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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Zur Geschichte der beständigen Befestigung.

Der Unabhängigkeitskrieg und Ludwigs XIV. Raubzüge Ware" wesentlich
Belagernngskriegc und verliehen der Kunst des Angriffs und der Verteidigung
fester Stellungen mächtige Antriebe. Während die holländischen Ingenieure,
der unermüdliche Moritz von Nassau, sein Lehrer Simon Stevin, seine Nach¬
folger Freytag, Marollvis, Dogen und endlich Cvehvorn die Verteidigung eines
flachen Landes, Wasserwerke, Pallisaden, stattete, Schanzpfühle, spanische
Reiter, sowie die Artilleriekraft durch die Erfindung von Bomben, Granaten,
indirektein Feuer aufs höchste entwickeltet!, begründeten die französischen Inge¬
nieure die Ueberlegenheit des Angriffs über die Verteidigung. Den Abschluß
dieses Prozesses brachte Vcmban, der im Festungskriege den dauernden Sieg
dem Angreifer sicherte.

Dieser Fürst der Ingenieure war nicht nur eines der größten militärischen
Talente seiner Zeit, sondern auch, wie Se. Simon, sein Biograph sagt, "viel¬
leicht der redlichste und tugendhafteste Mann seines Landes."

Für einen Soldaten ist es immer ein hohes Vergnügen, sich mit der Bio¬
graphie Vaubans zu beschäftigen. Obgleich er ans einer guten alten Familie
stammte, befand er sich doch schon in frühem Alter in großer Bedürftigkeit.
Ein Landpfarrer nahm ihn als Kind an und lehrte ihn unter andern Dingen
auch etwas Mathematik und die Grundzüge der Befestigungskunst, welche da¬
mals als ein Zweig der Mathematik angesehen wurde. Mit achtzehn Jahren
trat er in das Regiment Conde und hatte bald Gelegenheit, Proben seiner
Kaltblütigkeit und seines Mutes uuter dem großen Conde selbst abzulegen.
Daun wurde er in den königlichen Dienst hinaufgezogen, in dem er als zwei-
unddreißigjähnger zu einem der Ingenieure des Königs ausrückte. Fünfund-
dreißig Jahre alt, wurde er mit der Oberleitung der Belagerungen unter Tu-
renne betraut. Generalmajor mit fünfundvierzig Jahren und Generaldirektor
aller der zahlreichen französischen Befestigungswerke, starb er als Marschall von
Frankreich, nach einer langen, creignis- und thatenreichen Dienstzeit von zwei-
undfünfzig Jahren, während der er ebensoviel wichtige Belagerungen leitete,
acht Wunden empfing und in unaufhörlichen Reisen Frankreich von einem Ende
zum andern durchzog, um Festungen zu erbauen, zu verbessern oder zu besichtigen.
Die Materialien, die einem Biographen vorliegen, sind sehr zahlreich: seine
eignen Werke, seine "Abhandlung über den Angriff und die Verteidigung,"
seiue zahlreichen Denkschriften und politischen Werke, die Llo^Sö von Fontenelle
und Carnot, die Biographien von Chambrah und Michel. Vaubcm unterschied
sich in seinem militärischen Charakter ebenso von der gewöhnlichen Art seiner
Landsleute, wie in seinein persönlichen. Als Mensch war er sanft, milde und
bescheiden, als Krieger ging ihm die Gewissenhaftigkeit seiner Unternehmungen
weit über ihre glänzende Ausführung. Er bewies diese Eigenschaft vornehmlich
darin, daß er eine unüberwindliche Abneigung gegen mehr Zerstörung und mehr
Blutvergießen zeigte, als unbedingt notwendig war. Er setzte nie das Leben


Zur Geschichte der beständigen Befestigung.

Der Unabhängigkeitskrieg und Ludwigs XIV. Raubzüge Ware» wesentlich
Belagernngskriegc und verliehen der Kunst des Angriffs und der Verteidigung
fester Stellungen mächtige Antriebe. Während die holländischen Ingenieure,
der unermüdliche Moritz von Nassau, sein Lehrer Simon Stevin, seine Nach¬
folger Freytag, Marollvis, Dogen und endlich Cvehvorn die Verteidigung eines
flachen Landes, Wasserwerke, Pallisaden, stattete, Schanzpfühle, spanische
Reiter, sowie die Artilleriekraft durch die Erfindung von Bomben, Granaten,
indirektein Feuer aufs höchste entwickeltet!, begründeten die französischen Inge¬
nieure die Ueberlegenheit des Angriffs über die Verteidigung. Den Abschluß
dieses Prozesses brachte Vcmban, der im Festungskriege den dauernden Sieg
dem Angreifer sicherte.

Dieser Fürst der Ingenieure war nicht nur eines der größten militärischen
Talente seiner Zeit, sondern auch, wie Se. Simon, sein Biograph sagt, „viel¬
leicht der redlichste und tugendhafteste Mann seines Landes."

Für einen Soldaten ist es immer ein hohes Vergnügen, sich mit der Bio¬
graphie Vaubans zu beschäftigen. Obgleich er ans einer guten alten Familie
stammte, befand er sich doch schon in frühem Alter in großer Bedürftigkeit.
Ein Landpfarrer nahm ihn als Kind an und lehrte ihn unter andern Dingen
auch etwas Mathematik und die Grundzüge der Befestigungskunst, welche da¬
mals als ein Zweig der Mathematik angesehen wurde. Mit achtzehn Jahren
trat er in das Regiment Conde und hatte bald Gelegenheit, Proben seiner
Kaltblütigkeit und seines Mutes uuter dem großen Conde selbst abzulegen.
Daun wurde er in den königlichen Dienst hinaufgezogen, in dem er als zwei-
unddreißigjähnger zu einem der Ingenieure des Königs ausrückte. Fünfund-
dreißig Jahre alt, wurde er mit der Oberleitung der Belagerungen unter Tu-
renne betraut. Generalmajor mit fünfundvierzig Jahren und Generaldirektor
aller der zahlreichen französischen Befestigungswerke, starb er als Marschall von
Frankreich, nach einer langen, creignis- und thatenreichen Dienstzeit von zwei-
undfünfzig Jahren, während der er ebensoviel wichtige Belagerungen leitete,
acht Wunden empfing und in unaufhörlichen Reisen Frankreich von einem Ende
zum andern durchzog, um Festungen zu erbauen, zu verbessern oder zu besichtigen.
Die Materialien, die einem Biographen vorliegen, sind sehr zahlreich: seine
eignen Werke, seine „Abhandlung über den Angriff und die Verteidigung,"
seiue zahlreichen Denkschriften und politischen Werke, die Llo^Sö von Fontenelle
und Carnot, die Biographien von Chambrah und Michel. Vaubcm unterschied
sich in seinem militärischen Charakter ebenso von der gewöhnlichen Art seiner
Landsleute, wie in seinein persönlichen. Als Mensch war er sanft, milde und
bescheiden, als Krieger ging ihm die Gewissenhaftigkeit seiner Unternehmungen
weit über ihre glänzende Ausführung. Er bewies diese Eigenschaft vornehmlich
darin, daß er eine unüberwindliche Abneigung gegen mehr Zerstörung und mehr
Blutvergießen zeigte, als unbedingt notwendig war. Er setzte nie das Leben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/574>, abgerufen am 17.09.2024.