Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Maharadschah Dulip Singh. Rundschit Singh, dem einst mächtigen Beherrscher der Sikhs im Pendschab, Da nach einer neuerlichen edeln That der gegenwärtigen liberalen Regierung Als ich zu dem Thron des Pendschab gelangte, war ich ein Kind. Die Das britische Volk übernahm dergestalt offenen Auges die Vormundschaft Dem Vertrage gemäß wurden von dem englischen Residenten und meinem Maharadschah Dulip Singh. Rundschit Singh, dem einst mächtigen Beherrscher der Sikhs im Pendschab, Da nach einer neuerlichen edeln That der gegenwärtigen liberalen Regierung Als ich zu dem Thron des Pendschab gelangte, war ich ein Kind. Die Das britische Volk übernahm dergestalt offenen Auges die Vormundschaft Dem Vertrage gemäß wurden von dem englischen Residenten und meinem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289068"/> <fw type="header" place="top"> Maharadschah Dulip Singh.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1743" prev="#ID_1742"> Rundschit Singh, dem einst mächtigen Beherrscher der Sikhs im Pendschab,<lb/> dem Lande der fünf Flüsse am mittleren Indus ist, daß er das Christentum<lb/> angenommen, eine Engländerin geheiratet hatte und wie die großen englischen<lb/> Gutsbesitzer lebte. Auch mußte man natürlich, daß das Reich seines Vaters<lb/> englischer Besitz geworden war, kümmerte sich aber wenig darum, wie das zu¬<lb/> gegangen; war das doch seit Clive und Hastings das Schicksal aller indischen<lb/> Reiche. Es waren zwar Blaubücher darüber vorhanden, aber wer hat Lust<lb/> und Zeit, die zu lesen! Auf einmal wurde es still von ihm, bis eine Berufung<lb/> an das englische Volk, welche er im Jahre 1882 in der liinss veröffentlichte,<lb/> wieder von ihm reden machte, wenigstens auf einige Tage. Hören wir, was er<lb/> damals zu sagen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1744"> Da nach einer neuerlichen edeln That der gegenwärtigen liberalen Regierung<lb/> unter Gladstone, dem Großen, dem Gerechten, zu schließen, jetzt das Zeitalter der<lb/> Gerechtigkeit und Erstattung angebrochen ist, so fühle ich mich ermutigt, dem eng¬<lb/> lichen Volke die Unbill vorzutragen, die ich erlitten habe, und hoffe, daß, wenn<lb/> man mich auch nicht so freigebig wie den König Cetteweyo behandeln wird, mir<lb/> doch etwas Hochherzigkeit von diesem großen christlichen Reiche werde erwiesen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1745"> Als ich zu dem Thron des Pendschab gelangte, war ich ein Kind. Die<lb/> Truppen der Khaifa, (der alten, von Runschit Singh unterworfenen Verbrüderung<lb/> der Häuptlinge), die schon während der Vormundschaft meines Oheims und meiner<lb/> Mutter aufsässig gewesen waren, empörten sich, gingen über den Grenzfluß, griffen<lb/> mutwilligerweise die Engländer an und wurden geschlagen. Wenn damals mein<lb/> Gebiet canellirt worden wäre, so würde ich heute nicht ein Wort zu sagen haben;<lb/> denn ich war damals ein unabhängiger Fürst an der Spitze eines unabhängigen<lb/> Volkes, und jede Strafe für das, was meine Soldaten gethan hatten, wäre gerecht<lb/> gewesen. Aber in Anbetracht der Freundschaft, welche zwischen dem britischen<lb/> Reiche und meinem Vater, dem „Löwen des Pendschab," bestanden hatte, setzte<lb/> Lord Hardinge, dieser echte englische Gentleman, mich wieder aus den Thron und<lb/> legte mir im Durbnr (der Versammlung der Häuptlinge und hohen Beamten) das<lb/> Geschmeide mit dem Koh-i-nnr wieder an. Der gleichzeitig eingesetzte Regent¬<lb/> schaftsrat fühlte sich indes nicht stark genug, den Pendschab ohne Hilfe zu regieren,<lb/> und wandte sich an den englischen Vertreter in meiner Hauptstadt Lahor, der sich<lb/> zunächst das Recht der absoluten Kontrole jedes Verwaltungszweiges ausbedang<lb/> und dann der Vertrag von Bhyrowal mit mir abschloß, laut dessen mir die Be¬<lb/> schützung meines Thrones bis zu meinem sechzehnten Jahre verbürgt wird, zu<lb/> welchem Zweck die Engländer Besatzungen im Lande halten sollen gegen Empfang<lb/> einer vou meinem Durbar jährlich zu zahlenden Summe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1746"> Das britische Volk übernahm dergestalt offenen Auges die Vormundschaft<lb/> über mich, deren Natur durch die Proklamation Lord Hardinges vom 20. August<lb/> 1847 deutlich bezeichnet ist, wenn es darin heißt, bei dem zarten Alter des Ma-<lb/> haradschah Dulip Singh empfinde er das Interesse eines Vaters an der Erziehung<lb/> und Bevormundung desselben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1747" next="#ID_1748"> Dem Vertrage gemäß wurden von dem englischen Residenten und meinem<lb/> Dnrbar zwei englische Offiziere mit Schreiben, die meine Unterschrift trugen, ab¬<lb/> geschickt, um in meinem Namen von der Festung Mulden und dem umliegenden<lb/> Gebiete Besitz zu nehmen. Aber mein Beamter daselbst, Mulradsch, weigerte sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615]
Maharadschah Dulip Singh.
