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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Hätte ich nicht gehört, was ihr gesprochen habt, wie hätte ich wissen können,
daß du nach einem Begleiter suchst!

Wer ist der Mensch, David?

Der Knabe, der dein Pferd hielt.

Ich bin Rüben, der Sohn des Karcütcn, beeilte sich dieser zu antworten.
David kann dir sagen, daß man uns hier haßt und verfolgt, weil der Glaube
unsrer Väter ein andrer ist, daß man uns mißhandelt, weil wir anders denken
als die übrigen Leute. Ich will alles thun, was du verlangst, um hier fort
zu kommen und die Aussicht zu haben, für mich und die Meinen ruhig und ge¬
achtet irgendwo in einem andern Lande leben zu können. Darum bitte ich
dich noch einmal, Herr, laß mich sein, was David dir sein sollte.

Das ist unmöglich, sagte Alexei kurz, während David vorwurfsvoll aus¬
rief: Hast du nicht noch immer Hilfe und Beistand gefunden?

Ja, von dir, antwortete Rüben. Wir thun keinem Menschen das geringste
zu Leide, leben still für uns, und wer, außer dir, hat je ein freundliches Wort
für uns gehabt? Ich bin zu schwach gegen die vielen, und vielleicht bist du
auch einmal nicht da, dann bin ich verloren. Und was sind wir beiden gegen
die viele" schlechten, bösen Menschen?

Warum bleibst du denn hier, wenn es dir so schlecht ergeht? Warum läßt
du es dir gefallen? Die Welt ist groß und steht dir wie jedem offen, der
Mut genug hat, es mit ihr aufzunehmen, sagte Alexei.

Was kann ich in fremdem Lande anfangen, wo man eine andre Sprache
spricht, andre Sitten, andre Gebräuche hat? Hast du David Beronski dort
unterbringen wollen, so kannst du auch für mich sorgen --

Die Bescheidenheit drückt dich nicht, Freund, sagte Alexei spöttisch, ich dächte,
mit David Beronski könntest du dich nicht messen, es ist eine Unverschämtheit,
dich ihm gleichzustellen. Außerdem versteht David deutsch, wie es bei uns ge¬
gesprochen wird.

Ich werde es lernen, ich werde alles lernen, was du verlangst, entgegnete
Rüben mit zäher Beharrlichkeit, indem er David einen haßerfüllten Blick bei
Alexeis verächtlichen Worten zuschleuderte.

Eine weite, unsichere Aussicht, sagte Alexei achselzuckend. Hast du bis jetzt
nichts gelernt --

Wenn der gelehrte David, dein Freund, mich lehren wollte --

Du hast eine seltene Hartnäckigkeit. Ich glaube kaum, daß David sich
dazu --

Sprich ein gutes Wort für mich mit ihm, Herr, bet ihm würde ich alles
lernen.

Daran zweifle ich nicht.

Ich habe keine Bücher, ich wüßte nicht einmal, wie ich es anfangen sollte,
sagte David abweisend und von Rubens Bitte peinlich berührt.


David Beronski.

Hätte ich nicht gehört, was ihr gesprochen habt, wie hätte ich wissen können,
daß du nach einem Begleiter suchst!

Wer ist der Mensch, David?

Der Knabe, der dein Pferd hielt.

Ich bin Rüben, der Sohn des Karcütcn, beeilte sich dieser zu antworten.
David kann dir sagen, daß man uns hier haßt und verfolgt, weil der Glaube
unsrer Väter ein andrer ist, daß man uns mißhandelt, weil wir anders denken
als die übrigen Leute. Ich will alles thun, was du verlangst, um hier fort
zu kommen und die Aussicht zu haben, für mich und die Meinen ruhig und ge¬
achtet irgendwo in einem andern Lande leben zu können. Darum bitte ich
dich noch einmal, Herr, laß mich sein, was David dir sein sollte.

Das ist unmöglich, sagte Alexei kurz, während David vorwurfsvoll aus¬
rief: Hast du nicht noch immer Hilfe und Beistand gefunden?

Ja, von dir, antwortete Rüben. Wir thun keinem Menschen das geringste
zu Leide, leben still für uns, und wer, außer dir, hat je ein freundliches Wort
für uns gehabt? Ich bin zu schwach gegen die vielen, und vielleicht bist du
auch einmal nicht da, dann bin ich verloren. Und was sind wir beiden gegen
die viele» schlechten, bösen Menschen?

