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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das britische Weltreich und seine Aussichten.

zwar doppelt so groß als die der französischen, aber beide Staaten haben jetzt
fast ebenso viele Panzerfahrzeuge. Der Vorzug, den England einst durch die
große Zahl und die Tüchtigkeit seiner Seeleute besaß, ist dadurch erheblich ver¬
mindert worden, daß der Dampf in vielen Beziehungen an die Stelle des
Matrosen getreten ist. Die Stärke der Panzerungeheuer ist problematisch ge¬
worden, seit man Geschosse hat, die deren Eisensand durchbohren, Riesengeschütze
und Torpedos, in deren Herstellung Frankreich und Deutschland die Engländer
überholt haben. Man hat nicht genug Kreuzer, um die Handelsflotte gegen
einen Feind zu schützen, der viele dieser Fahrzeuge auslaufen lassen kann. Man
besitzt in überseeischen Ländern nicht überall Kohlendepvts und Docks, wo sie
nötig sind, und die man hat, sind zum Teil schwach oder gar nicht durch
Batterien gegen Kreuzer geschützt, welche sie in Brand stecken können. Schon
seit Jahren äußern sich englische Autoritäten bedenklich über den Zustand der
britischen Marine, und die ^äirürs,1t^ g-mal Horss Ararats (^g-^veto erklärte sie
offen für unzureichend, namentlich im Hinblicke auf Frankreich und die ent¬
legenen zahlreichen Kolonien. Diese Stimmen übertreiben gewiß nicht. Denn
Frankreich bereitet sich, wie im Juli v. I. französische Admiräle in der Budget¬
kommission der Deputirtenkammer erklärten, allen Ernstes vor, seine maritimen
Streitkräfte so zugestalten, daß sie der ersten Flotte der Welt mit Aussicht auf
Sieg die Spitze bieten können. Namentlich ist es dabei auch auf die Schädigung
der Industrie und des Handels Englands dnrch Kreuzer abgesehen, welche die
Schiffsrouten beunruhigen und die auf ihnen segelnden oder dampfenden Kauf¬
fahrer kapern oder verbrennen würden. Die ungeheure englische Kauffahrtei-
flotte, die einen Wert von mehr als 1000 Millionen Pfund Sterling hat, ist
an sich schon ein Gegenstand, der Angriffe reichlich lohnen würde. Die großen
Eildampfer sind zwar durch ihre Schnelligkeit geschützt, aber die Mehrheit der
Handelsdampfer Englands macheu nur acht bis neun Knoten, und um diesen
Sicherheit zu schaffen, bedarf es einer Kriegsflotte mit vielen Kreuzern und
Kohlenstatioiien. So vertrat der Admiral Aube die Ansicht, daß einige zwanzig
wohlausgerüstete und schneidig geführte Kreuzer genügen würden, Englands
Macht zu Grunde zu richten, da sie auf dessen Handelsflotte und dessen über¬
seeischen Verbindungen beruhe, daß also an die Stelle des Seekrieges mit Ge¬
schwadern ein solcher mit schnellfahrenden Kreuzern zu treten habe. Und als
Marineminister äußerte sich Aube nach den großen Manövern, die im vorigen
Sommer bei Toulon stattfanden, folgendermaßen: "In welchen Kampf wir
auch einmal verwickelt werden mögen, unsre Flotte wird dabei eine wichtige
Rolle spielen, wäre es auch nur, daß sie den Handel unsrer Gegner lahm legte."
Gvurgeard aber empfahl, den Hauptstreich gegen England im Mittelmeere zu
führe", indem man dessen Etappenstraße nach Indien unterbreche, wobei er sagte:
"Im Mittelmeer wird sich dann der Kampf um die Geschicke der Welt ab¬
spielen" -- was beiläufig den Mund etwas voller als billig nehmen heißt.


Das britische Weltreich und seine Aussichten.

zwar doppelt so groß als die der französischen, aber beide Staaten haben jetzt
fast ebenso viele Panzerfahrzeuge. Der Vorzug, den England einst durch die
große Zahl und die Tüchtigkeit seiner Seeleute besaß, ist dadurch erheblich ver¬
mindert worden, daß der Dampf in vielen Beziehungen an die Stelle des
Matrosen getreten ist. Die Stärke der Panzerungeheuer ist problematisch ge¬
worden, seit man Geschosse hat, die deren Eisensand durchbohren, Riesengeschütze
und Torpedos, in deren Herstellung Frankreich und Deutschland die Engländer
überholt haben. Man hat nicht genug Kreuzer, um die Handelsflotte gegen
einen Feind zu schützen, der viele dieser Fahrzeuge auslaufen lassen kann. Man
besitzt in überseeischen Ländern nicht überall Kohlendepvts und Docks, wo sie
nötig sind, und die man hat, sind zum Teil schwach oder gar nicht durch
Batterien gegen Kreuzer geschützt, welche sie in Brand stecken können. Schon
seit Jahren äußern sich englische Autoritäten bedenklich über den Zustand der
britischen Marine, und die ^äirürs,1t^ g-mal Horss Ararats (^g-^veto erklärte sie
offen für unzureichend, namentlich im Hinblicke auf Frankreich und die ent¬
legenen zahlreichen Kolonien. Diese Stimmen übertreiben gewiß nicht. Denn
Frankreich bereitet sich, wie im Juli v. I. französische Admiräle in der Budget¬
kommission der Deputirtenkammer erklärten, allen Ernstes vor, seine maritimen
Streitkräfte so zugestalten, daß sie der ersten Flotte der Welt mit Aussicht auf
Sieg die Spitze bieten können. Namentlich ist es dabei auch auf die Schädigung
der Industrie und des Handels Englands dnrch Kreuzer abgesehen, welche die
Schiffsrouten beunruhigen und die auf ihnen segelnden oder dampfenden Kauf¬
fahrer kapern oder verbrennen würden. Die ungeheure englische Kauffahrtei-
flotte, die einen Wert von mehr als 1000 Millionen Pfund Sterling hat, ist
an sich schon ein Gegenstand, der Angriffe reichlich lohnen würde. Die großen
Eildampfer sind zwar durch ihre Schnelligkeit geschützt, aber die Mehrheit der
Handelsdampfer Englands macheu nur acht bis neun Knoten, und um diesen
Sicherheit zu schaffen, bedarf es einer Kriegsflotte mit vielen Kreuzern und
Kohlenstatioiien. So vertrat der Admiral Aube die Ansicht, daß einige zwanzig
wohlausgerüstete und schneidig geführte Kreuzer genügen würden, Englands
Macht zu Grunde zu richten, da sie auf dessen Handelsflotte und dessen über¬
seeischen Verbindungen beruhe, daß also an die Stelle des Seekrieges mit Ge¬
schwadern ein solcher mit schnellfahrenden Kreuzern zu treten habe. Und als
Marineminister äußerte sich Aube nach den großen Manövern, die im vorigen
Sommer bei Toulon stattfanden, folgendermaßen: „In welchen Kampf wir
auch einmal verwickelt werden mögen, unsre Flotte wird dabei eine wichtige
Rolle spielen, wäre es auch nur, daß sie den Handel unsrer Gegner lahm legte."
Gvurgeard aber empfahl, den Hauptstreich gegen England im Mittelmeere zu
führe», indem man dessen Etappenstraße nach Indien unterbreche, wobei er sagte:
„Im Mittelmeer wird sich dann der Kampf um die Geschicke der Welt ab¬
spielen" — was beiläufig den Mund etwas voller als billig nehmen heißt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/564>, abgerufen am 17.09.2024.