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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Sie Gegner des deutschen Sprachvereins.

Lassen wir den guten Geschmack walten! Gildemeister giebt zu, daß durch
ihn das Übel besser geworden sei -- es wird immer besser werden! Aber der
gute Geschmack läßt sich Schulen, verfeinern, verbreiten. Darnach strebt der
deutsche Sprachverein.

Mit der Nennung von Wörtern wie Resultat, Prinzip. Kombination,
Nüance habe ich in ein Wespennest gestochen. Die Gegner beweisen uns, daß
zwischen Resultat und Ergebnis, Grazie und Anmut, kokett und gefallsüchtig,
Handschrift und Manuskript, Existenz und Dasein, Unwissenheit und Ignoranz,
Grundsatz und Prinzip eilen-, ja klafterweitc Unterschiede bestehen. "Ich denke
^ sagt Gildemeister (S. 111) -- nicht schlecht von Leuten, die diese Unter¬
schiede nicht verstehe", aber sie dürfen nicht mitreden." "Sie dürfen -- setzt
Rümelin hinzu -- sich nicht für berufen halten, andern Ratschläge zü erteilen,
für welche auch die unscheinbarsten Schattirungen und Spaltungen noch eine
willkommene Vereichernng ihres Gedanken- und Wortschatzes bieten."

Mir. der ich nicht Sprachkenner bin, sind nun diese feinen Unterschiede
nicht allenthalben klar. Gleichwohl bildet gerade dieser Einwand der Gegner
für mich den Beweggrund, aus dem ich mich an den heutigen Vortrag heran¬
gewagt habe. Ich habe gefunden, daß jenen Männern noch niemand gesagt
hat, wie gerade dieses ihr Bollwerk das allerschwäclM ist.

Es wird mir jeder zugeben, daß unsre drei Gegner gerade hier bei der
Auswahl der von ihnen angewandten -- sagen wir absichtlich angewandten --
Fremdwörter äußerst vorsichtig zu Werke gegangen sind. Grimm zeigt sogar
in einer lungern Aufeinanderfolge von Sätzen, daß und warum er statt der je
im vorhergehenden Satze gebrauchten Fremdwörter nicht deutsche gewählt habe.
Am Schlüsse der Folge sagt er: "Resultat ist nicht einfach Ergebnis, sondern
das Fazit einer Reihe ineinandergreifender Erscheinungen. Das Fazit ergiebt
sich aus dem mechanischen Znsammenrechnen einzelner Teile, bei Resultat denkt
man mehr an den Abschluß scharfer Gedankenarbeit." Das kann so sein, aber
es muß nicht. Wir sprechen vom Ergebnis einer wissenschaftlichen Unter¬
suchung, einer Staatsprüfung, einer Entscheidung des Reichsgerichts; aber es
wird umgekehrt gesprochen vom Resultat eines Zmeikampfes, der Neichstags-
wcchlen, einer Geldsammlung, wobei doch, von Gedankenarbeit nichts zu spüren
ist. "Kombination -- sagt Grimm -- ist nicht Zusammenstellung; in Kombi¬
nation ist der Begriff des Zusammenstellens zu einem wissenschaftlichen Werke
enthalten." Welche Lehrer dächte dabei nicht an kombinirte Schulklassen, ver¬
einigt, um etwa die Erkrankung eines Lehrers auszugleichen!") Der berühmte
Jurist von Jhering giebt in seinem Werke "Der Zweck im Rechte" einer Be¬
trachtung die Überschrift "Der ideale Lohn und die Kombination desselben mit



") Die Mißbildung "kombinirbarc Rundrcisebillets " kann hier natürlich nicht heran¬
gezogen werden.
Sie Gegner des deutschen Sprachvereins.

Lassen wir den guten Geschmack walten! Gildemeister giebt zu, daß durch
ihn das Übel besser geworden sei — es wird immer besser werden! Aber der
gute Geschmack läßt sich Schulen, verfeinern, verbreiten. Darnach strebt der
deutsche Sprachverein.

Mit der Nennung von Wörtern wie Resultat, Prinzip. Kombination,
Nüance habe ich in ein Wespennest gestochen. Die Gegner beweisen uns, daß
zwischen Resultat und Ergebnis, Grazie und Anmut, kokett und gefallsüchtig,
Handschrift und Manuskript, Existenz und Dasein, Unwissenheit und Ignoranz,
Grundsatz und Prinzip eilen-, ja klafterweitc Unterschiede bestehen. „Ich denke
^ sagt Gildemeister (S. 111) — nicht schlecht von Leuten, die diese Unter¬
schiede nicht verstehe», aber sie dürfen nicht mitreden." „Sie dürfen — setzt
Rümelin hinzu — sich nicht für berufen halten, andern Ratschläge zü erteilen,
für welche auch die unscheinbarsten Schattirungen und Spaltungen noch eine
willkommene Vereichernng ihres Gedanken- und Wortschatzes bieten."

Mir. der ich nicht Sprachkenner bin, sind nun diese feinen Unterschiede
nicht allenthalben klar. Gleichwohl bildet gerade dieser Einwand der Gegner
für mich den Beweggrund, aus dem ich mich an den heutigen Vortrag heran¬
gewagt habe. Ich habe gefunden, daß jenen Männern noch niemand gesagt
hat, wie gerade dieses ihr Bollwerk das allerschwäclM ist.

Es wird mir jeder zugeben, daß unsre drei Gegner gerade hier bei der
Auswahl der von ihnen angewandten — sagen wir absichtlich angewandten —
Fremdwörter äußerst vorsichtig zu Werke gegangen sind. Grimm zeigt sogar
in einer lungern Aufeinanderfolge von Sätzen, daß und warum er statt der je
im vorhergehenden Satze gebrauchten Fremdwörter nicht deutsche gewählt habe.
Am Schlüsse der Folge sagt er: „Resultat ist nicht einfach Ergebnis, sondern
das Fazit einer Reihe ineinandergreifender Erscheinungen. Das Fazit ergiebt
sich aus dem mechanischen Znsammenrechnen einzelner Teile, bei Resultat denkt
man mehr an den Abschluß scharfer Gedankenarbeit." Das kann so sein, aber
es muß nicht. Wir sprechen vom Ergebnis einer wissenschaftlichen Unter¬
suchung, einer Staatsprüfung, einer Entscheidung des Reichsgerichts; aber es
wird umgekehrt gesprochen vom Resultat eines Zmeikampfes, der Neichstags-
wcchlen, einer Geldsammlung, wobei doch, von Gedankenarbeit nichts zu spüren
ist. „Kombination — sagt Grimm — ist nicht Zusammenstellung; in Kombi¬
nation ist der Begriff des Zusammenstellens zu einem wissenschaftlichen Werke
enthalten." Welche Lehrer dächte dabei nicht an kombinirte Schulklassen, ver¬
einigt, um etwa die Erkrankung eines Lehrers auszugleichen!") Der berühmte
Jurist von Jhering giebt in seinem Werke „Der Zweck im Rechte" einer Be¬
trachtung die Überschrift „Der ideale Lohn und die Kombination desselben mit



») Die Mißbildung „kombinirbarc Rundrcisebillets " kann hier natürlich nicht heran¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/85>, abgerufen am 17.09.2024.