Warum bleibst du denn hier, wenn es dir so schlecht ergeht? Warum läßt
du es dir gefallen? Die Welt ist groß und steht dir wie jedem offen, der
Mut genug hat, es mit ihr aufzunehmen, sagte Alexei.

Was kann ich in fremdem Lande anfangen, wo man eine andre Sprache
spricht, andre Sitten, andre Gebräuche hat? Hast du David Beronski dort
unterbringen wollen, so kannst du auch für mich sorgen —

Die Bescheidenheit drückt dich nicht, Freund, sagte Alexei spöttisch, ich dächte,
mit David Beronski könntest du dich nicht messen, es ist eine Unverschämtheit,
dich ihm gleichzustellen. Außerdem versteht David deutsch, wie es bei uns ge¬
gesprochen wird.

Ich werde es lernen, ich werde alles lernen, was du verlangst, entgegnete
Rüben mit zäher Beharrlichkeit, indem er David einen haßerfüllten Blick bei
Alexeis verächtlichen Worten zuschleuderte.

Eine weite, unsichere Aussicht, sagte Alexei achselzuckend. Hast du bis jetzt
nichts gelernt —

Wenn der gelehrte David, dein Freund, mich lehren wollte —

Du hast eine seltene Hartnäckigkeit. Ich glaube kaum, daß David sich
dazu —

Sprich ein gutes Wort für mich mit ihm, Herr, bet ihm würde ich alles
lernen.

Daran zweifle ich nicht.

Ich habe keine Bücher, ich wüßte nicht einmal, wie ich es anfangen sollte,
sagte David abweisend und von Rubens Bitte peinlich berührt.


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[0114] David Beronski. Hätte ich nicht gehört, was ihr gesprochen habt, wie hätte ich wissen können, daß du nach einem Begleiter suchst! Wer ist der Mensch, David? Der Knabe, der dein Pferd hielt. Ich bin Rüben, der Sohn des Karcütcn, beeilte sich dieser zu antworten. David kann dir sagen, daß man uns hier haßt und verfolgt, weil der Glaube unsrer Väter ein andrer ist, daß man uns mißhandelt, weil wir anders denken als die übrigen Leute. Ich will alles thun, was du verlangst, um hier fort zu kommen und die Aussicht zu haben, für mich und die Meinen ruhig und ge¬ achtet irgendwo in einem andern Lande leben zu können. Darum bitte ich dich noch einmal, Herr, laß mich sein, was David dir sein sollte. Das ist unmöglich, sagte Alexei kurz, während David vorwurfsvoll aus¬ rief: Hast du nicht noch immer Hilfe und Beistand gefunden? Ja, von dir, antwortete Rüben. Wir thun keinem Menschen das geringste zu Leide, leben still für uns, und wer, außer dir, hat je ein freundliches Wort für uns gehabt? Ich bin zu schwach gegen die vielen, und vielleicht bist du auch einmal nicht da, dann bin ich verloren. Und was sind wir beiden gegen die viele» schlechten, bösen Menschen? Warum bleibst du denn hier, wenn es dir so schlecht ergeht? Warum läßt du es dir gefallen? Die Welt ist groß und steht dir wie jedem offen, der Mut genug hat, es mit ihr aufzunehmen, sagte Alexei. Was kann ich in fremdem Lande anfangen, wo man eine andre Sprache spricht, andre Sitten, andre Gebräuche hat? Hast du David Beronski dort unterbringen wollen, so kannst du auch für mich sorgen — Die Bescheidenheit drückt dich nicht, Freund, sagte Alexei spöttisch, ich dächte, mit David Beronski könntest du dich nicht messen, es ist eine Unverschämtheit, dich ihm gleichzustellen. Außerdem versteht David deutsch, wie es bei uns ge¬ gesprochen wird. Ich werde es lernen, ich werde alles lernen, was du verlangst, entgegnete Rüben mit zäher Beharrlichkeit, indem er David einen haßerfüllten Blick bei Alexeis verächtlichen Worten zuschleuderte. Eine weite, unsichere Aussicht, sagte Alexei achselzuckend. Hast du bis jetzt nichts gelernt — Wenn der gelehrte David, dein Freund, mich lehren wollte — Du hast eine seltene Hartnäckigkeit. Ich glaube kaum, daß David sich dazu — Sprich ein gutes Wort für mich mit ihm, Herr, bet ihm würde ich alles lernen. Daran zweifle ich nicht. Ich habe keine Bücher, ich wüßte nicht einmal, wie ich es anfangen sollte, sagte David abweisend und von Rubens Bitte peinlich berührt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/114>, abgerufen am 28.09.2024.