Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Zukunftspoeten. (Schluß.) eberblickcu wir nunmehr das "geadelte Thun" bei dem Schöpfer Zukunftspoeten. (Schluß.) eberblickcu wir nunmehr das „geadelte Thun" bei dem Schöpfer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288884"/> </div> <div n="1"> <head> Zukunftspoeten.<lb/> (Schluß.) </head><lb/> <p xml:id="ID_1221" next="#ID_1222"> eberblickcu wir nunmehr das „geadelte Thun" bei dem Schöpfer<lb/> des Dichters dieser „aufgerüttelten Poesie." Da er leider nicht<lb/> verbannt wurde, wie Aristides, Coriolan und Heinrich Heine, so<lb/> verbannte er sich kurz entschlossen selbst und teilte sein trauriges<lb/> Tour zwischen Paris, Rom und München. Da er leider auf<lb/> den Staat nicht schimpfen konnte, von dem er ja sogar eine Pension bezog, so<lb/> schimpfte er um so ausgiebiger auf die Städte, auf die Gemeinden, welche sein<lb/> Weltbeglückuugsstück höchst ruchlos ausgepfiffen hatten. Wen» man seinem<lb/> „geadelten" Schaffen glauben soll, so sind die Städte Norwegens, und be¬<lb/> sonders die kleinen Küstenstädte, in denen er dereinst dramaturgisch wirkte, der<lb/> Inbegriff aller Ruchlosigkeit, Scheußlichkeit und Gemeinheit, die sich auf diesem<lb/> daran stets sehr ergiebigen Erdenrund je zusammenfinden kann. Anständige<lb/> Leute giebt es dort überhaupt nicht, sondern höchstens bornirte Tröpfe, die<lb/> von einem „akuten (so!) Nechtschasfenheitsfieber" geplagt sind („Gregers Werke"<lb/> in dem Schauspiel „Die wilde Ente"). Ehen scheinen dort nur dazu da zu<lb/> sein, um den Dramatikern höchst verwickelte verwandtschaftliche Rechenexempel<lb/> an die Hand zu geben. Zu jedem rechten Haushalt gehört dort offenbar solch<lb/> ein großes X, welches mit Vrnder, Schwester, Vater, Mutter bis hinauf zur<lb/> Großmama (Gerd im „Brand") in irgend welcher ahnungsvollen, oft dazu noch<lb/> „Platonischen" (Hedwig in der „Wilden Ente" zum Vater!) oder unplatonischen<lb/> (Oswald und Regime in den „Gespenstern") Beziehung steht. Ihre Krankheiten<lb/> Pflegen diese Leute stets von ihren Eltern zu erben, nur nicht zugleich die<lb/> seelische» Verfassungen, die deren Vorbedingung sind. Rückenmarksschwindsucht<lb/> (Dr. Rank in „Nora"), Gehirnerweichung (Oswald in den „Gespenstern"), fixe<lb/> Ideen, Arbeitsscheu (Peer Gynt), um von andern Gebrechen und Übeln gar<lb/> nicht zu reden, pflegen dort das Hausübel gerade der wenigen edeln und be¬<lb/> gabten Naturen zu sein. Es fehlt nur ein edler Erbtrnnkenbold in dieser<lb/> Edelmannsgalerie, so reich sie im übrigen an Trunkenbolden ist. Das sind<lb/> nun, wie man merkt, Einwirkungen des Naturalismus, und die stets berechtigte<lb/> Satire gegen Krankheits- und Fäuluissymptome einer hohlen, gewissenlosen,<lb/> fetten und übersättigten Bildungsgesellschaft bilden ihren realen Hintergrund.<lb/> Aber wir werden noch des Nähern auszuführen haben, daß sie hier ganz im<lb/> Dienste eines flachen, phrasenhaften Individualismus verwendet werden, daß sie<lb/> nicht wie bei dem geistig höher stehenden und energischer durchgebildeten Zola</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Zukunftspoeten.
(Schluß.)
eberblickcu wir nunmehr das „geadelte Thun" bei dem Schöpfer
des Dichters dieser „aufgerüttelten Poesie." Da er leider nicht
verbannt wurde, wie Aristides, Coriolan und Heinrich Heine, so
verbannte er sich kurz entschlossen selbst und teilte sein trauriges
Tour zwischen Paris, Rom und München. Da er leider auf
den Staat nicht schimpfen konnte, von dem er ja sogar eine Pension bezog, so
schimpfte er um so ausgiebiger auf die Städte, auf die Gemeinden, welche sein
Weltbeglückuugsstück höchst ruchlos ausgepfiffen hatten. Wen» man seinem
„geadelten" Schaffen glauben soll, so sind die Städte Norwegens, und be¬
sonders die kleinen Küstenstädte, in denen er dereinst dramaturgisch wirkte, der
Inbegriff aller Ruchlosigkeit, Scheußlichkeit und Gemeinheit, die sich auf diesem
daran stets sehr ergiebigen Erdenrund je zusammenfinden kann. Anständige
Leute giebt es dort überhaupt nicht, sondern höchstens bornirte Tröpfe, die
von einem „akuten (so!) Nechtschasfenheitsfieber" geplagt sind („Gregers Werke"
in dem Schauspiel „Die wilde Ente"). Ehen scheinen dort nur dazu da zu
sein, um den Dramatikern höchst verwickelte verwandtschaftliche Rechenexempel
an die Hand zu geben. Zu jedem rechten Haushalt gehört dort offenbar solch
ein großes X, welches mit Vrnder, Schwester, Vater, Mutter bis hinauf zur
Großmama (Gerd im „Brand") in irgend welcher ahnungsvollen, oft dazu noch
„Platonischen" (Hedwig in der „Wilden Ente" zum Vater!) oder unplatonischen
(Oswald und Regime in den „Gespenstern") Beziehung steht. Ihre Krankheiten
Pflegen diese Leute stets von ihren Eltern zu erben, nur nicht zugleich die
seelische» Verfassungen, die deren Vorbedingung sind. Rückenmarksschwindsucht
(Dr. Rank in „Nora"), Gehirnerweichung (Oswald in den „Gespenstern"), fixe
Ideen, Arbeitsscheu (Peer Gynt), um von andern Gebrechen und Übeln gar
nicht zu reden, pflegen dort das Hausübel gerade der wenigen edeln und be¬
gabten Naturen zu sein. Es fehlt nur ein edler Erbtrnnkenbold in dieser
Edelmannsgalerie, so reich sie im übrigen an Trunkenbolden ist. Das sind
nun, wie man merkt, Einwirkungen des Naturalismus, und die stets berechtigte
Satire gegen Krankheits- und Fäuluissymptome einer hohlen, gewissenlosen,
fetten und übersättigten Bildungsgesellschaft bilden ihren realen Hintergrund.
Aber wir werden noch des Nähern auszuführen haben, daß sie hier ganz im
Dienste eines flachen, phrasenhaften Individualismus verwendet werden, daß sie
nicht wie bei dem geistig höher stehenden und energischer durchgebildeten Zola
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