlei Interessantes, beide waren teilweise durch Mitteilung von neuen Thatsachen wertvoll für den Geschichtschreiber, beide auch vortrefflich in der Form, in welcher der obersächsische Stamm sich ja immer auszeichnete. Jetzt ist zu ihnen ein dritter Memoirenschreiber desselben getreten, und zwar kein geringerer als ein regierender Fürst, was seit Friedrich dem Großen unsers Wissens nicht wieder vorgekommen ist. Unter dem Titel: Aus meinem Leben und aus meiner Zeit giebt Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/235
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/235>, abgerufen am 28.09.2024.