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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Weg nach der bezeichneten Stelle zu richten, da ihnen überhaupt gar keine
andre Wahl mehr blieb.

So brachen sie denn von ihrem Rastorte auf und eilten wieder in den
Wald hinein. Hier aber begannen die Leiden von neuem. Sofort, als sie sich
in Bewegung gesetzt hatten, wurden sie auch von den Deutschen wieder ange¬
griffen und gerieten in eine äußerst schwierige Lage. Denn indem sie sich auf
dem engen Raume dicht zusammenscharten, um sich ihrer Feinde besser erwehren
zu können, vermochten sie sich nicht zu bergen, weil sie sich selbst oder weil die
Bäume ihnen im Wege standen. Dazu war, wie am Tage vorher, auch jetzt
wieder heftiger Regen und Wind auf sie eingedrungen, sodaß sie weder vor¬
wärtsschreiten, noch festen Fuß fassen konnten. Gerade in jener Gegend nämlich,
sowohl in der Niederung zwischen den Bergen als auch im Walde bis zu den
Höhen hinauf, zeigt sich überall ein Lehm, der in seiner Zähigkeit wirklich selten
seines gleichen finden wird und der sich bei Regenwetter in der lästigsten Weise
geltend macht. Zugleich aber strömten abermals von allen Seiten die Feinde
herbei, da auch hier wieder, wie bei Iburg, die Annäherung von allen Rich¬
tungen her möglich war. Immer neue Streitkräfte erschienen ans dem Kampf¬
platze. Auch solche, die zuvor noch eine abwartende Stellung eingenommen
hatten, beteiligten sich nunmehr am Kampfe, um von der Beute nicht aus¬
geschlossen zu werden, während sich die Zahl der Römer bei den fortwährenden
Kämpfen selbstverständlich immer mehr verringert hatte.

Unter diesen Umständen mußte der Plan, sich durch den Wald durchzu¬
schlagen, bald wieder aufgegeben werden, und man sah sich genötigt, wieder
umzukehren. Schon war die Mannszucht im römischen Heere auf das bedenk¬
lichste gelockert. Schon weigerten sich die Truppen auf die feindlichen Reihen
einzudringen; schon flohen ganze Haufen wieder auf das offne Feld zurück;
schon hatte der Neiterführcr Vala Nnmonius das Fußvolk im Stiche gelassen
und das Weite gesucht, um nach dem Rheine zu entkommen. Vermutlich war
ihm dies in südlicher Richtung gelungen, und er wird den Versuch gemacht haben,
durch den Paß von Tecklenburg in die westfälische Ebene zu gelangen. Ob ihm
dies gelungen ist, wissen wir nicht. Er selbst büßte sein Beginnen mit dem Tode.

Vielleicht klammerten sich die Römer nun an die letzte Hoffnung, zwischen
dem Lofer und Dikner Berge einen Durchgang zu gewinnen. Aber auch hier
ließ man sie nicht weiterziehen. Die Höhen waren alsbald von den Feinden
besetzt, und der Kampf entbrannte von neuem in den Sümpfen vor denselben.
Es war der letzte Verzweiflungskampf. Bald war das Heer des Varus auf
allen Seiten buchstäblich umzingelt. Das war die Lage, die Bellejus Paterculus
mit den Worten beschreibt: "Eingeschlossen von Wäldern, Sümpfen und Hinter¬
halt, wurde das Heer durch jenen Feind bis zur Vernichtung hingeschlachtet,"
oder Julius Florus mit den Worten: "Nichts Blutigeres gab es, als jenes
Morden in den Sümpfen und Wäldern."


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Weg nach der bezeichneten Stelle zu richten, da ihnen überhaupt gar keine
andre Wahl mehr blieb.

So brachen sie denn von ihrem Rastorte auf und eilten wieder in den
Wald hinein. Hier aber begannen die Leiden von neuem. Sofort, als sie sich
in Bewegung gesetzt hatten, wurden sie auch von den Deutschen wieder ange¬
griffen und gerieten in eine äußerst schwierige Lage. Denn indem sie sich auf
dem engen Raume dicht zusammenscharten, um sich ihrer Feinde besser erwehren
zu können, vermochten sie sich nicht zu bergen, weil sie sich selbst oder weil die
Bäume ihnen im Wege standen. Dazu war, wie am Tage vorher, auch jetzt
wieder heftiger Regen und Wind auf sie eingedrungen, sodaß sie weder vor¬
wärtsschreiten, noch festen Fuß fassen konnten. Gerade in jener Gegend nämlich,
sowohl in der Niederung zwischen den Bergen als auch im Walde bis zu den
Höhen hinauf, zeigt sich überall ein Lehm, der in seiner Zähigkeit wirklich selten
seines gleichen finden wird und der sich bei Regenwetter in der lästigsten Weise
geltend macht. Zugleich aber strömten abermals von allen Seiten die Feinde
herbei, da auch hier wieder, wie bei Iburg, die Annäherung von allen Rich¬
tungen her möglich war. Immer neue Streitkräfte erschienen ans dem Kampf¬
platze. Auch solche, die zuvor noch eine abwartende Stellung eingenommen
hatten, beteiligten sich nunmehr am Kampfe, um von der Beute nicht aus¬
geschlossen zu werden, während sich die Zahl der Römer bei den fortwährenden
Kämpfen selbstverständlich immer mehr verringert hatte.

