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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Walde.

der Überzeugungen nur noch mehr dazu, die Geister in Bewegung zu setzen.
Ja, war mit Gründen nicht immer durchzukommen, so trat die Leidenschaft an
ihre Stelle, und wir haben es erlebt, wie der Kampf um die Örtlichkeit der
Varusschlacht nicht nur ein Beweis für den unermüdliche,? Forschcrtrieb unsers
Volkes, sondern auch ein Beispiel für die Streitsucht unsrer Gelehrten ge¬
worden ist.

Hauptsächlich standen sich bisher zwei Gruppen von Gegnern einander
gegenüber. Die einen verlegten die Wahlstatt in die Nähe von Detmold, und
wenn der lange Gebirgszug, welcher das westfälische Flachland im Nordosten
begrenzt und sich südöstlich bis zu den Quellen der Lippe hinzieht, ans den
Karten und in den Geographiebüchern den Namen des Teutoburger Waldes
trägt, so ist dies dem Einflüsse angesehener Männer zuzuschreiben, welche bereits
im vorigen Jahrhundert das berühmte Schlachtfeld in jener Gegend vermuteten.
Der alte Name des Gebirges ist für seinen östlichen Abschnitt von jeher
"Osning" gewesen; im Munde des Volkes war die Bezeichnung "Lippischer
Wald" herkömmlich.

Eine andre Gruppe von Schriftstellern wollte den Teutoburger Wald
zwischen der Eins und Lippe in der Gegend von Beckum wieder entdeckt haben.
Doch hatten sich bereits im vorigen Jahrhundert einige Stimmen auch für das
Osnabrücker Bergland ausgesprochen, ohne daß man indessen den Puukt des
Schlachtfeldes genauer zu bezeichnen oder wahrscheinlich zu machen imstande
war. Neuerdings hat die Forschung eine frische Anregung dadurch erhalten, daß
auch Mommsen in den Streit der Meinungen eingriff, indem er die Kampfe
vom Teutoburger Walde in der Gegend südwestlich des Dümmers annahm, wobei
ihm als hauptsächlichstes Beweismittel für seine Ansicht die Menge der römischen
Münzen diente, welche in der Nähe von Barenau gesunde" worden waren.

Ich habe es vor kurzen? in einer größern Arbeit: "Die Kriegszüge des
Germaniens in Deutschland" (Berlin, N. Gärtner) unternommen, den Nachweis
zu liefern, daß keine einzige der bisher aufgestellten Hypothesen den Bedingungen
entspricht, welche unsre Quellen an die Örtlichkeit des Teutoburger Schlacht¬
feldes stellen. Auf diese Bedingungen hier näher einzugehen, ist bei der Fülle
von Erwägungen, welche dabei in Betracht kommen, selbstverständlich nicht
möglich. Erwähnt sei jedoch, daß die Frage nach der Lage des Schlachtfeldes
nur im Zusammenhange der Untersuchungen über die Kriegszüge des Ger¬
maniens .gelöst werden kaun, weil es ein Umstand von Wichtigkeit ist, daß
dieser römische Imperator auf seinem Zuge vom Jahre 15 n. Chr. jenen Ort
aufgesucht hat. Damals lagen die Leichen der drei Legionen noch un-
bestattet auf dem Felde umher; Germaniens, welcher bei seinem Vormarsch in
die Nähe der Unglücksstelle gelangte, konnte es sich daher nicht versagen, den
gefallenen Kriegern die letzte Ehre zu erweisen. Nun erfahren wir, daß das
römische Heer, ehe es im Jahre 15 sich anschickte, das Schlachtfeld des Teuto-


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

der Überzeugungen nur noch mehr dazu, die Geister in Bewegung zu setzen.
Ja, war mit Gründen nicht immer durchzukommen, so trat die Leidenschaft an
ihre Stelle, und wir haben es erlebt, wie der Kampf um die Örtlichkeit der
Varusschlacht nicht nur ein Beweis für den unermüdliche,? Forschcrtrieb unsers
Volkes, sondern auch ein Beispiel für die Streitsucht unsrer Gelehrten ge¬
worden ist.

Hauptsächlich standen sich bisher zwei Gruppen von Gegnern einander
gegenüber. Die einen verlegten die Wahlstatt in die Nähe von Detmold, und
wenn der lange Gebirgszug, welcher das westfälische Flachland im Nordosten
begrenzt und sich südöstlich bis zu den Quellen der Lippe hinzieht, ans den
Karten und in den Geographiebüchern den Namen des Teutoburger Waldes
trägt, so ist dies dem Einflüsse angesehener Männer zuzuschreiben, welche bereits
im vorigen Jahrhundert das berühmte Schlachtfeld in jener Gegend vermuteten.
Der alte Name des Gebirges ist für seinen östlichen Abschnitt von jeher
„Osning" gewesen; im Munde des Volkes war die Bezeichnung „Lippischer
Wald" herkömmlich.

Eine andre Gruppe von Schriftstellern wollte den Teutoburger Wald
zwischen der Eins und Lippe in der Gegend von Beckum wieder entdeckt haben.
Doch hatten sich bereits im vorigen Jahrhundert einige Stimmen auch für das
Osnabrücker Bergland ausgesprochen, ohne daß man indessen den Puukt des
Schlachtfeldes genauer zu bezeichnen oder wahrscheinlich zu machen imstande
war. Neuerdings hat die Forschung eine frische Anregung dadurch erhalten, daß
auch Mommsen in den Streit der Meinungen eingriff, indem er die Kampfe
vom Teutoburger Walde in der Gegend südwestlich des Dümmers annahm, wobei
ihm als hauptsächlichstes Beweismittel für seine Ansicht die Menge der römischen
Münzen diente, welche in der Nähe von Barenau gesunde» worden waren.

Ich habe es vor kurzen? in einer größern Arbeit: „Die Kriegszüge des
Germaniens in Deutschland" (Berlin, N. Gärtner) unternommen, den Nachweis
zu liefern, daß keine einzige der bisher aufgestellten Hypothesen den Bedingungen
entspricht, welche unsre Quellen an die Örtlichkeit des Teutoburger Schlacht¬
feldes stellen. Auf diese Bedingungen hier näher einzugehen, ist bei der Fülle
von Erwägungen, welche dabei in Betracht kommen, selbstverständlich nicht
möglich. Erwähnt sei jedoch, daß die Frage nach der Lage des Schlachtfeldes
nur im Zusammenhange der Untersuchungen über die Kriegszüge des Ger¬
maniens .gelöst werden kaun, weil es ein Umstand von Wichtigkeit ist, daß
dieser römische Imperator auf seinem Zuge vom Jahre 15 n. Chr. jenen Ort
aufgesucht hat. Damals lagen die Leichen der drei Legionen noch un-
bestattet auf dem Felde umher; Germaniens, welcher bei seinem Vormarsch in
die Nähe der Unglücksstelle gelangte, konnte es sich daher nicht versagen, den
gefallenen Kriegern die letzte Ehre zu erweisen. Nun erfahren wir, daß das
römische Heer, ehe es im Jahre 15 sich anschickte, das Schlachtfeld des Teuto-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/582>, abgerufen am 17.09.2024.