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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Neues über den ^0. August l.?92.

welche die Tuilerien mittels ihrer Banden stürmen lassen wollten. Petion spielt
hier die Rolle, welche die Girondisten den Jakobinern gegenüber meistens spielten.
Er wagte Danton nicht offen entgegenzutreten, hielt sich aber durch den ihm
angeblich angethanen Zwang eine Hinterthür für den Fall offen, daß die Revolte
fehlschlug.

Die Vertreibung des rechtmäßigen Gemeinderates durch Dantons Kreaturen
erfolgte gegen sechs Uhr; zwischen vier und fünf Uhr wurde, wie der Bericht
später mitteilt, Mandat nach dem Stadthause von den damals noch neben dem
rechtmäßigen Gemeinderate sitzenden Usurpatoren dorthin gerufen, um ermordet
zu werden. Was hat nun Petion in der Nacht in den Tuilerien gethan?
Daß es auf irgend einen Verrat abgesehen war, kann bei dem Charakter dieses
Elenden kaum zweifelhaft sein; vielleicht ist es nicht zu kühn, die Vermutung
auszusprechen, daß er Maubads Berufung nach dem Stadthause vorbereiten und
einleiten wollte. So abgesperrt werden die Tuilerien schwerlich gewesen sein,
daß kein Gerücht von der Einsetzung eines revolutionären Gemeinderates neben
dem legitimen hineingedrungen wäre. Berief nun die Jakobinerhorde im Stadt¬
hause den pflichtgetreuen Kommandanten der Nationalgarde vor sich, und dieser
weigerte sich zu gehorchen, so war der ganze Plan vereitelt, und der König
hätte nur seinen militärischen Ratgebern zu folgen brauchen, um den Aufstand
niederzuschlagen. Erschien dagegen der rechtmäßige Man're von Paris in den
Tuilerien und versicherte, daß das Stadtregiment in den berufenen Händen sei,
so war die Gefahr beseitigt und die Verteidigung des Schlosses durch die
Nationalgarde so gut wie vereitelt.

Zwischen drei und vier Uhr -- so fährt der Bericht fort -- kam ein Zuzug
von mehreren Bataillonen Nationalgarde an und nahm mit seinen Kanonen, ebenso
wie die berittene Gendarmerie, auf dem Königshofe Aufstellung. Diese Verstärkung
schien sich mir auf beinahe zweitausend Mann zu belaufen. ^ "

Zwischen vier und fünf hörte ich. daß Mandat Befehl erhalten hatte aufs
Stadthaus zu kommen. Er wurde, wie allbekannt, auf der Treppe des Stadt¬
hauses ermordet. , .

^Um sechs Uhr kam der König in Begleitung einiger Offnere und der Herren
de Maillardoz und von Bachmann in den Königshof herunter. Er ging w amt¬
liche Wachtposten vorüber. In dem Augenblicke, wo er in das um Komgshofe um
Carre aufgestellte Bataillon hineintrat. riefen einige Nationalgardfften: Es lebe der
König! andre dagegen sans dem folgenden ergiebt sich, daß dies übelgesinnte
Artilleristen waren, wozu Napoleon sehr richtig bemerkt, man hätte sie la hinaus¬
werfen und treue Soldaten an die Geschütze stellen köuuenZ: Es ehe das ^M!
Noch andre murrten, und es entspann sich ein heftiger Streit zwischen ihnen und
den Kanonieren. Indes gelang es doch den Offizieren. Frieden zu hefften. indem
sie den Soldaten sagten, der König und das Volk seien eins und dasselbe (!) Beide
Parteien umarmten sich und versprachen, sich gegenseitig zu unterstützen und leben
Angriff abzuwehren. ^ in ^ ,

Um sieben Uhr fing das Murren wieder an. und mehrere Bataillone Natwnal-
garden marschirten ab. Ungefähr um dieselbe Zeit gingen die Herren von Röderer


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welche die Tuilerien mittels ihrer Banden stürmen lassen wollten. Petion spielt
hier die Rolle, welche die Girondisten den Jakobinern gegenüber meistens spielten.
Er wagte Danton nicht offen entgegenzutreten, hielt sich aber durch den ihm
angeblich angethanen Zwang eine Hinterthür für den Fall offen, daß die Revolte
fehlschlug.

Die Vertreibung des rechtmäßigen Gemeinderates durch Dantons Kreaturen
erfolgte gegen sechs Uhr; zwischen vier und fünf Uhr wurde, wie der Bericht
später mitteilt, Mandat nach dem Stadthause von den damals noch neben dem
rechtmäßigen Gemeinderate sitzenden Usurpatoren dorthin gerufen, um ermordet
zu werden. Was hat nun Petion in der Nacht in den Tuilerien gethan?
Daß es auf irgend einen Verrat abgesehen war, kann bei dem Charakter dieses
Elenden kaum zweifelhaft sein; vielleicht ist es nicht zu kühn, die Vermutung
auszusprechen, daß er Maubads Berufung nach dem Stadthause vorbereiten und
einleiten wollte. So abgesperrt werden die Tuilerien schwerlich gewesen sein,
daß kein Gerücht von der Einsetzung eines revolutionären Gemeinderates neben
dem legitimen hineingedrungen wäre. Berief nun die Jakobinerhorde im Stadt¬
hause den pflichtgetreuen Kommandanten der Nationalgarde vor sich, und dieser
weigerte sich zu gehorchen, so war der ganze Plan vereitelt, und der König
hätte nur seinen militärischen Ratgebern zu folgen brauchen, um den Aufstand
niederzuschlagen. Erschien dagegen der rechtmäßige Man're von Paris in den
Tuilerien und versicherte, daß das Stadtregiment in den berufenen Händen sei,
so war die Gefahr beseitigt und die Verteidigung des Schlosses durch die
Nationalgarde so gut wie vereitelt.

