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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Gegner des deutschen Sprachvereins.

die Pflege des Einheimischen in ihr. Daß aber diesem Ziele getreulich nach¬
gegangen wird, davon legt fast jede Nummer unsrer Vereinszeitung, legt der
Inhalt der in den Zweigvereinen gehaltenen Vorträge reichlich Zeugnis ab.
Ich habe es darnach hier nur zu thun mit der Besprechung des Kampfes gegen
unser Streben nach Reinigung von unnötigen fremden Bestandteilen, also mit
dem Kampfe gegen § ig. unsers Vereinsgesetzes.

Zweitens. Unter den Gegnern verstehe ich nur diejenigen, welche in lehr¬
reichen, wohldurchdachten Aufsätzen gegen die Fremdwortbekämpfer aufgetreten
sind. Ihre Zahl ist nicht klein. Aber Inhalt und Umfang ihrer Gründe sind
eng begrenzt, überall kehrt mehr oder weniger dasselbe wieder. Ich beschränke
mich daher auf die Besprechung einiger Kundgebungen, und zwar derjenigen,
die mir einerseits als die bedeutendsten, anderseits als die eigenartigsten erschienen
sind. Es sind dies folgende: Otto Gildemeisters Aufsatz: Der Kampf
gegen die Fremdwörter, abgedruckt in der "Deutschen Rundschau" (1886,
Juliheft); Herman Grimms "Essay": Die Bereicherung der deutschen
Sprache durch Aufnahme fremder Wörter, gleichfalls abgedruckt in der
Rundschau (1886, Augustheft). und Gustav Rümelins (Kanzlers der Universität
Tübingen) Vortrag: Die Berechtigung der Fremdwörter, Rede zur aka¬
demischen Preisverteilung an, 6. November 1886 (in besonderm Abdruck bereits
in zweiter Auflage erschienen).

Es ist nun keine dieser Kundgebungen ausdrücklich gegen den Sprachverein
gerichtet. Aber thatsächlich gelten sie ihm. Gildemeister leitet seinen Aufsatz
mit den Worten ein: "Gebrauche nie ein Fremdwort, wenn du es durch ein
gutes deutsches Wort ersetzen kannst. So lautet heute das Gebot der gemäßigten
Sprachreiniger." Er schließt mit den Worten: "Nur ist zu besorgen, daß der
Kampfeifcr, wie er sich in Vereinen und patriotischen Kränzchen entfaltet.. .,
einer gewissen dogmatischen, ich hätte fast gesagt schulmeisterlichen Sprach¬
behandlung mehr Vorschub leisten möchte, als gut ist." An einer dritten Stelle
sagt er: "Ein Fortschritt zum Bessern scheint mir unverkennbar, und was die
Hauptsache ist, dieser Fortschritt ist spontan, eine Frucht des empfindlicher ge¬
wordenen Geschmacks, nicht eines deutschtümelnden Terrorismus." Rümelin
sagt im Eingange seines Vortrages: "Die Frage über Zulassung der Fremd¬
wörter ist neuerdings wieder lebhafter zur Sprache gekommen." Grimm ruft
gegen den Schluß seines Aufsatzes aus: "Warum das Volk beunruhigen, als
thäten seine Schriftsteller heut ihre Pflicht nicht? Als seien die Massen berufen,
aufzupassen, wie der Einzelne seine Rede formt? Es ist, als wollte man Vereine
bilden, um darüber zu wachen, daß Eltern ihre Kinder nicht verhungern lassen."

Es giebt jetzt keine andern Sprachvereine als den Allgemeinen deutschen.
Die "Terroristen" sind also wir. Der Kampf gilt der großen Sprachbewegung
unsrer Tage, die es unternimmt, befreiend einzuwirken, und deren thatkräftigster
Ausfluß eben der Allgemeine deutsche Sprachverein ist. Ich stelle das nur


Die Gegner des deutschen Sprachvereins.

die Pflege des Einheimischen in ihr. Daß aber diesem Ziele getreulich nach¬
gegangen wird, davon legt fast jede Nummer unsrer Vereinszeitung, legt der
Inhalt der in den Zweigvereinen gehaltenen Vorträge reichlich Zeugnis ab.
Ich habe es darnach hier nur zu thun mit der Besprechung des Kampfes gegen
unser Streben nach Reinigung von unnötigen fremden Bestandteilen, also mit
dem Kampfe gegen § ig. unsers Vereinsgesetzes.

Zweitens. Unter den Gegnern verstehe ich nur diejenigen, welche in lehr¬
reichen, wohldurchdachten Aufsätzen gegen die Fremdwortbekämpfer aufgetreten
sind. Ihre Zahl ist nicht klein. Aber Inhalt und Umfang ihrer Gründe sind
eng begrenzt, überall kehrt mehr oder weniger dasselbe wieder. Ich beschränke
mich daher auf die Besprechung einiger Kundgebungen, und zwar derjenigen,
die mir einerseits als die bedeutendsten, anderseits als die eigenartigsten erschienen
sind. Es sind dies folgende: Otto Gildemeisters Aufsatz: Der Kampf
gegen die Fremdwörter, abgedruckt in der „Deutschen Rundschau" (1886,
Juliheft); Herman Grimms „Essay": Die Bereicherung der deutschen
Sprache durch Aufnahme fremder Wörter, gleichfalls abgedruckt in der
Rundschau (1886, Augustheft). und Gustav Rümelins (Kanzlers der Universität
Tübingen) Vortrag: Die Berechtigung der Fremdwörter, Rede zur aka¬
demischen Preisverteilung an, 6. November 1886 (in besonderm Abdruck bereits
in zweiter Auflage erschienen).

