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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teulolmracr Walde.

doch mit diesen Thaten eigentlich das deutsche Volk zum erstenmale in die Ge¬
schichte ein. Denn die Zeugen, welche wir aus einer ältern Vergangenheit in
den altheidnischen Gräbern und sonstigen Funden besitzen, sind zweifelhafter Art,
und uicht einmal die Frage ist in den meisten Fällen zu entscheiden, ob wir eS
dabei mit germanischen, keltischen oder sonstigen Denkmälern zu thun haben.
Auch die Züge der Kindern und Teutonen, die ältern Unternehmungen der
Sueveu, der Usipcter, Tenchterer und andrer Stämme sind nur als Vorspiele
kommender Begebenheiten anzusehen; es waren Thaten einzelner Schwärme,
welche, getrennt von dem großen Ganzen, dem Schicksale späterer Zeiten vor¬
zugreifen wagten. Die Geschichte des deutschen Volkes beginnt mit dem Augen¬
blicke, wo es die Waffe" gegen die fremden Eroberer erhebt.

Die Berichte über jene Zeiten geben anch zum erstenmale genauere Auf¬
schlüsse über die Eigenschaften und die Sitten unsrer Vorfahren, wie denn auch
die ersten bestimmteren Nachrichten über "nsre heimische!! Lande aus denselben
Quelleu stammen.

Unter allen Thaten aber, welche die Nömerkriege in Deutschland aufzu-
weisen haben, ist leine so berühmt geworden wie die Schlacht im Teutoburger
Walde. Wurde hier doch ein ganzes römisches Heer zu Grnnde gerichtet, eine
Begebenheit, welche den höchsten Schrecken in Rom erregte, unter den Deutschen
aber der Ausgangspunkt ruhmreicher Vcrteidignngskriege wurde. Welche An¬
strengungen sind uicht hinterher von selten der Römer gemacht worden, um die
Niederlage des Varus wieder gut zu macheu! Welchen Ruhm hat nicht der
Held jener Schlacht, Armin, geerntet! Schon die alten Deutschen verherrlichten
ihn in Gesängen; fort und fort erglänzt sein Name in der Geschichte, und noch
in den jüngsten Zeiten haben wir es erlebt, das; ihm ein stattliches Denkmal
errichtet wurde. Auf der Höhe der Groteuburg in der Nähe von Detmold steht
er da, der Siegesheld; hoch ragt seine Riesengestalt über die Gipfel der Bäume
hinweg, weit hinausschauend in die Lande.

Und uicht bloß die Poesie der That oder das Heldentum des Siegers hat
es vermocht, daß die Teilnahme unsers Volles sich jenen ältesten Ereignissen
zugewandt hat: auch die Romantik der Wissenschaft hat das ihrige dazu
gethan, um deu Gegenstaud interessant zu macheu. Die alten Schriftsteller
haben es unterlassen, uns die Lage des Ortes genauer zu bezeichnen, wo der
römische Feldherr samt deu Legionen sein Ende fand. So zog man denn auf
Entdeckungen ans, und seit Jahrhunderten war die Forschung in Thätigkeit,
">n jene Stelle wieder aufzusuchen, als gälte es, ein Zanbcrlaud zu finden.
Wie viele Bücher sind nicht geschrieben, wie viele Ansichten sind nicht aufgestellt
worden, um die Frage uach der Lage des Teutoburger Waldes zu entscheiden!
Und wen" auf der einen Seite eine solche Untersuchung für abenteuerlich galt
und auf der ander" Seite die Hoffnung nicht schwinden wollte, daß es dennoch
möglich sei" werde, das gewttuschte Ziel zu erreiche", so führte dieser Widerstreit


Die Schlacht im Teulolmracr Walde.

doch mit diesen Thaten eigentlich das deutsche Volk zum erstenmale in die Ge¬
schichte ein. Denn die Zeugen, welche wir aus einer ältern Vergangenheit in
den altheidnischen Gräbern und sonstigen Funden besitzen, sind zweifelhafter Art,
und uicht einmal die Frage ist in den meisten Fällen zu entscheiden, ob wir eS
dabei mit germanischen, keltischen oder sonstigen Denkmälern zu thun haben.
Auch die Züge der Kindern und Teutonen, die ältern Unternehmungen der
Sueveu, der Usipcter, Tenchterer und andrer Stämme sind nur als Vorspiele
kommender Begebenheiten anzusehen; es waren Thaten einzelner Schwärme,
welche, getrennt von dem großen Ganzen, dem Schicksale späterer Zeiten vor¬
zugreifen wagten. Die Geschichte des deutschen Volkes beginnt mit dem Augen¬
blicke, wo es die Waffe» gegen die fremden Eroberer erhebt.

Die Berichte über jene Zeiten geben anch zum erstenmale genauere Auf¬
schlüsse über die Eigenschaften und die Sitten unsrer Vorfahren, wie denn auch
die ersten bestimmteren Nachrichten über »nsre heimische!! Lande aus denselben
Quelleu stammen.

