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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Leo der Dreizehnte und Italien.

n der letzten Ansprache an das Kollegium der Kardinäle gab der
Papst dem Wunsche Ausdruck, zu einer Verständigung mit dem
Königreiche Italien zu gelangen, und seitdem bildet die Aus¬
söhnung zwischen Vatikan und Quirinal mehr denn seit langer
Zeit das Thema publizistischer Erörterungen. Namentlich be¬
schäftigte sich die liberale Presse Italiens vielfach mit der Sache, und zwar in
einer Weise, nach welcher man glauben sollte, der Kurie sei an einem Aus¬
gleiche mehr gelegen als der königlichen Negierung. Die betreffenden Blätter
suchten diese Vorstellung dadurch hervorzurufen, daß sie gewisse Vorgänge, die
sie aus kirchlichen Kreisen brachten, als Anzeichen einer besonders lebhaften
Sehnsucht der obersten Sphären der katholischen Welt nach Frieden mit den
politischen Machthabern darstellten. Eins der Beispiele, die sie anführten, war
die Haltung, welche der Erzbischof und die übrige Geistlichkeit von Florenz bei
den Feierlichkeiten beobachteten, mit denen die neue Fassade der dortigen Kirche
Santa Maria del Fiore enthüllt wurde. Mit Recht wurde darauf von andrer
Seite hervorgehoben, daß jene Haltung des florentinischen Kirchenfttrsten gegen¬
über dem italienischen Königspaare nicht mehr als die Erfüllung eines Gebotes
war, welches guter Takt eingab. Der Erzbischof und sein Klerus standen bei
der Gelegenheit gekrönten Häuptern gegenüber, denen sie Ehrerbietigkeit schuldig
waren, und wenn sie darnach verfuhren, so war daraus kein andrer Schluß zu
ziehen, als der, daß sie eben Takt besaßen. Faßte man die Sache anders auf
und geschah ähnliches in andern Fällen, so bewies man gerade das Gegenteil
dessen, was man glauben machen wollte, daß nämlich das Bedürfnis nach
Frieden mit dem Papste bei denen, welche durch die liberale Presse mit dem
italienischen Publikum sprechen, besonders lebhaft und dringend sein mußte.


Grenzbowi II. 1887. 76


Leo der Dreizehnte und Italien.

n der letzten Ansprache an das Kollegium der Kardinäle gab der
Papst dem Wunsche Ausdruck, zu einer Verständigung mit dem
Königreiche Italien zu gelangen, und seitdem bildet die Aus¬
söhnung zwischen Vatikan und Quirinal mehr denn seit langer
Zeit das Thema publizistischer Erörterungen. Namentlich be¬
schäftigte sich die liberale Presse Italiens vielfach mit der Sache, und zwar in
einer Weise, nach welcher man glauben sollte, der Kurie sei an einem Aus¬
gleiche mehr gelegen als der königlichen Negierung. Die betreffenden Blätter
suchten diese Vorstellung dadurch hervorzurufen, daß sie gewisse Vorgänge, die
sie aus kirchlichen Kreisen brachten, als Anzeichen einer besonders lebhaften
Sehnsucht der obersten Sphären der katholischen Welt nach Frieden mit den
politischen Machthabern darstellten. Eins der Beispiele, die sie anführten, war
die Haltung, welche der Erzbischof und die übrige Geistlichkeit von Florenz bei
den Feierlichkeiten beobachteten, mit denen die neue Fassade der dortigen Kirche
Santa Maria del Fiore enthüllt wurde. Mit Recht wurde darauf von andrer
Seite hervorgehoben, daß jene Haltung des florentinischen Kirchenfttrsten gegen¬
über dem italienischen Königspaare nicht mehr als die Erfüllung eines Gebotes
war, welches guter Takt eingab. Der Erzbischof und sein Klerus standen bei
der Gelegenheit gekrönten Häuptern gegenüber, denen sie Ehrerbietigkeit schuldig
waren, und wenn sie darnach verfuhren, so war daraus kein andrer Schluß zu
ziehen, als der, daß sie eben Takt besaßen. Faßte man die Sache anders auf
und geschah ähnliches in andern Fällen, so bewies man gerade das Gegenteil
dessen, was man glauben machen wollte, daß nämlich das Bedürfnis nach
Frieden mit dem Papste bei denen, welche durch die liberale Presse mit dem
italienischen Publikum sprechen, besonders lebhaft und dringend sein mußte.


Grenzbowi II. 1887. 76
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[0609] [Abbildung] Leo der Dreizehnte und Italien. n der letzten Ansprache an das Kollegium der Kardinäle gab der Papst dem Wunsche Ausdruck, zu einer Verständigung mit dem Königreiche Italien zu gelangen, und seitdem bildet die Aus¬ söhnung zwischen Vatikan und Quirinal mehr denn seit langer Zeit das Thema publizistischer Erörterungen. Namentlich be¬ schäftigte sich die liberale Presse Italiens vielfach mit der Sache, und zwar in einer Weise, nach welcher man glauben sollte, der Kurie sei an einem Aus¬ gleiche mehr gelegen als der königlichen Negierung. Die betreffenden Blätter suchten diese Vorstellung dadurch hervorzurufen, daß sie gewisse Vorgänge, die sie aus kirchlichen Kreisen brachten, als Anzeichen einer besonders lebhaften Sehnsucht der obersten Sphären der katholischen Welt nach Frieden mit den politischen Machthabern darstellten. Eins der Beispiele, die sie anführten, war die Haltung, welche der Erzbischof und die übrige Geistlichkeit von Florenz bei den Feierlichkeiten beobachteten, mit denen die neue Fassade der dortigen Kirche Santa Maria del Fiore enthüllt wurde. Mit Recht wurde darauf von andrer Seite hervorgehoben, daß jene Haltung des florentinischen Kirchenfttrsten gegen¬ über dem italienischen Königspaare nicht mehr als die Erfüllung eines Gebotes war, welches guter Takt eingab. Der Erzbischof und sein Klerus standen bei der Gelegenheit gekrönten Häuptern gegenüber, denen sie Ehrerbietigkeit schuldig waren, und wenn sie darnach verfuhren, so war daraus kein andrer Schluß zu ziehen, als der, daß sie eben Takt besaßen. Faßte man die Sache anders auf und geschah ähnliches in andern Fällen, so bewies man gerade das Gegenteil dessen, was man glauben machen wollte, daß nämlich das Bedürfnis nach Frieden mit dem Papste bei denen, welche durch die liberale Presse mit dem italienischen Publikum sprechen, besonders lebhaft und dringend sein mußte. Grenzbowi II. 1887. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/609>, abgerufen am 17.09.2024.