Unter diesen Umständen mußte der Plan, sich durch den Wald durchzu¬
schlagen, bald wieder aufgegeben werden, und man sah sich genötigt, wieder
umzukehren. Schon war die Mannszucht im römischen Heere auf das bedenk¬
lichste gelockert. Schon weigerten sich die Truppen auf die feindlichen Reihen
einzudringen; schon flohen ganze Haufen wieder auf das offne Feld zurück;
schon hatte der Neiterführcr Vala Nnmonius das Fußvolk im Stiche gelassen
und das Weite gesucht, um nach dem Rheine zu entkommen. Vermutlich war
ihm dies in südlicher Richtung gelungen, und er wird den Versuch gemacht haben,
durch den Paß von Tecklenburg in die westfälische Ebene zu gelangen. Ob ihm
dies gelungen ist, wissen wir nicht. Er selbst büßte sein Beginnen mit dem Tode.

Vielleicht klammerten sich die Römer nun an die letzte Hoffnung, zwischen
dem Lofer und Dikner Berge einen Durchgang zu gewinnen. Aber auch hier
ließ man sie nicht weiterziehen. Die Höhen waren alsbald von den Feinden
besetzt, und der Kampf entbrannte von neuem in den Sümpfen vor denselben.
Es war der letzte Verzweiflungskampf. Bald war das Heer des Varus auf
allen Seiten buchstäblich umzingelt. Das war die Lage, die Bellejus Paterculus
mit den Worten beschreibt: „Eingeschlossen von Wäldern, Sümpfen und Hinter¬
halt, wurde das Heer durch jenen Feind bis zur Vernichtung hingeschlachtet,"
oder Julius Florus mit den Worten: „Nichts Blutigeres gab es, als jenes
Morden in den Sümpfen und Wäldern."


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[0629] Die Schlacht im Teutoburger Walde. Weg nach der bezeichneten Stelle zu richten, da ihnen überhaupt gar keine andre Wahl mehr blieb. So brachen sie denn von ihrem Rastorte auf und eilten wieder in den Wald hinein. Hier aber begannen die Leiden von neuem. Sofort, als sie sich in Bewegung gesetzt hatten, wurden sie auch von den Deutschen wieder ange¬ griffen und gerieten in eine äußerst schwierige Lage. Denn indem sie sich auf dem engen Raume dicht zusammenscharten, um sich ihrer Feinde besser erwehren zu können, vermochten sie sich nicht zu bergen, weil sie sich selbst oder weil die Bäume ihnen im Wege standen. Dazu war, wie am Tage vorher, auch jetzt wieder heftiger Regen und Wind auf sie eingedrungen, sodaß sie weder vor¬ wärtsschreiten, noch festen Fuß fassen konnten. Gerade in jener Gegend nämlich, sowohl in der Niederung zwischen den Bergen als auch im Walde bis zu den Höhen hinauf, zeigt sich überall ein Lehm, der in seiner Zähigkeit wirklich selten seines gleichen finden wird und der sich bei Regenwetter in der lästigsten Weise geltend macht. Zugleich aber strömten abermals von allen Seiten die Feinde herbei, da auch hier wieder, wie bei Iburg, die Annäherung von allen Rich¬ tungen her möglich war. Immer neue Streitkräfte erschienen ans dem Kampf¬ platze. Auch solche, die zuvor noch eine abwartende Stellung eingenommen hatten, beteiligten sich nunmehr am Kampfe, um von der Beute nicht aus¬ geschlossen zu werden, während sich die Zahl der Römer bei den fortwährenden Kämpfen selbstverständlich immer mehr verringert hatte. Unter diesen Umständen mußte der Plan, sich durch den Wald durchzu¬ schlagen, bald wieder aufgegeben werden, und man sah sich genötigt, wieder umzukehren. Schon war die Mannszucht im römischen Heere auf das bedenk¬ lichste gelockert. Schon weigerten sich die Truppen auf die feindlichen Reihen einzudringen; schon flohen ganze Haufen wieder auf das offne Feld zurück; schon hatte der Neiterführcr Vala Nnmonius das Fußvolk im Stiche gelassen und das Weite gesucht, um nach dem Rheine zu entkommen. Vermutlich war ihm dies in südlicher Richtung gelungen, und er wird den Versuch gemacht haben, durch den Paß von Tecklenburg in die westfälische Ebene zu gelangen. Ob ihm dies gelungen ist, wissen wir nicht. Er selbst büßte sein Beginnen mit dem Tode. Vielleicht klammerten sich die Römer nun an die letzte Hoffnung, zwischen dem Lofer und Dikner Berge einen Durchgang zu gewinnen. Aber auch hier ließ man sie nicht weiterziehen. Die Höhen waren alsbald von den Feinden besetzt, und der Kampf entbrannte von neuem in den Sümpfen vor denselben. Es war der letzte Verzweiflungskampf. Bald war das Heer des Varus auf allen Seiten buchstäblich umzingelt. Das war die Lage, die Bellejus Paterculus mit den Worten beschreibt: „Eingeschlossen von Wäldern, Sümpfen und Hinter¬ halt, wurde das Heer durch jenen Feind bis zur Vernichtung hingeschlachtet," oder Julius Florus mit den Worten: „Nichts Blutigeres gab es, als jenes Morden in den Sümpfen und Wäldern."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/629>, abgerufen am 17.09.2024.