Unter allen Thaten aber, welche die Nömerkriege in Deutschland aufzu-
weisen haben, ist leine so berühmt geworden wie die Schlacht im Teutoburger
Walde. Wurde hier doch ein ganzes römisches Heer zu Grnnde gerichtet, eine
Begebenheit, welche den höchsten Schrecken in Rom erregte, unter den Deutschen
aber der Ausgangspunkt ruhmreicher Vcrteidignngskriege wurde. Welche An¬
strengungen sind uicht hinterher von selten der Römer gemacht worden, um die
Niederlage des Varus wieder gut zu macheu! Welchen Ruhm hat nicht der
Held jener Schlacht, Armin, geerntet! Schon die alten Deutschen verherrlichten
ihn in Gesängen; fort und fort erglänzt sein Name in der Geschichte, und noch
in den jüngsten Zeiten haben wir es erlebt, das; ihm ein stattliches Denkmal
errichtet wurde. Auf der Höhe der Groteuburg in der Nähe von Detmold steht
er da, der Siegesheld; hoch ragt seine Riesengestalt über die Gipfel der Bäume
hinweg, weit hinausschauend in die Lande.

Und uicht bloß die Poesie der That oder das Heldentum des Siegers hat
es vermocht, daß die Teilnahme unsers Volles sich jenen ältesten Ereignissen
zugewandt hat: auch die Romantik der Wissenschaft hat das ihrige dazu
gethan, um deu Gegenstaud interessant zu macheu. Die alten Schriftsteller
haben es unterlassen, uns die Lage des Ortes genauer zu bezeichnen, wo der
römische Feldherr samt deu Legionen sein Ende fand. So zog man denn auf
Entdeckungen ans, und seit Jahrhunderten war die Forschung in Thätigkeit,
»>n jene Stelle wieder aufzusuchen, als gälte es, ein Zanbcrlaud zu finden.
Wie viele Bücher sind nicht geschrieben, wie viele Ansichten sind nicht aufgestellt
worden, um die Frage uach der Lage des Teutoburger Waldes zu entscheiden!
Und wen» auf der einen Seite eine solche Untersuchung für abenteuerlich galt
und auf der ander» Seite die Hoffnung nicht schwinden wollte, daß es dennoch
möglich sei» werde, das gewttuschte Ziel zu erreiche», so führte dieser Widerstreit


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[0581] Die Schlacht im Teulolmracr Walde. doch mit diesen Thaten eigentlich das deutsche Volk zum erstenmale in die Ge¬ schichte ein. Denn die Zeugen, welche wir aus einer ältern Vergangenheit in den altheidnischen Gräbern und sonstigen Funden besitzen, sind zweifelhafter Art, und uicht einmal die Frage ist in den meisten Fällen zu entscheiden, ob wir eS dabei mit germanischen, keltischen oder sonstigen Denkmälern zu thun haben. Auch die Züge der Kindern und Teutonen, die ältern Unternehmungen der Sueveu, der Usipcter, Tenchterer und andrer Stämme sind nur als Vorspiele kommender Begebenheiten anzusehen; es waren Thaten einzelner Schwärme, welche, getrennt von dem großen Ganzen, dem Schicksale späterer Zeiten vor¬ zugreifen wagten. Die Geschichte des deutschen Volkes beginnt mit dem Augen¬ blicke, wo es die Waffe» gegen die fremden Eroberer erhebt. Die Berichte über jene Zeiten geben anch zum erstenmale genauere Auf¬ schlüsse über die Eigenschaften und die Sitten unsrer Vorfahren, wie denn auch die ersten bestimmteren Nachrichten über »nsre heimische!! Lande aus denselben Quelleu stammen. Unter allen Thaten aber, welche die Nömerkriege in Deutschland aufzu- weisen haben, ist leine so berühmt geworden wie die Schlacht im Teutoburger Walde. Wurde hier doch ein ganzes römisches Heer zu Grnnde gerichtet, eine Begebenheit, welche den höchsten Schrecken in Rom erregte, unter den Deutschen aber der Ausgangspunkt ruhmreicher Vcrteidignngskriege wurde. Welche An¬ strengungen sind uicht hinterher von selten der Römer gemacht worden, um die Niederlage des Varus wieder gut zu macheu! Welchen Ruhm hat nicht der Held jener Schlacht, Armin, geerntet! Schon die alten Deutschen verherrlichten ihn in Gesängen; fort und fort erglänzt sein Name in der Geschichte, und noch in den jüngsten Zeiten haben wir es erlebt, das; ihm ein stattliches Denkmal errichtet wurde. Auf der Höhe der Groteuburg in der Nähe von Detmold steht er da, der Siegesheld; hoch ragt seine Riesengestalt über die Gipfel der Bäume hinweg, weit hinausschauend in die Lande. Und uicht bloß die Poesie der That oder das Heldentum des Siegers hat es vermocht, daß die Teilnahme unsers Volles sich jenen ältesten Ereignissen zugewandt hat: auch die Romantik der Wissenschaft hat das ihrige dazu gethan, um deu Gegenstaud interessant zu macheu. Die alten Schriftsteller haben es unterlassen, uns die Lage des Ortes genauer zu bezeichnen, wo der römische Feldherr samt deu Legionen sein Ende fand. So zog man denn auf Entdeckungen ans, und seit Jahrhunderten war die Forschung in Thätigkeit, »>n jene Stelle wieder aufzusuchen, als gälte es, ein Zanbcrlaud zu finden. Wie viele Bücher sind nicht geschrieben, wie viele Ansichten sind nicht aufgestellt worden, um die Frage uach der Lage des Teutoburger Waldes zu entscheiden! Und wen» auf der einen Seite eine solche Untersuchung für abenteuerlich galt und auf der ander» Seite die Hoffnung nicht schwinden wollte, daß es dennoch möglich sei» werde, das gewttuschte Ziel zu erreiche», so führte dieser Widerstreit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/581>, abgerufen am 17.09.2024.