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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Gb Krieg, ob Friede?

Deutschlands gewonnen: jene prachtvolle Venus, die auf einem im Rasen aus¬
gebreiteten Linnen schlummert und die bisher für eine Kopie nach Tizian galt,
während es vielmehr wahrscheinlich ist, daß Tizian nach dem Tode Givrgiones
das Bild vollendet hat, wodurch es als kunstgeschichtliches Denkmal noch ein
höheres Interesse gewinnen würde. Die nicht minder köstliche Begegnung
Jakobs mit Nadel, welche von Hübner auf Grund einer schou vor hundert
Jahren gefälschten Inschrift dem Giorgione zugeschrieben worden war, ist als
Eigenthum des Palma vecchio und zwar als ein hervorragendes Werk desselben
aus feiner spätern Zeit erkannt worden. Vier Brustbilder von Aposteln,
welche Hübner als untergeordnetes Gut in die Schule von Rubens verwiesen
halte, haben sich als interessante Jugendwerke van Dycks herausgestellt. Während
Hübner an dem sogenannten "Dresdner Altar" von Dürer das Mittelbild nicht
für eine eigenhändige Arbeit des Meisters hielt, tritt der neue Katalog ent¬
schieden für die Originalität des ganzen Altarwerkes ein, welches Dürer bald
nach seiner Rückkehr von der Wanderschaft ausgeführt haben muß. Dagegen
ist die grau in grau gemalte Kreuztragung endgiltig aus dem Werke Dürers
gestrichen worden.

Diese wenigen Proben mögen genügen, um den Ernst der Kritik zu kenn¬
zeichnen, mit welchem Woermann seine verantwortungsvolle Aufgabe gelöst hat.
Er hat sich nicht bloß damit begnügt, die vvrhandne Litteratur zu Rate zu
ziehen, sondern er ist auch mit Kennern und Spezialisten in briefliche und per¬
sönliche Verbindung getreten und hat sich u. a. auch der Mitwirkung des stets
hilfsbereiten Herrn Abraham Bredius in Amsterdam, des unermüdlichen, glück¬
lichen Durchfvrschers der holländischen Archive, und des Dr. Scheibler, eines in
hohem Ansehen stehenden Richters über altdeutsche und altniederländische Bilder,
zu erfreuen gehabt.

In noch höherm Grade als jeder seiner Vorgänger in Berlin. Wien,
Schwerin, München, Amsterdam u. s. w. ist der neue Katalog der Dresdner
Galerie das Ergebnis vielfältigen Zusammenwirkens, dem freilich eine glücklich
sichtende und ordnende Hand ein einheitliches Gepräge gegeben hat, eine Hand,
die von keinem andern Gedanken geleitet worden ist, als von dem Streben
nach Wahrheit.


Adolf Rosenberg.


Gb Krieg, ob Friede?

inige Tage vor Weihnachten versicherte der englische Premier¬
minister zu Derbh in öffentlicher Rede seinen Zuhörern, es sei
kein Grund zu der Befürchtung eines baldigen Krieges, welche
die Zeitungen und Börsen Europas ergriffen zu haben scheine.
Während der Festwoche und bis zum Jahresschlusse herrschte denn
in der That "Friede auf Erden," wie es sich um diese Zeit be¬
sonders schickt und gebührt. Aber die Kriegsgerüchte des letzten Monats im alten


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Deutschlands gewonnen: jene prachtvolle Venus, die auf einem im Rasen aus¬
gebreiteten Linnen schlummert und die bisher für eine Kopie nach Tizian galt,
während es vielmehr wahrscheinlich ist, daß Tizian nach dem Tode Givrgiones
das Bild vollendet hat, wodurch es als kunstgeschichtliches Denkmal noch ein
höheres Interesse gewinnen würde. Die nicht minder köstliche Begegnung
Jakobs mit Nadel, welche von Hübner auf Grund einer schou vor hundert
Jahren gefälschten Inschrift dem Giorgione zugeschrieben worden war, ist als
Eigenthum des Palma vecchio und zwar als ein hervorragendes Werk desselben
aus feiner spätern Zeit erkannt worden. Vier Brustbilder von Aposteln,
welche Hübner als untergeordnetes Gut in die Schule von Rubens verwiesen
halte, haben sich als interessante Jugendwerke van Dycks herausgestellt. Während
Hübner an dem sogenannten „Dresdner Altar" von Dürer das Mittelbild nicht
für eine eigenhändige Arbeit des Meisters hielt, tritt der neue Katalog ent¬
schieden für die Originalität des ganzen Altarwerkes ein, welches Dürer bald
nach seiner Rückkehr von der Wanderschaft ausgeführt haben muß. Dagegen
ist die grau in grau gemalte Kreuztragung endgiltig aus dem Werke Dürers
gestrichen worden.

