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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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parlamentarisches aus "Österreich.

nähren und in nationalen Ämtern unterbringen können. Früher ergoß sich der
Überschuß in alle übrigen Länder der österreichischen Monarchie, und die goldne
Zeit war, als tschechische Beamte und Lehrer bis Temesvar und Brody als
..Germanisatoren" den deutscheu Namen verhaßt machten. Nun sind ehren Ungarn
und Galizien verschlossen, die deutschen Länder verschließen ste der neuen Gene¬
ration freiwillig, mithin müssen sie hoffen, diesen Ländern nach und nach den
deutschen Charakter zu nehmen. Schon nimmt man sich nicht mehr die Mühe,
der Begehrlichkeit ein Mäntelchen umzuhängen. Jemand soll in seinem Rechte
verkürzt werden, wenn ein in seiner Angelegenheit gefälltes Urteil nicht ursprung¬
lich in seiner Sprache abgefaßt, sondern in dieselbe aus einer andern übersetzt
worden ist - diese ungeheuerliche Behauptung ernstlich zu verteidigen, mochte
niemand einfallen in einem Lande, in welchem die Gesetze in einer Sprache ver¬
faßt und in alle übrigen landesüblichen übersetzt werden. Aber - es sind
nicht immer vereidigte Übersetzer vorhanden! Folglich wäre anstatt der berüch¬
tigten Sprachenverordnung einfach die Anstellung solcher zu verfügen gewesen.
Oder nehmen wir den neuesten Fall, in welchem der Grundsatz des ^unter
Alexander mit seltener Naivität befolgt wird. So oft in Böhmen en. Fest der
Deutschen geplant wird, verbietet die Polizei ..im Interesse der Ruhe und Ord¬
nung" jedes Hervortreten in die Öffentlichkeit. Jetzt hat sie auch dem tschechischen
Turnverein in Prag, der seine Gründungsfeier begehe" will, die Erlaubnis zu
einem Umzüge versagt. Darob höchste Empörung, Beschwerden überall, wo ste
anzubringen'sind wutschäumende Zeitungsartikel, drohende Resolutionen der
städtischen Behörden u s. w. Und zwar wird stets wiederholt, dieser Fall liege
ganz anders, diesmal sei keine Gefahr für Ruhe und Ordnung vorhanden. Die
verschiednen weisen Thebaner kümmert die auf der Hand liegende Schlußfolge¬
rung nicht: jede Feier der Deutschen wird durch den tschechischen Pöbel gestört
werden, das versteht sich von selbst, von der deutschen Bevölkerung iedoch .se
im umgekehrten Falle keine Ausschreitung zu befürchten, sie sind zu gesittet und
friedliebend! Natürlich haben die windischen Affen der Tschechen steh von diesen
sofort das zweierlei Maß ausgeliehen. und leider ist es nicht mehr ein lächerliches
Schauspiel allein, wenn die Herren Führer eines winzigen, armen Volksstammes
mit ihrer neuslowenischen Sprache, die sie selbst nicht verstehen, sich als eben¬
bürtig den Deutschen und Italienern zugleich gegenüberstellen, denn sie, wie die
Tschechen in Böhmen und Mähren, erfreuen sich eines Statthalters, welcher aus
jeden Fall ihnen näher steht als den Deutschen, und als Mitglieder der Re¬
gierungspartei können sie Berücksichtigung ihrer Wünsche fordern.

Die Haltung der tonangebenden liberalen Blätter ist auch bei dieser letzten
Wendung schwer verständlich. "Die Lage ist geklärt" - bedürfte sie der Klärung-'
Daß aber das Ministerium sich nun als Ministerium der Mehrheit bekennt, mußte
von Rechtswegen die Anhänger des Parlamentarismus mit Befriedigung erfüllen.
Das Versöhnungsprogramm, die Stellung über den Parteien lieferte ihnen ja un-


parlamentarisches aus «Österreich.

nähren und in nationalen Ämtern unterbringen können. Früher ergoß sich der
Überschuß in alle übrigen Länder der österreichischen Monarchie, und die goldne
Zeit war, als tschechische Beamte und Lehrer bis Temesvar und Brody als
..Germanisatoren" den deutscheu Namen verhaßt machten. Nun sind ehren Ungarn
und Galizien verschlossen, die deutschen Länder verschließen ste der neuen Gene¬
ration freiwillig, mithin müssen sie hoffen, diesen Ländern nach und nach den
deutschen Charakter zu nehmen. Schon nimmt man sich nicht mehr die Mühe,
der Begehrlichkeit ein Mäntelchen umzuhängen. Jemand soll in seinem Rechte
verkürzt werden, wenn ein in seiner Angelegenheit gefälltes Urteil nicht ursprung¬
lich in seiner Sprache abgefaßt, sondern in dieselbe aus einer andern übersetzt
worden ist - diese ungeheuerliche Behauptung ernstlich zu verteidigen, mochte
niemand einfallen in einem Lande, in welchem die Gesetze in einer Sprache ver¬
faßt und in alle übrigen landesüblichen übersetzt werden. Aber - es sind
nicht immer vereidigte Übersetzer vorhanden! Folglich wäre anstatt der berüch¬
tigten Sprachenverordnung einfach die Anstellung solcher zu verfügen gewesen.
Oder nehmen wir den neuesten Fall, in welchem der Grundsatz des ^unter
Alexander mit seltener Naivität befolgt wird. So oft in Böhmen en. Fest der
Deutschen geplant wird, verbietet die Polizei ..im Interesse der Ruhe und Ord¬
nung" jedes Hervortreten in die Öffentlichkeit. Jetzt hat sie auch dem tschechischen
Turnverein in Prag, der seine Gründungsfeier begehe» will, die Erlaubnis zu
einem Umzüge versagt. Darob höchste Empörung, Beschwerden überall, wo ste
anzubringen'sind wutschäumende Zeitungsartikel, drohende Resolutionen der
städtischen Behörden u s. w. Und zwar wird stets wiederholt, dieser Fall liege
ganz anders, diesmal sei keine Gefahr für Ruhe und Ordnung vorhanden. Die
verschiednen weisen Thebaner kümmert die auf der Hand liegende Schlußfolge¬
rung nicht: jede Feier der Deutschen wird durch den tschechischen Pöbel gestört
werden, das versteht sich von selbst, von der deutschen Bevölkerung iedoch .se
im umgekehrten Falle keine Ausschreitung zu befürchten, sie sind zu gesittet und
friedliebend! Natürlich haben die windischen Affen der Tschechen steh von diesen
sofort das zweierlei Maß ausgeliehen. und leider ist es nicht mehr ein lächerliches
Schauspiel allein, wenn die Herren Führer eines winzigen, armen Volksstammes
mit ihrer neuslowenischen Sprache, die sie selbst nicht verstehen, sich als eben¬
bürtig den Deutschen und Italienern zugleich gegenüberstellen, denn sie, wie die
Tschechen in Böhmen und Mähren, erfreuen sich eines Statthalters, welcher aus
jeden Fall ihnen näher steht als den Deutschen, und als Mitglieder der Re¬
gierungspartei können sie Berücksichtigung ihrer Wünsche fordern.

