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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Tonleiter im Musikunterricht.

erwartet von Scherers Fauststudien eine erfrischende Rückwirkung auf die klassisch¬
philologische Wissenschaft!

Wir sind also lediglich durch die Schuld der Herren Lobredner genötigt
worden, in einer klaren und unumwundenen Darstellung auf die Ansichten
Scherers zurückzukommen.




Nachschrift.

Der vorstehende Aufsatz war eben vollendet, als uns die
frohe Nachricht zuging, daß sich eine Abschrift des Faust in der Gestalt, wie
ihn Goethe nach Weimar mitbrachte, im Nachlaß der Weimarischen Hofdame
Fräulein von Göchhauscn gefunden habe. Durch diesen Fund wird über mehrere
wichtige Punkte in der Entstehungsgeschichte des Faust ein ungeahntes neues
Licht verbreitet. Der Inhalt unsers Aufsatzes wird jedoch, soweit man aus
den Zeitungsberichten urteilen kann, in seinen Hauptzügen in keiner Weise er¬
schüttert. Keine einzige der Schcrerschen Behauptungen wird bestätigt, bei
mehreren andern wird der schon vorher durch innere Gründe bewiesene Irrtum
nun auch durch ein unwiderlegliches äußeres Zeugnis dargethan.




Die Tonleiter im Musikunterricht.
Zwei Erwiederungen an den Sonntagsphilosophen.
I.

n Ur. 22 der "Grenzboten" wird von seiten eines Laien bittere
Klage geführt über die musikalische Tonleiter, oder vielmehr über
das stark gesteigerte Tonleiterspielen, und es werden Vorschläge
zur Sprache gebracht, um die dem Verfasser unliebsame Rhythmi-
sirung und Zusammensetzung der Skala zu einer musikalischen zu
gestalten. Obwohl ich nun der festen Überzeugung bin, daß in der Praxis auf
diese Vorschläge nicht die geringste Rücksicht genommen werden wird, und zwar
aus Gründen, die nicht mit der Theorie der Musik, sondern mit der instrumen¬
talen Technik zusammenhängen, so scheint es mir doch wünschenswert, auf den
betreffenden Aufsatz als Fachmusiker zu antworten, nicht bloß weil der Verfasser
ausdrücklich eine solche Antwort beantragt, sondern weil thatsächlich von ihm
ein Übelstand erkannt, wenn auch seinem Wesen nach nicht richtig verstanden
worden ist, der auch mich längere Zeit beschäftigt hat.


Die Tonleiter im Musikunterricht.

erwartet von Scherers Fauststudien eine erfrischende Rückwirkung auf die klassisch¬
philologische Wissenschaft!

Wir sind also lediglich durch die Schuld der Herren Lobredner genötigt
worden, in einer klaren und unumwundenen Darstellung auf die Ansichten
Scherers zurückzukommen.




Nachschrift.

Der vorstehende Aufsatz war eben vollendet, als uns die
frohe Nachricht zuging, daß sich eine Abschrift des Faust in der Gestalt, wie
ihn Goethe nach Weimar mitbrachte, im Nachlaß der Weimarischen Hofdame
Fräulein von Göchhauscn gefunden habe. Durch diesen Fund wird über mehrere
wichtige Punkte in der Entstehungsgeschichte des Faust ein ungeahntes neues
Licht verbreitet. Der Inhalt unsers Aufsatzes wird jedoch, soweit man aus
den Zeitungsberichten urteilen kann, in seinen Hauptzügen in keiner Weise er¬
schüttert. Keine einzige der Schcrerschen Behauptungen wird bestätigt, bei
mehreren andern wird der schon vorher durch innere Gründe bewiesene Irrtum
nun auch durch ein unwiderlegliches äußeres Zeugnis dargethan.




Die Tonleiter im Musikunterricht.
Zwei Erwiederungen an den Sonntagsphilosophen.
I.

n Ur. 22 der „Grenzboten" wird von seiten eines Laien bittere
Klage geführt über die musikalische Tonleiter, oder vielmehr über
das stark gesteigerte Tonleiterspielen, und es werden Vorschläge
zur Sprache gebracht, um die dem Verfasser unliebsame Rhythmi-
sirung und Zusammensetzung der Skala zu einer musikalischen zu
gestalten. Obwohl ich nun der festen Überzeugung bin, daß in der Praxis auf
diese Vorschläge nicht die geringste Rücksicht genommen werden wird, und zwar
aus Gründen, die nicht mit der Theorie der Musik, sondern mit der instrumen¬
talen Technik zusammenhängen, so scheint es mir doch wünschenswert, auf den
betreffenden Aufsatz als Fachmusiker zu antworten, nicht bloß weil der Verfasser
ausdrücklich eine solche Antwort beantragt, sondern weil thatsächlich von ihm
ein Übelstand erkannt, wenn auch seinem Wesen nach nicht richtig verstanden
worden ist, der auch mich längere Zeit beschäftigt hat.


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[0644] Die Tonleiter im Musikunterricht. erwartet von Scherers Fauststudien eine erfrischende Rückwirkung auf die klassisch¬ philologische Wissenschaft! Wir sind also lediglich durch die Schuld der Herren Lobredner genötigt worden, in einer klaren und unumwundenen Darstellung auf die Ansichten Scherers zurückzukommen. Nachschrift. Der vorstehende Aufsatz war eben vollendet, als uns die frohe Nachricht zuging, daß sich eine Abschrift des Faust in der Gestalt, wie ihn Goethe nach Weimar mitbrachte, im Nachlaß der Weimarischen Hofdame Fräulein von Göchhauscn gefunden habe. Durch diesen Fund wird über mehrere wichtige Punkte in der Entstehungsgeschichte des Faust ein ungeahntes neues Licht verbreitet. Der Inhalt unsers Aufsatzes wird jedoch, soweit man aus den Zeitungsberichten urteilen kann, in seinen Hauptzügen in keiner Weise er¬ schüttert. Keine einzige der Schcrerschen Behauptungen wird bestätigt, bei mehreren andern wird der schon vorher durch innere Gründe bewiesene Irrtum nun auch durch ein unwiderlegliches äußeres Zeugnis dargethan. Die Tonleiter im Musikunterricht. Zwei Erwiederungen an den Sonntagsphilosophen. I. n Ur. 22 der „Grenzboten" wird von seiten eines Laien bittere Klage geführt über die musikalische Tonleiter, oder vielmehr über das stark gesteigerte Tonleiterspielen, und es werden Vorschläge zur Sprache gebracht, um die dem Verfasser unliebsame Rhythmi- sirung und Zusammensetzung der Skala zu einer musikalischen zu gestalten. Obwohl ich nun der festen Überzeugung bin, daß in der Praxis auf diese Vorschläge nicht die geringste Rücksicht genommen werden wird, und zwar aus Gründen, die nicht mit der Theorie der Musik, sondern mit der instrumen¬ talen Technik zusammenhängen, so scheint es mir doch wünschenswert, auf den betreffenden Aufsatz als Fachmusiker zu antworten, nicht bloß weil der Verfasser ausdrücklich eine solche Antwort beantragt, sondern weil thatsächlich von ihm ein Übelstand erkannt, wenn auch seinem Wesen nach nicht richtig verstanden worden ist, der auch mich längere Zeit beschäftigt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/644>, abgerufen am 17.09.2024.