Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Konrad Ferdinand Meyers Versuchung des Pescara. geschichte mit einer historischen Brühe in usum volxtrini anzurichten, hat gerade In diesem Sinne darf die neueste Novelle Konrad Ferdinand Meyers: Konrad Ferdinand Meyers Versuchung des Pescara. geschichte mit einer historischen Brühe in usum volxtrini anzurichten, hat gerade In diesem Sinne darf die neueste Novelle Konrad Ferdinand Meyers: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202245"/> <fw type="header" place="top"> Konrad Ferdinand Meyers Versuchung des Pescara.</fw><lb/> <p xml:id="ID_498" prev="#ID_497"> geschichte mit einer historischen Brühe in usum volxtrini anzurichten, hat gerade<lb/> so viel Sinn, als schlechte Gliederpuppen mit zusammengctrödelten Theater-<lb/> gcwändern behängen, sie abzupinseln und für historische Bilder auszugeben. An<lb/> Machwerke dieser Art hält sich jene Anschauung, welche die poetische Bedeutung<lb/> und lebendige Wirkung des historischen Romans verneint, und leider muß zu¬<lb/> gestanden werden, daß selbst anerkannte, als vortrefflich gerühmte historische<lb/> Romane sich nicht weit über diese Linie erheben. Allein das Zerrbild hebt<lb/> den Wert des Bildes nicht auf, die Untersuchung über das Daseinsrecht und<lb/> die poetische Wirkungsfähigkeit des Romans hat eben erst da zu beginnen, wo<lb/> der unumgänglichen Forderung nach einem poetischen Motiv Genüge geleistet<lb/> ist, das aus dem historischen Stoffe erwächst.</p><lb/> <p xml:id="ID_499" next="#ID_500"> In diesem Sinne darf die neueste Novelle Konrad Ferdinand Meyers:<lb/> Die Versuchung des Pescara (Leipzig, Hüsscl) ein kleines Meisterstück<lb/> genannt werden. Das poetische Grundmotiv ist stark, eigentümlich und von<lb/> ergreifender Tragik, es ist rein menschlich, vollkommen verständlich, vollkommen<lb/> wirksam, aber es würde ohne die eigentümlichen historischen Voraussetzungen,<lb/> auf denen sich die Novelle aufbaut, gar nicht oder wenigstens nicht in dieser<lb/> Stärke und Deutlichkeit gedacht werden können. Die Novelle des schweizerischen<lb/> Dichters, welcher durch eine Reihe früherer Erfindungen die Teilnahme eines<lb/> großen Kreises gewonnen hat, spielt in den Monaten des Jahres 1525, welche<lb/> der Schlacht von Pavia folgten. Der Sieg der kaiserlichen und spanischen<lb/> Feldherren über König Franz von Frankreich hat das lange, blutige Ringen<lb/> um die Oberherrschaft in dem unglücklichen Italien entschieden, es ist geringe<lb/> Aussicht vorhanden, sich fernerhin der kaiserlichen, der spanischen Gewalt zu ent¬<lb/> winden. Mit dem Instinkt des Schwächern empfinden die italienischen Politiker,<lb/> daß die Fremdherrschaft Spaniens despotischer, unbarmherziger auf ihrem Lande<lb/> lasten wird als die Frankreichs, und mit dem Wagemut der Verzweiflung<lb/> planen sie eins von jenen Bündnissen, eine jener Halbverschwörungen, die damals<lb/> wie Seifenblasen entstanden und vergingen. Der Kanzler des Herzogs Francecco<lb/> von Mailand, Girolcuno Morone, träumt, der Liga zwischen Mailand, Venedig,<lb/> dem Papst und Frankreich einen Feldherrn in der Person des Marchese Pescara,<lb/> des ruhmgekrönten Soldaten von Pavia, zu gewinnen. Er kann sich nicht vor¬<lb/> stellen, und kein von der Kultur der Hochrenaissance erfüllter Mensch kann es,<lb/> daß Pescara der Lockung einer Königskrone, der von Neapel, widerstehen werde.<lb/> Er kann es umso weniger, als Pescara denn doch Italiener ist und ein Herz<lb/> für das Elend und Unheil haben muß, welches Italien droht, als der General<lb/> von der Eifersucht, dem Argwohn der Spanier längst umlauert wird, und was er<lb/> auch beginnen mag, einem schimpflichen Sturze aus der Gunst des Kaisers<lb/> schwerlich entgehen kann. In der That liegen die Dinge so, daß der Verrat<lb/> an Karl V., welcher Pescara angesonnen wird, beinahe die Weihe einer großen<lb/> nationalen Rettungsthat erhält, daß sich alles vereinigt, dem kühnen Plan Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
Konrad Ferdinand Meyers Versuchung des Pescara.