Rundschit Singh, dem einst mächtigen Beherrscher der Sikhs im Pendschab,
dem Lande der fünf Flüsse am mittleren Indus ist, daß er das Christentum
angenommen, eine Engländerin geheiratet hatte und wie die großen englischen
Gutsbesitzer lebte. Auch mußte man natürlich, daß das Reich seines Vaters
englischer Besitz geworden war, kümmerte sich aber wenig darum, wie das zu¬
gegangen; war das doch seit Clive und Hastings das Schicksal aller indischen
Reiche. Es waren zwar Blaubücher darüber vorhanden, aber wer hat Lust
und Zeit, die zu lesen! Auf einmal wurde es still von ihm, bis eine Berufung
an das englische Volk, welche er im Jahre 1882 in der liinss veröffentlichte,
wieder von ihm reden machte, wenigstens auf einige Tage. Hören wir, was er
damals zu sagen hatte.
Da nach einer neuerlichen edeln That der gegenwärtigen liberalen Regierung
unter Gladstone, dem Großen, dem Gerechten, zu schließen, jetzt das Zeitalter der
Gerechtigkeit und Erstattung angebrochen ist, so fühle ich mich ermutigt, dem eng¬
lichen Volke die Unbill vorzutragen, die ich erlitten habe, und hoffe, daß, wenn
man mich auch nicht so freigebig wie den König Cetteweyo behandeln wird, mir
doch etwas Hochherzigkeit von diesem großen christlichen Reiche werde erwiesen werden.
Als ich zu dem Thron des Pendschab gelangte, war ich ein Kind. Die
Truppen der Khaifa, (der alten, von Runschit Singh unterworfenen Verbrüderung
der Häuptlinge), die schon während der Vormundschaft meines Oheims und meiner
Mutter aufsässig gewesen waren, empörten sich, gingen über den Grenzfluß, griffen
mutwilligerweise die Engländer an und wurden geschlagen. Wenn damals mein
Gebiet canellirt worden wäre, so würde ich heute nicht ein Wort zu sagen haben;
denn ich war damals ein unabhängiger Fürst an der Spitze eines unabhängigen
Volkes, und jede Strafe für das, was meine Soldaten gethan hatten, wäre gerecht
gewesen. Aber in Anbetracht der Freundschaft, welche zwischen dem britischen
Reiche und meinem Vater, dem „Löwen des Pendschab," bestanden hatte, setzte
Lord Hardinge, dieser echte englische Gentleman, mich wieder aus den Thron und
legte mir im Durbnr (der Versammlung der Häuptlinge und hohen Beamten) das
Geschmeide mit dem Koh-i-nnr wieder an. Der gleichzeitig eingesetzte Regent¬
schaftsrat fühlte sich indes nicht stark genug, den Pendschab ohne Hilfe zu regieren,
und wandte sich an den englischen Vertreter in meiner Hauptstadt Lahor, der sich
zunächst das Recht der absoluten Kontrole jedes Verwaltungszweiges ausbedang
und dann der Vertrag von Bhyrowal mit mir abschloß, laut dessen mir die Be¬
schützung meines Thrones bis zu meinem sechzehnten Jahre verbürgt wird, zu
welchem Zweck die Engländer Besatzungen im Lande halten sollen gegen Empfang
einer vou meinem Durbar jährlich zu zahlenden Summe.
Das britische Volk übernahm dergestalt offenen Auges die Vormundschaft
über mich, deren Natur durch die Proklamation Lord Hardinges vom 20. August
1847 deutlich bezeichnet ist, wenn es darin heißt, bei dem zarten Alter des Ma-
haradschah Dulip Singh empfinde er das Interesse eines Vaters an der Erziehung
und Bevormundung desselben.
Dem Vertrage gemäß wurden von dem englischen Residenten und meinem
Dnrbar zwei englische Offiziere mit Schreiben, die meine Unterschrift trugen, ab¬
geschickt, um in meinem Namen von der Festung Mulden und dem umliegenden
Gebiete Besitz zu nehmen. Aber mein Beamter daselbst, Mulradsch, weigerte sich
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