Diese wenigen Proben mögen genügen, um den Ernst der Kritik zu kenn¬
zeichnen, mit welchem Woermann seine verantwortungsvolle Aufgabe gelöst hat.
Er hat sich nicht bloß damit begnügt, die vvrhandne Litteratur zu Rate zu
ziehen, sondern er ist auch mit Kennern und Spezialisten in briefliche und per¬
sönliche Verbindung getreten und hat sich u. a. auch der Mitwirkung des stets
hilfsbereiten Herrn Abraham Bredius in Amsterdam, des unermüdlichen, glück¬
lichen Durchfvrschers der holländischen Archive, und des Dr. Scheibler, eines in
hohem Ansehen stehenden Richters über altdeutsche und altniederländische Bilder,
zu erfreuen gehabt.

In noch höherm Grade als jeder seiner Vorgänger in Berlin. Wien,
Schwerin, München, Amsterdam u. s. w. ist der neue Katalog der Dresdner
Galerie das Ergebnis vielfältigen Zusammenwirkens, dem freilich eine glücklich
sichtende und ordnende Hand ein einheitliches Gepräge gegeben hat, eine Hand,
die von keinem andern Gedanken geleitet worden ist, als von dem Streben
nach Wahrheit.


Adolf Rosenberg.


Gb Krieg, ob Friede?

inige Tage vor Weihnachten versicherte der englische Premier¬
minister zu Derbh in öffentlicher Rede seinen Zuhörern, es sei
kein Grund zu der Befürchtung eines baldigen Krieges, welche
die Zeitungen und Börsen Europas ergriffen zu haben scheine.
Während der Festwoche und bis zum Jahresschlusse herrschte denn
in der That „Friede auf Erden," wie es sich um diese Zeit be¬
sonders schickt und gebührt. Aber die Kriegsgerüchte des letzten Monats im alten


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[0106] Gb Krieg, ob Friede? Deutschlands gewonnen: jene prachtvolle Venus, die auf einem im Rasen aus¬ gebreiteten Linnen schlummert und die bisher für eine Kopie nach Tizian galt, während es vielmehr wahrscheinlich ist, daß Tizian nach dem Tode Givrgiones das Bild vollendet hat, wodurch es als kunstgeschichtliches Denkmal noch ein höheres Interesse gewinnen würde. Die nicht minder köstliche Begegnung Jakobs mit Nadel, welche von Hübner auf Grund einer schou vor hundert Jahren gefälschten Inschrift dem Giorgione zugeschrieben worden war, ist als Eigenthum des Palma vecchio und zwar als ein hervorragendes Werk desselben aus feiner spätern Zeit erkannt worden. Vier Brustbilder von Aposteln, welche Hübner als untergeordnetes Gut in die Schule von Rubens verwiesen halte, haben sich als interessante Jugendwerke van Dycks herausgestellt. Während Hübner an dem sogenannten „Dresdner Altar" von Dürer das Mittelbild nicht für eine eigenhändige Arbeit des Meisters hielt, tritt der neue Katalog ent¬ schieden für die Originalität des ganzen Altarwerkes ein, welches Dürer bald nach seiner Rückkehr von der Wanderschaft ausgeführt haben muß. Dagegen ist die grau in grau gemalte Kreuztragung endgiltig aus dem Werke Dürers gestrichen worden. Diese wenigen Proben mögen genügen, um den Ernst der Kritik zu kenn¬ zeichnen, mit welchem Woermann seine verantwortungsvolle Aufgabe gelöst hat. Er hat sich nicht bloß damit begnügt, die vvrhandne Litteratur zu Rate zu ziehen, sondern er ist auch mit Kennern und Spezialisten in briefliche und per¬ sönliche Verbindung getreten und hat sich u. a. auch der Mitwirkung des stets hilfsbereiten Herrn Abraham Bredius in Amsterdam, des unermüdlichen, glück¬ lichen Durchfvrschers der holländischen Archive, und des Dr. Scheibler, eines in hohem Ansehen stehenden Richters über altdeutsche und altniederländische Bilder, zu erfreuen gehabt. In noch höherm Grade als jeder seiner Vorgänger in Berlin. Wien, Schwerin, München, Amsterdam u. s. w. ist der neue Katalog der Dresdner Galerie das Ergebnis vielfältigen Zusammenwirkens, dem freilich eine glücklich sichtende und ordnende Hand ein einheitliches Gepräge gegeben hat, eine Hand, die von keinem andern Gedanken geleitet worden ist, als von dem Streben nach Wahrheit. Adolf Rosenberg. Gb Krieg, ob Friede? inige Tage vor Weihnachten versicherte der englische Premier¬ minister zu Derbh in öffentlicher Rede seinen Zuhörern, es sei kein Grund zu der Befürchtung eines baldigen Krieges, welche die Zeitungen und Börsen Europas ergriffen zu haben scheine. Während der Festwoche und bis zum Jahresschlusse herrschte denn in der That „Friede auf Erden," wie es sich um diese Zeit be¬ sonders schickt und gebührt. Aber die Kriegsgerüchte des letzten Monats im alten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/106>, abgerufen am 27.06.2024.