geschichte mit einer historischen Brühe in usum volxtrini anzurichten, hat gerade
so viel Sinn, als schlechte Gliederpuppen mit zusammengctrödelten Theater-
gcwändern behängen, sie abzupinseln und für historische Bilder auszugeben. An
Machwerke dieser Art hält sich jene Anschauung, welche die poetische Bedeutung
und lebendige Wirkung des historischen Romans verneint, und leider muß zu¬
gestanden werden, daß selbst anerkannte, als vortrefflich gerühmte historische
Romane sich nicht weit über diese Linie erheben. Allein das Zerrbild hebt
den Wert des Bildes nicht auf, die Untersuchung über das Daseinsrecht und
die poetische Wirkungsfähigkeit des Romans hat eben erst da zu beginnen, wo
der unumgänglichen Forderung nach einem poetischen Motiv Genüge geleistet
ist, das aus dem historischen Stoffe erwächst.
In diesem Sinne darf die neueste Novelle Konrad Ferdinand Meyers:
Die Versuchung des Pescara (Leipzig, Hüsscl) ein kleines Meisterstück
genannt werden. Das poetische Grundmotiv ist stark, eigentümlich und von
ergreifender Tragik, es ist rein menschlich, vollkommen verständlich, vollkommen
wirksam, aber es würde ohne die eigentümlichen historischen Voraussetzungen,
auf denen sich die Novelle aufbaut, gar nicht oder wenigstens nicht in dieser
Stärke und Deutlichkeit gedacht werden können. Die Novelle des schweizerischen
Dichters, welcher durch eine Reihe früherer Erfindungen die Teilnahme eines
großen Kreises gewonnen hat, spielt in den Monaten des Jahres 1525, welche
der Schlacht von Pavia folgten. Der Sieg der kaiserlichen und spanischen
Feldherren über König Franz von Frankreich hat das lange, blutige Ringen
um die Oberherrschaft in dem unglücklichen Italien entschieden, es ist geringe
Aussicht vorhanden, sich fernerhin der kaiserlichen, der spanischen Gewalt zu ent¬
winden. Mit dem Instinkt des Schwächern empfinden die italienischen Politiker,
daß die Fremdherrschaft Spaniens despotischer, unbarmherziger auf ihrem Lande
lasten wird als die Frankreichs, und mit dem Wagemut der Verzweiflung
planen sie eins von jenen Bündnissen, eine jener Halbverschwörungen, die damals
wie Seifenblasen entstanden und vergingen. Der Kanzler des Herzogs Francecco
von Mailand, Girolcuno Morone, träumt, der Liga zwischen Mailand, Venedig,
dem Papst und Frankreich einen Feldherrn in der Person des Marchese Pescara,
des ruhmgekrönten Soldaten von Pavia, zu gewinnen. Er kann sich nicht vor¬
stellen, und kein von der Kultur der Hochrenaissance erfüllter Mensch kann es,
daß Pescara der Lockung einer Königskrone, der von Neapel, widerstehen werde.
Er kann es umso weniger, als Pescara denn doch Italiener ist und ein Herz
für das Elend und Unheil haben muß, welches Italien droht, als der General
von der Eifersucht, dem Argwohn der Spanier längst umlauert wird, und was er
auch beginnen mag, einem schimpflichen Sturze aus der Gunst des Kaisers
schwerlich entgehen kann. In der That liegen die Dinge so, daß der Verrat
an Karl V., welcher Pescara angesonnen wird, beinahe die Weihe einer großen
nationalen Rettungsthat erhält, daß sich alles vereinigt, dem kühnen Plan Ge-
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