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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Versorgung der MilitäranwLrter.

in den Gemeindedienst eintretenden Militäranwärtern für den untergeordneten
Dienst auf 1200 Mark angenommen. Dieser Reichsbestimmung entgegen hat
das preußische Staatsbeamtenpensionsgesetz vom 27. März 1872 und das Neichs-
beamtengesetz vom 31. März 1873 bestimmt, daß den Reichs- und Staats¬
beamten des Zivildienstes der Bezug eines Einkommens ans dem Gemeindedienste
auf die Pension in keiner Weise in Anrechnung gebracht werden soll. Obgleich
man hiermit von den noch ein Jahr zuvor bei der Beratung des Militär-
Pensionsgesetzes aufgestellten Grundsätzen abwich, gelang es doch nicht, bei Be¬
ratung der am 4. April 1874 als Gesetz verkündigten Novelle zum letztern
Gesetze und auch nicht bei spätern Gelegenheiten, z. B. 1886, wo ich selbst mich
bemüht habe, persönlich auf Abgeordnete einzuwirken, für das Militär den
Grundsatz, mit dem Zivil gleichmäßig behandelt zu werden, durchzusetzen, und
fo besteht diese Ungleichheit noch fort, ohne daß man wissen kann, wann sie
beseitigt werden könnte.

Es ist kaum einzusehen, woher diese verschiedne Behandlung von Militär-
und Zivilpensionären stammt. Ich möchte annehmen, daß die ablehnende Mehr¬
heit des Reichstages zu wenig mit den einschlagenden thatsächlichen Verhält¬
nissen bekannt war, daß vielleicht aber auch die in vielen beteiligten Kreisen
herrschende Abneigung gegen die Anstellung von Militäranwärtern überhaupt
mitwirkte, worauf ich nochmals zurückkommen werde. Es muß aber auf diese
durch nichts gerechtfertigte ungleiche Behandlung immer und immer wieder hin¬
gewiesen werden, bis sie endlich beseitigt sein wird. Denn verteidigen läßt sie
sich nicht, weder rechtlich noch thatsächlich.

Es ist ja richtig, daß dieselbe Persönlichkeit nicht aus derselben Kasse
zweimal für eine einzige Dienstleistung Entschädigung erhalten kann. Ist also
eine pensionirte Militärperson in der Lage, ein andres Neichsamt übernehmen
zu können, und übernimmt sie ein solches, so kann sie, nachdem sie überhaupt
einmal dem Reiche ihre Kräfte zu Verfügung gestellt hat, nicht mehr an Ge¬
halt verlangen, als sie vor ihrer Pensionirung besaß, oder als die neue Stelle,
wenn sie mit einem höhern Gehalt versehen ist, einbringt. Es ist auch nur als
richtig anzuerkennen, wenn Reichs- und Staatsdienst in dieser Beziehung gleich¬
gestellt werden, da das Reich und die einzelnen Bundesstaaten ja finanziell,
wie z. B. mittels der Matrikularbeiträge u. s. w., in lebhafter Wechselbeziehung
stehen. Darüber hinausgehen aber heißt dem ausgedienter Militär die Aus¬
nutzung der ihm noch verbliebenen Arbeitskraft untersagen. Der Grund, die
Übernahme eines mit dem Hauptamte unvereinbarer Nebenamtes verhindern zu
müssen, liegt nicht mehr vor, sobald die Militärperson aus dem aktiven Dienste
ausgeschieden ist. Ist aber nichts dagegen einzuwenden -- und soweit würde
sicher niemand gehen wollen, dies zu thun --, daß ein Pensionär eine Stelle
bei einer Aktiengesellschaft, in einer Fabrik oder einem sonstigen Privatgeschäfte
oder auch ein Hofamt annimmt, ohne seiner Pension ganz oder teilweise ver-


Die Versorgung der MilitäranwLrter.

in den Gemeindedienst eintretenden Militäranwärtern für den untergeordneten
Dienst auf 1200 Mark angenommen. Dieser Reichsbestimmung entgegen hat
das preußische Staatsbeamtenpensionsgesetz vom 27. März 1872 und das Neichs-
beamtengesetz vom 31. März 1873 bestimmt, daß den Reichs- und Staats¬
beamten des Zivildienstes der Bezug eines Einkommens ans dem Gemeindedienste
auf die Pension in keiner Weise in Anrechnung gebracht werden soll. Obgleich
man hiermit von den noch ein Jahr zuvor bei der Beratung des Militär-
Pensionsgesetzes aufgestellten Grundsätzen abwich, gelang es doch nicht, bei Be¬
ratung der am 4. April 1874 als Gesetz verkündigten Novelle zum letztern
Gesetze und auch nicht bei spätern Gelegenheiten, z. B. 1886, wo ich selbst mich
bemüht habe, persönlich auf Abgeordnete einzuwirken, für das Militär den
Grundsatz, mit dem Zivil gleichmäßig behandelt zu werden, durchzusetzen, und
fo besteht diese Ungleichheit noch fort, ohne daß man wissen kann, wann sie
beseitigt werden könnte.

Es ist kaum einzusehen, woher diese verschiedne Behandlung von Militär-
und Zivilpensionären stammt. Ich möchte annehmen, daß die ablehnende Mehr¬
heit des Reichstages zu wenig mit den einschlagenden thatsächlichen Verhält¬
nissen bekannt war, daß vielleicht aber auch die in vielen beteiligten Kreisen
herrschende Abneigung gegen die Anstellung von Militäranwärtern überhaupt
mitwirkte, worauf ich nochmals zurückkommen werde. Es muß aber auf diese
durch nichts gerechtfertigte ungleiche Behandlung immer und immer wieder hin¬
gewiesen werden, bis sie endlich beseitigt sein wird. Denn verteidigen läßt sie
sich nicht, weder rechtlich noch thatsächlich.

Es ist ja richtig, daß dieselbe Persönlichkeit nicht aus derselben Kasse
zweimal für eine einzige Dienstleistung Entschädigung erhalten kann. Ist also
eine pensionirte Militärperson in der Lage, ein andres Neichsamt übernehmen
zu können, und übernimmt sie ein solches, so kann sie, nachdem sie überhaupt
einmal dem Reiche ihre Kräfte zu Verfügung gestellt hat, nicht mehr an Ge¬
halt verlangen, als sie vor ihrer Pensionirung besaß, oder als die neue Stelle,
wenn sie mit einem höhern Gehalt versehen ist, einbringt. Es ist auch nur als
richtig anzuerkennen, wenn Reichs- und Staatsdienst in dieser Beziehung gleich¬
gestellt werden, da das Reich und die einzelnen Bundesstaaten ja finanziell,
wie z. B. mittels der Matrikularbeiträge u. s. w., in lebhafter Wechselbeziehung
stehen. Darüber hinausgehen aber heißt dem ausgedienter Militär die Aus¬
nutzung der ihm noch verbliebenen Arbeitskraft untersagen. Der Grund, die
Übernahme eines mit dem Hauptamte unvereinbarer Nebenamtes verhindern zu
müssen, liegt nicht mehr vor, sobald die Militärperson aus dem aktiven Dienste
ausgeschieden ist. Ist aber nichts dagegen einzuwenden — und soweit würde
sicher niemand gehen wollen, dies zu thun —, daß ein Pensionär eine Stelle
bei einer Aktiengesellschaft, in einer Fabrik oder einem sonstigen Privatgeschäfte
oder auch ein Hofamt annimmt, ohne seiner Pension ganz oder teilweise ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/21>, abgerufen am 21.06.2024.