Es ist nun keine dieser Kundgebungen ausdrücklich gegen den Sprachverein
gerichtet. Aber thatsächlich gelten sie ihm. Gildemeister leitet seinen Aufsatz
mit den Worten ein: „Gebrauche nie ein Fremdwort, wenn du es durch ein
gutes deutsches Wort ersetzen kannst. So lautet heute das Gebot der gemäßigten
Sprachreiniger." Er schließt mit den Worten: „Nur ist zu besorgen, daß der
Kampfeifcr, wie er sich in Vereinen und patriotischen Kränzchen entfaltet.. .,
einer gewissen dogmatischen, ich hätte fast gesagt schulmeisterlichen Sprach¬
behandlung mehr Vorschub leisten möchte, als gut ist." An einer dritten Stelle
sagt er: „Ein Fortschritt zum Bessern scheint mir unverkennbar, und was die
Hauptsache ist, dieser Fortschritt ist spontan, eine Frucht des empfindlicher ge¬
wordenen Geschmacks, nicht eines deutschtümelnden Terrorismus." Rümelin
sagt im Eingange seines Vortrages: „Die Frage über Zulassung der Fremd¬
wörter ist neuerdings wieder lebhafter zur Sprache gekommen." Grimm ruft
gegen den Schluß seines Aufsatzes aus: „Warum das Volk beunruhigen, als
thäten seine Schriftsteller heut ihre Pflicht nicht? Als seien die Massen berufen,
aufzupassen, wie der Einzelne seine Rede formt? Es ist, als wollte man Vereine
bilden, um darüber zu wachen, daß Eltern ihre Kinder nicht verhungern lassen."

Es giebt jetzt keine andern Sprachvereine als den Allgemeinen deutschen.
Die „Terroristen" sind also wir. Der Kampf gilt der großen Sprachbewegung
unsrer Tage, die es unternimmt, befreiend einzuwirken, und deren thatkräftigster
Ausfluß eben der Allgemeine deutsche Sprachverein ist. Ich stelle das nur


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[0078] Die Gegner des deutschen Sprachvereins. die Pflege des Einheimischen in ihr. Daß aber diesem Ziele getreulich nach¬ gegangen wird, davon legt fast jede Nummer unsrer Vereinszeitung, legt der Inhalt der in den Zweigvereinen gehaltenen Vorträge reichlich Zeugnis ab. Ich habe es darnach hier nur zu thun mit der Besprechung des Kampfes gegen unser Streben nach Reinigung von unnötigen fremden Bestandteilen, also mit dem Kampfe gegen § ig. unsers Vereinsgesetzes. Zweitens. Unter den Gegnern verstehe ich nur diejenigen, welche in lehr¬ reichen, wohldurchdachten Aufsätzen gegen die Fremdwortbekämpfer aufgetreten sind. Ihre Zahl ist nicht klein. Aber Inhalt und Umfang ihrer Gründe sind eng begrenzt, überall kehrt mehr oder weniger dasselbe wieder. Ich beschränke mich daher auf die Besprechung einiger Kundgebungen, und zwar derjenigen, die mir einerseits als die bedeutendsten, anderseits als die eigenartigsten erschienen sind. Es sind dies folgende: Otto Gildemeisters Aufsatz: Der Kampf gegen die Fremdwörter, abgedruckt in der „Deutschen Rundschau" (1886, Juliheft); Herman Grimms „Essay": Die Bereicherung der deutschen Sprache durch Aufnahme fremder Wörter, gleichfalls abgedruckt in der Rundschau (1886, Augustheft). und Gustav Rümelins (Kanzlers der Universität Tübingen) Vortrag: Die Berechtigung der Fremdwörter, Rede zur aka¬ demischen Preisverteilung an, 6. November 1886 (in besonderm Abdruck bereits in zweiter Auflage erschienen). Es ist nun keine dieser Kundgebungen ausdrücklich gegen den Sprachverein gerichtet. Aber thatsächlich gelten sie ihm. Gildemeister leitet seinen Aufsatz mit den Worten ein: „Gebrauche nie ein Fremdwort, wenn du es durch ein gutes deutsches Wort ersetzen kannst. So lautet heute das Gebot der gemäßigten Sprachreiniger." Er schließt mit den Worten: „Nur ist zu besorgen, daß der Kampfeifcr, wie er sich in Vereinen und patriotischen Kränzchen entfaltet.. ., einer gewissen dogmatischen, ich hätte fast gesagt schulmeisterlichen Sprach¬ behandlung mehr Vorschub leisten möchte, als gut ist." An einer dritten Stelle sagt er: „Ein Fortschritt zum Bessern scheint mir unverkennbar, und was die Hauptsache ist, dieser Fortschritt ist spontan, eine Frucht des empfindlicher ge¬ wordenen Geschmacks, nicht eines deutschtümelnden Terrorismus." Rümelin sagt im Eingange seines Vortrages: „Die Frage über Zulassung der Fremd¬ wörter ist neuerdings wieder lebhafter zur Sprache gekommen." Grimm ruft gegen den Schluß seines Aufsatzes aus: „Warum das Volk beunruhigen, als thäten seine Schriftsteller heut ihre Pflicht nicht? Als seien die Massen berufen, aufzupassen, wie der Einzelne seine Rede formt? Es ist, als wollte man Vereine bilden, um darüber zu wachen, daß Eltern ihre Kinder nicht verhungern lassen." Es giebt jetzt keine andern Sprachvereine als den Allgemeinen deutschen. Die „Terroristen" sind also wir. Der Kampf gilt der großen Sprachbewegung unsrer Tage, die es unternimmt, befreiend einzuwirken, und deren thatkräftigster Ausfluß eben der Allgemeine deutsche Sprachverein ist. Ich stelle das nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/78>, abgerufen am 17.09.2024.