Die Haltung der tonangebenden liberalen Blätter ist auch bei dieser letzten
Wendung schwer verständlich. „Die Lage ist geklärt" - bedürfte sie der Klärung-'
Daß aber das Ministerium sich nun als Ministerium der Mehrheit bekennt, mußte
von Rechtswegen die Anhänger des Parlamentarismus mit Befriedigung erfüllen.
Das Versöhnungsprogramm, die Stellung über den Parteien lieferte ihnen ja un-


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[0419] parlamentarisches aus «Österreich. nähren und in nationalen Ämtern unterbringen können. Früher ergoß sich der Überschuß in alle übrigen Länder der österreichischen Monarchie, und die goldne Zeit war, als tschechische Beamte und Lehrer bis Temesvar und Brody als ..Germanisatoren" den deutscheu Namen verhaßt machten. Nun sind ehren Ungarn und Galizien verschlossen, die deutschen Länder verschließen ste der neuen Gene¬ ration freiwillig, mithin müssen sie hoffen, diesen Ländern nach und nach den deutschen Charakter zu nehmen. Schon nimmt man sich nicht mehr die Mühe, der Begehrlichkeit ein Mäntelchen umzuhängen. Jemand soll in seinem Rechte verkürzt werden, wenn ein in seiner Angelegenheit gefälltes Urteil nicht ursprung¬ lich in seiner Sprache abgefaßt, sondern in dieselbe aus einer andern übersetzt worden ist - diese ungeheuerliche Behauptung ernstlich zu verteidigen, mochte niemand einfallen in einem Lande, in welchem die Gesetze in einer Sprache ver¬ faßt und in alle übrigen landesüblichen übersetzt werden. Aber - es sind nicht immer vereidigte Übersetzer vorhanden! Folglich wäre anstatt der berüch¬ tigten Sprachenverordnung einfach die Anstellung solcher zu verfügen gewesen. Oder nehmen wir den neuesten Fall, in welchem der Grundsatz des ^unter Alexander mit seltener Naivität befolgt wird. So oft in Böhmen en. Fest der Deutschen geplant wird, verbietet die Polizei ..im Interesse der Ruhe und Ord¬ nung" jedes Hervortreten in die Öffentlichkeit. Jetzt hat sie auch dem tschechischen Turnverein in Prag, der seine Gründungsfeier begehe» will, die Erlaubnis zu einem Umzüge versagt. Darob höchste Empörung, Beschwerden überall, wo ste anzubringen'sind wutschäumende Zeitungsartikel, drohende Resolutionen der städtischen Behörden u s. w. Und zwar wird stets wiederholt, dieser Fall liege ganz anders, diesmal sei keine Gefahr für Ruhe und Ordnung vorhanden. Die verschiednen weisen Thebaner kümmert die auf der Hand liegende Schlußfolge¬ rung nicht: jede Feier der Deutschen wird durch den tschechischen Pöbel gestört werden, das versteht sich von selbst, von der deutschen Bevölkerung iedoch .se im umgekehrten Falle keine Ausschreitung zu befürchten, sie sind zu gesittet und friedliebend! Natürlich haben die windischen Affen der Tschechen steh von diesen sofort das zweierlei Maß ausgeliehen. und leider ist es nicht mehr ein lächerliches Schauspiel allein, wenn die Herren Führer eines winzigen, armen Volksstammes mit ihrer neuslowenischen Sprache, die sie selbst nicht verstehen, sich als eben¬ bürtig den Deutschen und Italienern zugleich gegenüberstellen, denn sie, wie die Tschechen in Böhmen und Mähren, erfreuen sich eines Statthalters, welcher aus jeden Fall ihnen näher steht als den Deutschen, und als Mitglieder der Re¬ gierungspartei können sie Berücksichtigung ihrer Wünsche fordern. Die Haltung der tonangebenden liberalen Blätter ist auch bei dieser letzten Wendung schwer verständlich. „Die Lage ist geklärt" - bedürfte sie der Klärung-' Daß aber das Ministerium sich nun als Ministerium der Mehrheit bekennt, mußte von Rechtswegen die Anhänger des Parlamentarismus mit Befriedigung erfüllen. Das Versöhnungsprogramm, die Stellung über den Parteien lieferte ihnen ja un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/419>, abgerufen am 17.09.2024.