Zwischen drei und vier Uhr — so fährt der Bericht fort — kam ein Zuzug
von mehreren Bataillonen Nationalgarde an und nahm mit seinen Kanonen, ebenso
wie die berittene Gendarmerie, auf dem Königshofe Aufstellung. Diese Verstärkung
schien sich mir auf beinahe zweitausend Mann zu belaufen. ^ „

Zwischen vier und fünf hörte ich. daß Mandat Befehl erhalten hatte aufs
Stadthaus zu kommen. Er wurde, wie allbekannt, auf der Treppe des Stadt¬
hauses ermordet. , .

^Um sechs Uhr kam der König in Begleitung einiger Offnere und der Herren
de Maillardoz und von Bachmann in den Königshof herunter. Er ging w amt¬
liche Wachtposten vorüber. In dem Augenblicke, wo er in das um Komgshofe um
Carre aufgestellte Bataillon hineintrat. riefen einige Nationalgardfften: Es lebe der
König! andre dagegen sans dem folgenden ergiebt sich, daß dies übelgesinnte
Artilleristen waren, wozu Napoleon sehr richtig bemerkt, man hätte sie la hinaus¬
werfen und treue Soldaten an die Geschütze stellen köuuenZ: Es ehe das ^M!
Noch andre murrten, und es entspann sich ein heftiger Streit zwischen ihnen und
den Kanonieren. Indes gelang es doch den Offizieren. Frieden zu hefften. indem
sie den Soldaten sagten, der König und das Volk seien eins und dasselbe (!) Beide
Parteien umarmten sich und versprachen, sich gegenseitig zu unterstützen und leben
Angriff abzuwehren. ^ in ^ ,

Um sieben Uhr fing das Murren wieder an. und mehrere Bataillone Natwnal-
garden marschirten ab. Ungefähr um dieselbe Zeit gingen die Herren von Röderer


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[0525] Neues über den ^0. August l.?92. welche die Tuilerien mittels ihrer Banden stürmen lassen wollten. Petion spielt hier die Rolle, welche die Girondisten den Jakobinern gegenüber meistens spielten. Er wagte Danton nicht offen entgegenzutreten, hielt sich aber durch den ihm angeblich angethanen Zwang eine Hinterthür für den Fall offen, daß die Revolte fehlschlug. Die Vertreibung des rechtmäßigen Gemeinderates durch Dantons Kreaturen erfolgte gegen sechs Uhr; zwischen vier und fünf Uhr wurde, wie der Bericht später mitteilt, Mandat nach dem Stadthause von den damals noch neben dem rechtmäßigen Gemeinderate sitzenden Usurpatoren dorthin gerufen, um ermordet zu werden. Was hat nun Petion in der Nacht in den Tuilerien gethan? Daß es auf irgend einen Verrat abgesehen war, kann bei dem Charakter dieses Elenden kaum zweifelhaft sein; vielleicht ist es nicht zu kühn, die Vermutung auszusprechen, daß er Maubads Berufung nach dem Stadthause vorbereiten und einleiten wollte. So abgesperrt werden die Tuilerien schwerlich gewesen sein, daß kein Gerücht von der Einsetzung eines revolutionären Gemeinderates neben dem legitimen hineingedrungen wäre. Berief nun die Jakobinerhorde im Stadt¬ hause den pflichtgetreuen Kommandanten der Nationalgarde vor sich, und dieser weigerte sich zu gehorchen, so war der ganze Plan vereitelt, und der König hätte nur seinen militärischen Ratgebern zu folgen brauchen, um den Aufstand niederzuschlagen. Erschien dagegen der rechtmäßige Man're von Paris in den Tuilerien und versicherte, daß das Stadtregiment in den berufenen Händen sei, so war die Gefahr beseitigt und die Verteidigung des Schlosses durch die Nationalgarde so gut wie vereitelt. Zwischen drei und vier Uhr — so fährt der Bericht fort — kam ein Zuzug von mehreren Bataillonen Nationalgarde an und nahm mit seinen Kanonen, ebenso wie die berittene Gendarmerie, auf dem Königshofe Aufstellung. Diese Verstärkung schien sich mir auf beinahe zweitausend Mann zu belaufen. ^ „ Zwischen vier und fünf hörte ich. daß Mandat Befehl erhalten hatte aufs Stadthaus zu kommen. Er wurde, wie allbekannt, auf der Treppe des Stadt¬ hauses ermordet. , . ^Um sechs Uhr kam der König in Begleitung einiger Offnere und der Herren de Maillardoz und von Bachmann in den Königshof herunter. Er ging w amt¬ liche Wachtposten vorüber. In dem Augenblicke, wo er in das um Komgshofe um Carre aufgestellte Bataillon hineintrat. riefen einige Nationalgardfften: Es lebe der König! andre dagegen sans dem folgenden ergiebt sich, daß dies übelgesinnte Artilleristen waren, wozu Napoleon sehr richtig bemerkt, man hätte sie la hinaus¬ werfen und treue Soldaten an die Geschütze stellen köuuenZ: Es ehe das ^M! Noch andre murrten, und es entspann sich ein heftiger Streit zwischen ihnen und den Kanonieren. Indes gelang es doch den Offizieren. Frieden zu hefften. indem sie den Soldaten sagten, der König und das Volk seien eins und dasselbe (!) Beide Parteien umarmten sich und versprachen, sich gegenseitig zu unterstützen und leben Angriff abzuwehren. ^ in ^ , Um sieben Uhr fing das Murren wieder an. und mehrere Bataillone Natwnal- garden marschirten ab. Ungefähr um dieselbe Zeit gingen die Herren von Röderer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/525>, abgerufen am 17.09.2024.